Sonnenuntergang bei einer Brücke
Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Januar im Vergleich zum Vormonat um 1,1 Punkte. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Wirtschaftliche Talfahrt Trübes Ifo-Geschäftsklima bei Baubranche, Onlinehandel und Dienstleistern

25. Januar 2024, 14:49 Uhr

Eigentlich hatten Experten erwartet, dass sich das Geschäftsklima aufhellen würde – stattdessen ist die Stimmung in vielen Branchen mieser denn je. Besonders Unternehmen in Baubranche, Onlinehandel und Dienstleistungssektor klagen über schlechte wirtschaftliche Aussichten. Einige Experten erwarten, dass sich die wirtschaftliche Talfahrt in ganz 2024 fortsetzt.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich zu Beginn des Jahres weiter verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Januar zum Vormonat um 1,1 Punkte auf 85,2 Zähler, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Analysten hatten hingegen im Schnitt mit einem Anstieg des wichtigsten Frühindikators für die deutsche Wirtschaft auf 86,6 Punkte gerechnet. Der aktuelle ist der niedrigste Wert seit Mai 2020, als die Corona-Pandemie die Wirtschaft im Klammergriff hielt.

"Unternehmen sehen keine klare Linie in der Wirtschaftspolitik"

Die Umfrage deutet laut dem Ifo-Experten Klaus Wohlrabe daraufhin, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal leicht schrumpfen dürfte – um 0,1 oder 0,2 Prozent. Die Unsicherheit in den Chefetagen habe zu Jahresbeginn deutlich zugenommen. Dies sei vor allem auf den wirtschaftspolitischen Kurs in Deutschland zurückzuführen. "Die Unternehmen sehen keine klare Linie in der Wirtschaftspolitik", sagte Wohlrabe.

Zuletzt hatte der Arbeitgeberverband BDA der Ampel-Regierung in der Mitte der Amtszeit ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Unternehmen hätten das Vertrauen in die Koalition aus SPD, Grünen und FDP verloren, sagte Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger in Berlin und fügte hinzu: "Es muss jetzt endlich was passieren." Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssten besser werden und insbesondere Bürokratie abgebaut werden.

Das BIP war im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent geschrumpft, erstmals seit dem Corona-Jahr 2020. Kein anderes großes Industrieland hat sich 2023 schlechter geschlagen als die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Die Wirtschaftsleistung wird laut der jüngst aktualisierten Prognose des Ifo in diesem Jahr voraussichtlich nur um 0,7 Prozent zulegen, auch gebremst vom Sparkurs der Bundesregierung.

Experten rechnen 2024 mit wirtschaftlicher Talfahrt

Einige Experten sind noch deutlich pessimistischer als die Münchner Forscher und rechnen für 2024 mit einer Fortsetzung der Talfahrt – so auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer, der ein erneutes Minus von 0,3 Prozent auf dem Zettel hat: "Die meisten Volkswirte sind noch zu optimistisch." Der deutliche Rückgang des Ifo-Index markiere einen schlechten Start ins neue Jahr.

Nur im Verarbeitenden Gewerbe hellte sich die Stimmung im Januar auf. Die Unternehmen waren etwas zufriedener mit ihren laufenden Geschäften. Die Erwartungen verbesserten sich ebenfalls, blieben aber pessimistisch. Bei den Dienstleistern, aber auch im Handel und im Bauhauptgewerbe ging es mit der Stimmung bergab.

Rückläufiger Wohnungsbau, Rekord-Minus im Onlinehandel

Die deutsche Baubranche steckt tief in der Misere: Sie hat im November den dritten Monat in Folge weniger Aufträge an Land gezogen. Das Neugeschäft im Bauhauptgewerbe schrumpfte inflationsbereinigt um 7,4 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Die Entwicklung der Aufträge verlief zuletzt zweigeteilt. Das Neugeschäft im Tiefbau, wozu beispielsweise der staatlich dominierte Straßenbau zählt, nahm im November stark ab: Es schrumpfte um 15,1 Prozent zum Vormonat. Der Hochbau – der vor allem durch den Wohnungsbau geprägt und überwiegend von der privaten Nachfrage abhängig ist – meldete hingegen ein Wachstum von 1,6 Prozent.

Im Wohnungsbau allein gab die Nachfrage allerdings nach, und zwar um 6,8 Prozent. "Eine besorgniserregende Entwicklung", sagte dazu der Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. "Nicht nur für die Bauunternehmen, sondern auch für die Menschen, die dringend eine Wohnung suchen."

Auch der Onlinehandel klagt über schlechte Geschäfte: Das Rezessionsjahr 2023 brockte ihm ein Rekord-Umsatzminus ein. Die Erlöse mit Waren sanken – erstmals überhaupt zweistellig – um 11,8 Prozent auf 79,7 Milliarden Euro, wie der Branchenverband bevh mitteilte: "Wir erwarten, dass die Talsohle im deutschen E-Commerce im Laufe des Jahres erreicht wird", sagte bevh-Präsident Gero Furchheim.

dpa/Reuters(ewi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Januar 2024 | 13:13 Uhr

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