Die ehemalige Brikettfabrik Zeitz
Die ehemalige Brikettfabrik Zeitz steht schon seit 1960 unter Denkmalschtuz. Nun sollen weitere Objekte aus dem Mitteldeutschen Braunkohlerevier folgen. Doch ist das Denkmalschutz oder ein Hindernis für die Weiterentwicklung? Bildrechte: IMAGO/Steffen Schellhorn

Strukturwandel Wie viel Denkmalschutz braucht die Kohleindustrie?

30. Januar 2024, 05:00 Uhr

Der Denkmalschutz hat deutschlandweit alle Gebäude der Kohleindustrie erfasst, die womöglich denkmalwürdig sind. Dafür reisten Experten durch Deutschlands Kohlereviere – bezahlt vom Bund. Nun liegen die Ergebnisse vor. Erste Kohle-Denkmäler gibt es ja schon. Doch die Frage, wie viele man insgesamt braucht, ist umstritten – auch im Mitteldeutschen Revier.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Tony Saar öffnet die Tür zur Brikettfabrik Herrmannschacht Zeitz. Es ist dunkel zwischen den alten Mauern. Schon 1889 wurde hier Kohle zermahlen und zu Briketts gepresst. Vieles ist noch erhalten: Die Dampfmaschine, die Pressen. Saar zeigt den Saal, in dem die Briketts getrocknet wurden – auf Stahlplatten. "Hier drin war es schön warm. Weil diese Dinger, diese Stahlgestelle haben Wärme abgestrahlt ohne Ende. Einhundert Prozent Luftfeuchtigkeit, 50 Grad Raumtemperatur. Kohlestaub in der Luft, finster wie der Bärenarsch. Hier gab es nur fünf Lampen. Ein "schöner" Arbeitsplatz … Es war aber auch der Arbeitsplatz in der Brikettfabrik, wo man das meiste Geld verdienen konnte als Arbeiter."

Bundestagsabgeordneter befürchte Denkmalschutz auf Kosten von Weiterentwicklung

Seit 1960 steht die Brikettfabrik unter Denkmalschutz. Mit dem Kohleausstieg stellt sich nun die Frage: Was wird aus den anderen Orten der Kohleindustrie? Um sie zu erfassen, sind Denkmalpfleger durchs Mitteldeutsche Revier gezogen. Im Dezember, sagt Martin Schneider vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, habe man die Erfassung im Bundesland abgeschlossen. "Wir haben von Grabsteinen der Bergleute bis hin zu Kraftwerken, Brikettfabriken…Ich sage mal bei unserem Erfassungsprojekt war es insgesamt, was wir aufgenommen haben an Objekten über 2.600 Stück."

Nicht alle dieser Objekte werden automatisch zu Denkmälern erklärt. Aber einige. So wurde das alte Kohlekraftwerk Deuben bereits komplett unter Denkmalschutz gestellt. Beim dortigen SPD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Erben sorgte das für Unmut. Denn der Denkmalstatus, so seine Befürchtung, verhindere eine Weiterentwicklung. Er fragt: Was soll man denn aus so einem alten Kraftwerk noch machen? "In und um Deuben stand eine Vielzahl deutlich älterer und historischerer Veredelungsanlagen. Alles ist dort, auch schon unter dem Geltungsbereich des heutigen Denkmalschutzes, dem Erdboden gleichgemacht worden. Und jetzt kettet man sich an die letzten Anlagen und verhindert eine Entwicklung. Und das kritisiere ich vor allem."

Mitteldeutsches Kohlerevier war bedeutend

Sachsen-Anhalts Landeskonservatorin Elisabeth Rüber-Schütte entgegnet, sie wolle auch an Denkmälern wirtschaftliche Aktivität ermöglichen. Was das konkret heißt, lässt sie offen. Für die Nachnutzung des Kraftwerks Deuben führe man Gespräche. Generell finde sie es schade, dass viele Zeugnisse der Kohleindustrie schon verloren sind. "Es ist ja leider so, dass das Mitteldeutsche Revier nicht ganz so prominent ist in der Wahrnehmung wie das Rheinische Revier, aber ja hochbedeutend gewesen ist, auch für viele Folgeindustrien gesorgt hat. Und auch für ganz viele Innovationsschübe, die auf andere Bereiche übertragen wurden. Und da geht es einfach darum, diese Kultur bei dem Strukturwandel ganzheitlich zu erfassen, zu bewahren und sich bewusst zu machen."

Qualm quillt aus dem Schornstein des Kraftwerks Deuben. 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Tony Saar hat Kohlegeschichte im Blut. Er führt durch die Brikettfabrik Zeitz. Was hier rauskam, waren Markenprodukte – mit eingeprägten Herstellernamen auf jedem Brikett. "Und ich muss wirklich sagen, die Firmenlogos, die haben sich damals wirklich Mühe gegeben, ihren Namen zu zeigen. Es war die einfachste Werbung. Jeder hat es in der Hand gehabt. Mehrfach."

Saar ist froh, dass die Zeitzer Fabrik die Zeiten überdauert hat. Er führt ehrenamtlich durch die Anlage. Das Interesse sei groß. Trotzdem bleibt offen, wie viele solcher Erinnerungsorte die Kohleregion künftig braucht.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 30. Januar 2024 | 06:17 Uhr

4 Kommentare

steka vor 14 Wochen

"Der Denkmalschutz hat deutschlandweit alle Gebäude der Kohleindustrie erfasst, die womöglich denkmalwürdig sind. Dafür reisten Experten durch Deutschlands Kohlereviere – bezahlt vom Bund". da ist schön und gut, aber dann sollte der Bund auch die Kosten tragen für nicht nutzungsfähige Schrottimmobilien, Bahnbrücke in Weida läßt grüßen.

Dr. Norman Pohl vor 14 Wochen

Alles ist in und um Deuben (...) dem Erdboden gleichgemacht worden. Und jetzt kettet man sich an die letzten Anlagen und verhindert eine Entwicklung. - Um das Zitat ein klein wenig umzustellen. Dann muss ja Deuben eine herausragende wirtschaftliche Entwicklung genommen bislang genommen haben! Mehr als offenbare Hilflosigkeit eines Abgeordneten, der für eine (einstige?) Arbeiterpartei spricht und potentielle Erinnerungsorte an die Geschichte der Arbeit einebnen will, kommt darin nicht zum Ausdruck. Der Landeskonservatorin Frau Rüber-Schütte wird vorgeworfen, ihre Vorstellungen nicht zu konkretisieren: "Was das konkret heißt, lässt sie offen." Zu den Betreibern der Altanlagen heißt es: "Die Betreiber wollen alte Anlagen abreißen und etwas Neues entwickeln." Vieleicht könnte das doch sehr unspezifisch scheinende "Neue" ja erst einmal der Landeskonservatorin vorgestellt werden? Politische Sporen sind nicht mehr zu verdienen, indem "Unmut" über den Denkmalschutz verbreitet wird

Hobby-Viruloge007 vor 15 Wochen

Wir sollten auch die Verbrennerfabriken und AKW zu Museen erklären, wie das gesamte Land. Als Museum für z.B. chinesische Besucher können wir in Zukunft Geld verdienen.

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