Ein Wolf steht im Wald.
Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Bei Angriffen auf Nutztiere Bundesumweltministerin Lemke will Wölfe schneller abschießen lassen

12. Oktober 2023, 22:23 Uhr

Er ist streng geschützt, erhitzt jedoch immer wieder die Gemüter: Wenn ein Wolf viele Nutztiere reißt, soll er künftig leichter abgeschossen werden dürfen. Das hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke vorgeschlagen. Konkret plant sie eine Sonderegelung, die es erlaubt Wölfe nach einem Riss innerhalb von 21 Tagen ohne DNA-Abgleich zu erschießen. Das soll Bürokratie abbauen und Weidetiere besser schützen. Doch der Vorschlag wird bereits kritisiert.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke plant, einen schnelleren Abschuss von Wölfen zu erlauben. Wie die Grünen-Politikern am Donnerstag in einem Schreiben mitteilte, soll das in bestimmten Regionen möglich werden, wenn ein Wolf ein Weidetier gerissen und Schutzvorkehrungen wie einen Zaun überwunden hat. Damit sollten Schafe und andere Weidetiere besser geschützt werden.

Konkret plädiert Lemke für eine Sonderregelung. So solle per Ausnahmegenehmigung in einem Zeitraum von 21 Tagen in einem Umkreis von 1.000 von der Rissstelle auf den Wolf geschossen werden dürfen. Dafür müsse nicht mehr wie bisher erst auf eine DNA-Analyse gewartet werden. Diese ist bislang gesetzlich verpflichtend, damit Jäger die unter Artenschutz gestellten Tiere nicht wahllos erschießen.

Bundesumweltministerin will Bürokratie abbauen

Voraussetzung ist dem Schreiben zufolge, dass der Angriff auf Weidetiere wiederholt in einer bestimmten Region erfolgt. Der Wolf müsse dabei eine zumutbare Schutzmaßnahme, wie einen Zaun oder Mauer überwunden haben. Die Behörde empfiehlt dabei Elektrozäune von mindestens 1,20 Meter Höhe.

Die geplante Sonderregelung soll nun Bürokratie abbauen und Tierhaltern mehr Schutz bieten. Der Prozess zu einer Abschussgenehmigung habe bisher zu lange gedauert, erklärte Lemke. Der nun vorgeschlagene Weg sei praktikabel und unkompliziert ohne nationale oder europäische Gesetzesänderungen umsetzbar.

Die Ministerin strebt ein Beschluss bei der Umweltministerkonferenz im November mit den Ländern an. Dann könne der Vorschlag zum 1. Januar 2024 umgesetzt werden, rechtzeitig zur nächsten Weidesaison.

Zustimmung bei Grünen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt

In den Bundesländern hat Lemkes Vorstoß unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) begrüßte den Vorschlag seiner Parteikollegin. Ebenso der umweltpolitische Sprecher der Grünen in Sachsen-Anhalt, Wolfgang Aldag. Er unterstützte die "pragmatischen und sachgerechten Vorschläge" zum Umgang mit dem Wolf: "Bundesumweltministerin Lemke schützt die Interessen der Weidentierhalter im Gegensatz zu den ständigen populistischen Forderungen nach Wolfabschuss ohne konkreten Anlass." Wer ein anlassloses Abschießen von Wölfen in intakten Rudeln fordere, ignoriere de wissenschaftlichen Fakten und erweise Tierhaltern damit einen Bärendienst.

Darüber hinaus sprach sich Aldag zusätzlich für Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune und Hunde aus, um das Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf zu organisieren. Auch aus Niedersachsen kam Zustimmung.

Kritik gegen Lemkes Vorstoß

Kritik kam dagegen aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) kritisierte, Lemke verharre nach wie vor ausschließlich bei der Entnahme von Problemwölfen: "Das bringt uns einem dringend notwendigen Bestandsmanagement für Wölfe keinen Schritt näher." Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) forderte bundeseinheitliche Regeln zum Abschuss von Wölfen. "Hier ist der Bund gefordert, in Abstimmung mit den Ländern eine eindeutige Rechtsgrundlage zu schaffen", forderte Backhaus.

Der FDP-Europapolitiker Jan-Christoph Oetjen verlangte eine einheitliche Handlungsrichtlinie. Er erklärte, Lemke habe für schwer zu schützende Regionen wie Deiche "leider keine klare Antwort" gefunden. Die neuen Abschussgenehmigungen könnten deshalb nur ein Zwischenschritt für den Umgang mit dem Wolf sein. Ohne ein aktives Bestandsmanagement mit wolfsfreien Zonen an den Deichen sei keine langfristige Lösung gefunden. Sogenannte "wolfsfreie Zonen" hatte Lemke bislang ausgeschlossen.

