Kommentar Der erkaufte Frieden im Koalitionsausschuss

30. März 2023, 07:09 Uhr

Der Verhandlungsmarathon ist beendet. Der Koalitionsausschuss bringt müde Gesichter hervor und große Versprechen, die jetzt mit Leben erfüllt werden müssen. Schon jetzt ist klar, einfacher wird es in Zukunft nicht. Wer hat sich sich durchgesetzt? Und wovon profitiert der Osten? Ein Kommentar.

Die Liberalen sind die Gewinner des Koalitionsgipfels. Selten ist der Kanzler der FDP wohl so entgegen gekommen, wie gestern Abend. Scholz weiß, die Freien Demokraten brauchen Erfolge. Die letzten Landtagswahlen waren mehr als ernüchternd. FDP-Chef Lindner braucht mehr Erkennbarkeit in der Ampel, Themen, die unter dem gelben Label wahrgenommen werden. Und das wiederum könnte dem Kanzler das Regieren etwas leichter machen.

Kein Wunder, dass die grüne Parteichefin, Ricarda Lang, und der SPD-Chef, Lars Klingbeil, gestern Abend sehr bemüht wirkten, beim Verkünden der Erfolge. Christian Lindner hätte dagegen noch stundenlang reden können. Hier wird klar: Das "große Werkstück", das der Kanzler fast euphorisch zuvor verkündet hat, ist vor allem ein erkaufter Koalitions-Frieden. Der Blick aufs Detail macht das deutlich.

Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses

Streitthema Öl- und Gasheizungen: Das strikte Verbot ist vom Tisch. Es soll mehr Freiwilligkeit, mehr Anreize und mehr marktwirtschaftliche Impulse geben. Das dürfte den FDP Wählern gefallen.

Streitpunkt Infrastruktur: Bundesverkehrsminister Wissing von der FDP durfte wohl in den letzten Verhandlungsstunden viele Haken an seine Projekte machen. Es wird einen schnelleren Ausbau von Autobahnstrecken geben. Und das eigentliche Plus für die FDP: Wo auch immer eine ökologische Fläche betroffen ist, muss sie nicht mehr wie bisher durch andere ökologische Flächen ersetzt werden. Es darf auch eine Ablösesumme gezahlt werden. Böse Zungen sprechen schon vom Ablasshandel. Der FDP-Chef nennt das einen Paradigmenwechsel. Quälende Baustopps und Gerichtsverhandlungen wegen Naturschutzmaßnahmen dürften damit seltener werden.

Streitthema Klimaschutz: Auch hier ein Erfolg aus liberaler Sicht. Denn künftig wird bei den CO2-Einsparungen der Finger nicht mehr nur auf bestimmte Bereiche gezeigt. Die so genannte Zuweisung nach Sektoren fällt weg. Das soll übergreifend passieren. Alle müssen gemeinsam einsparen, um die Klimaziele zu erreichen. Das Schwarze-Klimapeter-Spiel hat damit wohl ein Ende. Der schwarze Peter heißt jetzt nicht mehr nur Volker Wissing. Der kann sich jetzt entspannt zurücklehnen. Ab sofort sind alle Ressorts gleichermaßen gefragt.

Punkten konnten dagegen die Grünen bei der Lkw-Maut. Die soll ausgeweitet und erhöht werden. 45 Milliarden Euro könnten so frei werden und in den nächsten Jahren in den Ausbau der Schiene fließen. Außerdem hat die Bundesregierung den letzten Zugriff, wenn die Einsparziele beim Klimaschutz nicht erreicht werden. Und für jeden gebauten Autobahnkilometer soll es künftig eine Solaranlage geben. Außerdem haben die Grünen – wenn auch aufgeweicht – ihr Verbot von Gas- und Ölheizungen weitestgehend durchgesetzt. Insgesamt konnten die Grünen allerdings kaum mehr als Sicherheitsnetze spannen.

Der Osten dürfte profitieren

Die geplanten Infrastrukturmaßnahmen, vor allem die schnelleren Planfeststellungsverfahren dürften den Osten besonders freuen. Gerade den Kohleregionen könnte das helfen, den Strukturwandel besser zu bewältigen. Mehr Autobahnen und Schienenverkehrsprojekte dürften eher Investoren und Unternehmen anlocken und so wohl auch schnellere Arbeitsplätze schaffen. Ein politischer Bonus, der am Ende allen drei Ampel-Parteien zu Gute kommen könnte.

Und die SPD? Die hat ja den Kanzler. Und der hat sich ein bisschen Frieden erkauft. Olaf Scholz muss jetzt dafür sorgen, dass er auch hält.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 29. März 2023 | 06:05 Uhr

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