Gaspreisdeckel Ökonomen kritisieren Gaspreis-Deckel für Industrie

03. November 2022, 05:00 Uhr

Ökonomen melden Zweifel an, ob die staatlichen Milliarden-Hilfen in der Energiekrise sinnvoll sind. Für den Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Gropp, sind 200 Milliarden Euro für alle zu viel des Guten. Gropp sagte MDR AKTUELL, das Geld müsse sich Deutschland per Kredit besorgen und die Zinsen seien inzwischen deutlich gestiegen.

Wer Geld an alle verteilt, hilft am Ende auch den Falschen, so sieht es Reint Gropp. Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle ist der wohl prominenteste Kritiker des Gaspreis-Deckels. Gropp argumentiert, ein Villenbesitzer erhalte mit dem Deckel mehr Staatsgeld als eine Rentnerin mit Einraumwohnung.

Gropp würde deshalb nur kleine und mittlere Jahreseinkommen entlasten: "Das heißt, wenn man da irgendwo die absolute Obergrenze gesetzt hätte, irgendwo bei 40.000 bis 50.000 Euro Einkommen, dann hätte man schon eine ganze Menge Geld sparen können. Man hätte stärkere Anreize zum Energiesparen gehabt und das Ganze wäre schon kohärenter gewesen als es jetzt ist."

Gropp hält finanzielle Entlastungen der Industrie für falsch

Doch der Wirtschaftsforscher geht noch weiter: Der Industrie würde er gar nicht helfen. Dass es auch für Unternehmen einen Gaspreisdeckel geben soll, findet Gropp falsch. Denn der Gaspreis werde auf viele Jahre hoch bleiben: "Es ist ein permanentes Problem, dass die Industrie mit diesen höheren Energiepreisen leben muss. Entweder kann der Staat sie bis in alle Ewigkeiten subventionieren oder er kann sagen, ihr müsst jetzt Lösungen finden, wie ihr mit weniger Energieverbrauch produzieren könnt."

Mit dieser Einschätzung ist Gropp nicht allein. Auch Joachim Ragnitz, Vize-Chef am ifo-Institut in Dresden, kritisiert den Deckel für die Industrie: "Letzten Endes müssen die Unternehmen sich transformieren, müssen mit weniger Energieverbrauch auskommen. Und sie müssen im Zweifel, wenn sie es nicht schaffen, auch aus dem Markt ausscheiden."

Die Erfahrung sei ja, so Ragnitz: "Wenn man einmal eine Subvention hat, wird es immer wieder Stimmen geben, die eine Verlängerung fordern. Und so wird es auch kommen. Weil: Solange die Anpassung nicht funktioniert, besteht ja immer wieder der Anlass, die Subvention zu verlängern. Und das kann eigentlich nicht das Ziel sein."

Auch Insolvenzen müssen in Kauf genommen werden

Bei vielen Unternehmern, die landauf, landab um Hilfe bitten, kommen solche Aussagen nicht gut an. In besseren Zeiten standen die Ökonomen auf ihrer Seite, ob es nun um Steuererleichterungen oder die Kritik am Mindestlohn ging. Doch bei den Milliardenhilfen in der Energiekrise ist es mit der Verbundenheit vorbei. Auch Rolf Langhammer sagt, man müsse Insolvenzen auch mal in Kauf nehmen. Der 75-Jährige war viele Jahre Vizepräsident am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

"Ökonomen sind da manchmal etwas herzlos. Aber wir müssen den Bürgern halt klarmachen: So sind die Preise, das können wir zurzeit nicht ändern. Und wir werden alle ziemlich ärmer und wir sind in einer Situation eines perfect storm. Das heißt, es kumulieren sich alle negativen Aspekte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in eine Krise reinführen können", so Langhammer.

Er fügt hinzu, dass es zu einer Situation wie Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre führen könne, in der man fast eine ganze Dekade mit diesen Problemen zu kämpfen gehabt hätte.

Die Deutschen sind es gewohnt, dass es ihnen Jahr für Jahr ein bisschen besser geht. Doch das sei kein Naturgesetz, argumentieren die Ökonomen. Der Staat könne die Krise bei denen abmildern, die wirklich Hilfe benötigen.

Doch 200 Milliarden für alle, so Reint Gropp, seien zu viel des Guten. Das Geld müsse sich Deutschland per Kredit besorgen. Und die Zinsen seien inzwischen deutlich höher als noch zu Zeiten der Corona-Krise.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. November 2022 | 05:00 Uhr

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