Ernährung "Die Folgeschäden der Billigproduktion werden der Allgemeinheit aufgebürdet"

27. August 2022, 05:00 Uhr

Filmemacher Jörg Pfeifer hat für seinen Film „Bioboom im Osten – Der Preis der Nachhaltigkeit“ mit Landwirten, Händlern und Experten gesprochen und erklärt, warum sich die schwierige Umstellung auf Bio-Landwirtschaft letztlich für alle lohnt.

Pandemie, Krieg, Inflation, Energie- und Klimakrise. All das wirkt sich auf das Kaufverhalten der Verbraucher in Deutschland aus. Auch, wenn es um Bio-Lebensmittel geht. Ob sich die Menschen nachhaltig produziertes Essen leisten können und wollen, und welche versteckten Kosten konventionell produzierte Lebensmittel mit sich bringen, hat Jörg Pfeifer recherchiert.

Wie beliebt sind Bio-Lebensmittel bei den Verbrauchern?

In den letzten zwei Jahren hatten wir einen ziemlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Bio-Produkten, die Menschen haben bundesweit mehr Bio gekauft - im Osten genauso wie im Westen.

Und das ist so geblieben?

Das hat ein Stück weit nachgelassen. Die Inflation setzt den Menschen schon zu, sie haben weniger Geld zur Verfügung und überlegen sich, wie sie es ausgeben. Deswegen ist auch der Absatz von Bio-Produkten in den Fachmärkten nach dem erfolgreichen letzten Jahren erstmals kräftig zurückgegangen. Die Menschen kaufen Bio eher in den Discountern und Supermärkten, weil es einfach günstiger ist.

Sind Bio-Lebensmittel zu teuer? Es wird ja immer behauptet, so viel müssten sie gar nicht kosten.

Nein, anders herum ist es richtig. Eigentlich müssten konventionelle industriell hergestellte Lebensmittel viel teurer sein als Bio-Produkte, weil Bio-Produkte keine oder ganz wenige Schäden an der Umwelt hinterlassen. Die Schäden, die durch die Billigproduktion in der Umwelt hinterlassen werden, werden letztendlich der Allgemeinheit aufgebürdet.

Bio-Landwirt Michael Dihlmann mit Sohn Klaus vor einem Mähdrescher, bei der Gerstenernte.
Nachhaltig wirtschaften: Bio-Landwirt Michael Dihlmann mit Sohn Klaus bei der Gerstenernte. Bildrechte: MDR/Jörg Pfeifer

Zum Beispiel, wenn die Böden durch die Düngung nicht mehr fähig sind, bei Regenfällen genügend Wasser aufzunehmen, und es dann Hochwasser gibt. Diese Kosten trägt am Ende die Allgemeinheit, denn die staatlichen Hilfen, die dann gewährt werden, zahlt der Steuerzahler.

Sie haben ja sowohl mit konventionellen Landwirten als auch mit Biobauern gesprochen. Wer war denn am Ende zufriedener?

Der Biobauer, den der handelt aus Überzeugung. Er kann sich eher an seinen Erträgen freuen, denn er sieht, dass es seinen Tieren und der Umwelt gut geht.

Im Jahr 2006 wurde auf dem Hof in Nemt die neugebaute, EU-zertifierte Molkerei eröffnet.
Zukunftsträchtig: Landwirt René Döbelt stellt seine Michwirtschaft auf Bio um. Bildrechte: MDR

In der Landwirtschaft gibt es derzeit zwei Systeme. Das eine ist im Kern ein Ausbeutungssystem und das andere ist der Versuch, nachhaltig zu sein. Und die Menschen, die im Bio-Bereich arbeiten, sind – wenn sie es schaffen, davon zu leben – diejenigen, die zufriedener sind.

Was hält die konventionellen Bauern noch davon ab, auf Bio umzusteigen?

Zum einen ist der Regulierungsdruck deutlich höher bei Bio. Was ebenfalls ein echtes Problem ist, sind die Umstellungszeiten. Wenn ein Betrieb von konventionell auf Bio umstellt, braucht es in der Regel zwei bis drei Jahre, bis er dann Bio verkaufen darf. In dieser Zeitspanne produziert er zwar Bio, das heißt, er hat weniger Erträge, höheren personellen Einsatz und höhere Kosten, darf aber nur den konventionellen Preis verlangen. Da braucht es finanzielle Ressourcen. Und viele konventionelle Landwirte haben diese Ressourcen nicht.

Ein Hund und ein Ferkel.
So idyllisch kann Nachhaltigkeit sein: Begegnung auf einem Bio-Bauernhof Bildrechte: MDR/Jörg Pfeifer

Ungefähr 20 Prozent der Landwirte würden gerne umstellen, aber sie sind vorsichtig, weil nicht sicher ist, ob der Betrieb dann besser dasteht mit Bio. Denn sie müssen erstmal eine lange Strecke überwinden. Wer es geschafft hat, wer ein paar Jahre als Biobauer durchhalten kann, der ist aber auf jeden Fall besser aufgestellt, würde ich sagen.

Hinweis: Dieses Gespräch mit Jörg Pfeifer wurde am 22.8. für den Hörfunk geführt. Es wurde für bessere Lesbarkeit redigiert und gekürzt.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Bioboom im Osten – Der Preis der Nachhaltigkeit | 24. August 2022 | 20:15 Uhr

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