Tierschützer für Ausweitung des Herdenschutzes

Wölfe sind streng geschützt, erhitzen doch immer wieder die Gemüter. Tierhalter und Bauernverbände fordern den Abschuss von Problemwölfen schon länger. Sie verzeichnen bei wachsender Wolfspopulationen zunehmend Risse auf ihre Tiere. Das ließ die Frustration bei Nutztierhaltern steigen und die Akzeptanz des geschützten Wolfes sinken.

Tierschützer und Umweltverbände wiederum lehnen Abschüsse ab. Sie fordern die Ausweitung des Herdenschutzes, um den Wolf zu schützen. Wie der Nabu Thüringen mitteilte, fehlt es an bundesweiten Lösungen speziell für Weidetierhalter. Bis zu drei Viertel der Risse fänden an unzureichend geschützten Weiden statt.

In Deutschland sind die Bundesländer für das Wolfsmanagement verantwortlich, doch der Wolf ist durch internationale und nationale Gesetze streng geschützt und hat den höchstmöglichen Schutzstatus. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 1.100 Wolfsübergriffe mit insgesamt fast 4.400 getöteten, verletzten oder vermissten Nutztieren gemeldet. Bundesweit gibt es mehr als 1.300 Wölfe, die meisten in Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen.

MDR (lmb), dpa, epd

MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio

16 Kommentare

Senta Tangerstedt vor 30 Wochen

1. Die Wölfe leben seit 25 Jahren hervorragend in unserer Bevölkerungsdichte, ohne dass auch nur einem Menschen ein Haar gekrümmt worden wäre. Wie können Sie nach einem Vierteljahrhundert Praxis plötzlich behaupten, dass das nicht möglich sei?
2. Wenn Schafe und Ziegen für ihre Halter so wertvoll sind, warum werden die dann aus Profitgründen in Schlachtgewicht gerechnet und dann um Tode durch Kehlschnitt in der Metzgerei verurteilt? Immerhin sind das rund 1,2 Mio im Jahr! Und wenn die Schafe und Ziegen von ihren Haltern für ach so wertvoll erachtet werden, warum ist das den Haltern dann nicht mal die relativ aufwandsarme Nachrüstung des vorhandenen Zauns zu einem wolfsabweisenden Zaun wert? Warum weigern sich die Tierhalter, ihren Tieren verantwortungsvollen Schutz angedeihen zu lassen?
3. Die Frage, wofür Steuergelder ausgegeben werden, beantworten die demokratisch gewählten Organe. Die massigen Agrarsubventionen nehmen die Tierhalter jedoch stets gern und halten fleißig die Hand auf.

Gohlis vor 30 Wochen

Ihre gruppenbezogene, kalte Sicht auf das Leben lässt mich schaudern. Ja, Schafe und Ziegen sind (ebenso wie Katzen und Hunde) Haustiere und nicht vom Aussterben bedroht. Aber auch Ella und Lilli, die zur Familie gehören, die deine Kinder schon seit ihrer Geburt kennen, haben es verdient, eine Lobby zu haben statt die letzte lange halbe Stunde ihres Lebens in Todesangst zu verbringen und bei lebendigem Leibe zerfetzt zu werden. Trotz teuren Schutzzäunen und trotz Hund übrigens.

nasowasaberauch vor 30 Wochen

Der Wolf gehört ins Jagdrecht. Dieses ganze Kompetenzgeschwurbel und die Idee von Frau Lemke zum Abschuss sind Weltfremd. Abschuss ja, aber nur, wenn er an seinem Nummernschild als Wiederholungstäter identifiziert wird. Das ist schon ein wichtiger Schritt, weg von der Täter-DNA Analyse, aber zu kurz geraten. Die Wolfspopulation hat sich so entwickelt, dass kein Grund mehr für den Artenschutz besteht. Isegrim erfüllt eine wichtige Funktion nur bei wild lebenden Tieren. Bei Angriffen auf Nutztiere ist eine wirkende Vergrämung nur durch Abschuss möglich, weil Zäune und Schutzhunde offensichtlich nicht ausreichen.

Mehr aus Politik

Nachrichten

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in die Kamera 1 min
Olaf Scholz zur Europawahl Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 09.05.2024 | 17:42 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz: "Unser vereintes Europa ist zu kostbar, um es denen zu überlassen, die es kaputt machen wollen"

Do 09.05.2024 17:17Uhr 00:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-olaf-scholz-angriffe-europawahl-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Hochzeitsfotograf
Für schöne Erinnerungen an den Hochzeitstag lassen die meisten Brautpaare Fotos machen. Doch dafür haben die Fotografen nur den einen Hochzeitstag. Müssen sie Schmerzensgeld zahlen, wenn das Brauptaar von ihrer Arbeit enttäuscht ist? Bildrechte: IMAGO/YAY Images