Eine ver.di Fahne ist auf der Demonstration
Die Gewerkschaft verdi ist nicht zufrieden mit den angekündigten Lohnerhöhungen von Rewe & Co. Bildrechte: dpa

Einzelhandel Verdi kritisiert Lohnerhöhungen: Streikwille soll gebrochen werden

21. September 2023, 09:11 Uhr

Die Lebensmittelpreise steigen, aber nicht die Gehälter. Seit Monaten wird verhandelt, wie viel Geld mehr zum Beispiel Verkäuferinnen und Verkäufer im Supermarkt bekommen sollen. Doch eine Tarifeinigung ist nicht in Sicht. Nun haben Konzerne wie Rewe gesagt: Wir zahlen freiwillig schon mal fünf Prozent mehr. Bei der Gewerkschaft kommt das aber gar nicht gut an.

Knapp 50 Personen streiken im sächsischen Meerane vor der Halle eines Pharma-Großhändlers. Sie gehen für mehr Geld auf die Straße. Denn seit Monaten stocken die Tarifverhandlungen im Handel, gleichzeitig macht die Inflation alles teurer. Die Streikenden werden unterstützt von Sylke Hustan von Verdi. Sie erklärt am Telefon: "Ich bin 23 Jahre Gewerkschaftssekretärin, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Dass so viele Leute streiken wollen und sagen: Wir wollen jetzt auch auf die Straße gehen, uns reicht's."

Verdi kritisiert Lohnerhöhungen von Unternehmen

Die Gewerkschafterin sitzt für den Großhandel in Sachsen und Thüringen mit am Verhandlungstisch. Bis zur Einigung wollen einige Unternehmen jetzt freiwillig rund fünf Prozent mehr an die Mitarbeitenden zahlen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagt Hustan und kritisiert: "Damit wollen sie uns praktisch entsolidarisieren und wollen den Streikwillen der Arbeitnehmer brechen, sodass wir dann nicht mehr durchsetzungsfähig sind."

Sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel will zum Beispiel der Rewe-Konzern nach eigenen Angaben seinen Beschäftigten ab kommendem Monat so viel mehr zahlen, wie die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen aktuell anbieten. Außerdem bekämen die Beschäftigten noch länger den 10-Prozent-Inflationsausgleichsrabatt in den eigenen Supermärkten.

Die Lohnerhöhung hatte zuvor unter anderem der Handelsverband empfohlen. Er teilte in dieser Woche mit: "Angesichts der auch nach mehr als 50 Verhandlungsrunden andauernden Blockade der Tarifrunde im Einzelhandel empfiehlt der Handelsverband Deutschland (HDE) den tarifgebundenen Handelsunternehmen nun eine Entgelterhöhung ohne Tarifabschluss. Die Gewerkschaft verweigert sich bis heute weiter ernsthaften Verhandlungen und damit einer Lösung des Konflikts."

Weitere Streiks sind angekündigt

Die angebotenen Lohnerhöhungen würden der realen Lebenssituation der Beschäftigten im Handel nicht gerecht, kontert Gewerkschafterin Silke Zimmer. Sie wurde gerade für den Bereich Handel in den Bundesvorstand von Verdi gewählt und nennt ein Beispiel: "Die 5,3 Prozent sind umgerechnet 0,92 Cent für eine Verkäuferin. Wir fordern 2,50 Euro pro Stunde. Wenn eine Verkäuferin, die häufig in Teilzeit arbeitet, 1.300 netto hat und man sich die gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel anschaut, dann gleichen das eben die 5,3 Prozent überhaupt nicht aus. Das ist das eigentliche Problem und das werden die Beschäftigten auch entsprechend quittieren."

Weitere Streiks hat die Gewerkschaft bereits angekündigt, auch diese Woche noch in Mitteldeutschland. In der Regel führen diese aber nicht dazu, dass Supermärkte und Geschäfte schließen müssen. Möglicherweise dauert es an der Kasse etwas länger.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. September 2023 | 06:38 Uhr

11 Kommentare

ElBuffo vor 9 Wochen

Wenn der AG das nunmal von sich aus und ohne die Gewerkschaft macht, sehe ich keinen vernünftigen Grund die Nichtmitglieder davon auszuschließen. Da würde eher andersrum ein Schuh draus. Die Erhöhung bekommen erstmal nur die Nichtmitglieder und die anderen kämpfen/verhandeln weiter dafür.

Micha R vor 10 Wochen

@ Pattel
"...Ich würde den unorganisierten Kollegen von der Erhöhung ausschließen."
Zunächst mal: Arbeitnehmer von tariflichen Lohn/Gehaltserhöhung aufgrund fehlender Gewerkschaftsmitgliedschaft auszuschliessen könnte nur der Arbeitgeber!
Aber an so einer Heransgehensweise haben doch weder AG, soweit tarifgebunden, noch die Gewerkschaften ein Interesse.
Tarifgebundene AG, weil das zunächst Ärger in der Belegschaft auslöste und die bislang Unorganisierten anschließend in die Gewerkschaften treiben würde.
Für Gewerkschaften wäre so ein Gebahren aber ebenfalls kontraproduktiv.
Denn mit so einer Heransgehensweise wäre doch deren Anliegen, möglichst viele Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, sofort obsolet!
Letzteres dann sicherlich sehr zur Freude der überwiegend tariflich ungebundenen Arbeitgeber (egal ob aufgrund fehlender oder einer OT(ohne Tarifbindung)-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband) ...

astrodon vor 10 Wochen

Teilzeit ist eben nix, wenn es um's Gehalt (und damit auch die Rente) geht! Wer nur 60% arbeitet (25h/Woche) hat eben auch nur 1300€ netto (Steuerklasse IV,
1730€ brutto). Da hilft auch eine Erhöhung um einen Sockelbetrag wenig, denn auch von dem bleiben ja nur 60% beim AN.

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