Wasserstoffführende Leitungen an der neuen Wasserstoffanlage der Linde AG am Chemiestandort Leuna.
Leitungen an einer Wasserstoffanlage am Chemiestandort Leuna in Sachsen-Anhalt. In die neue Anlage wurden 40 Millionen Euro wurden investiert. Bildrechte: picture-alliance / dpa | Jens Wolf

Sachsen und Sachsen-Anhalt Länder wollen besser an Wasserstoff-Pipelines angebunden werden

22. Juli 2023, 05:00 Uhr

Je mehr sich Deutschland von fossilen Energieträgern entfernt, je wichtiger grüne Produkte werden, desto wichtiger wird Wasserstoff – und der Zugang zu großen Mengen an Wasserstoff. Jetzt haben die Fernnetzbetreiber ihre ersten Pläne für ein großes Kernnetz vorgestellt. Doch einige wichtige Projekte und wirtschaftlich starke Regionen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt gehen dabei leer aus. Die Länder wollen nun in Stellungenahmen Nachbesserungen fordern.

Vertreter von Ländern, Wirtschaft und Kommunen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt haben Nachbesserungen am Wasserstoff-Kernnetz-Plan gefordert. Die Fernnetzbetreiber hatten Mitte Juli einen Entwurf für das etwa 11.200 Kilometer lange Leitungsnetz veröffentlicht. Er basiert zum Großteil auf umgestellten Gasleitungen. Vor allem große Industriestandorte sollen an das Netz angebunden werden. 2032 soll es in Betrieb gehen. Noch bis Ende Juli können Beteiligte ihre Stellungnahmen dazu abgeben.

Karte Wasserstoff
Das geplante Wasserstoff-Kernnetz. 2032 soll es in Betrieb gehen. Bildrechte: FNB Gas

In Sachsen-Anhalt wünschen sich sowohl das Land als auch der Verband der Metall- und Elektroindustrie die Anbindung der geplanten Ost-West-Trasse "Green Octopus" an das Wasserstoff-Kernnetz. Diese Wasserstoff-Transportroute zwischen dem mitteldeutschen Chemiedreieck, Leipzig, Halle und Magdeburg sowie der Stahlregion Salzgitter sei im Netz gegenwärtig nur als Alternative für den Transport von Wasserstoff vorgesehen, müsse aber in jeden Fall realisiert werden, sagte ein Sprecher des Verbandes dem MDR. Verzögere sich der Bau dieser Trasse, entstünde der Industrie in Sachsen-Anhalt ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.

Die Pipeline nach Salzgitter ist für die Wasserstoffwirtschaft in etwa so wichtig wie die Autobahn A2 für den Verkehr zwischen Ost- und Westdeutschland.

Armin Willingmann Energieminister Sachsen-Anhalt

Ähnlich äußerte sich Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD). "Die Pipeline nach Salzgitter ist für die Wasserstoffwirtschaft in etwa so wichtig wie die Autobahn A2 für den Verkehr zwischen Ost- und Westdeutschland. Sie zählt für mich zweifellos zum Wasserstoffkernnetz und muss entsprechend in den Plänen eingeordnet werden", sagte er dem MDR. Generell sieht das Energieministerium in Sachsen-Anhalt das Bundesland gut in der Wasserstoff-Planung berücksichtigt. Dennoch gebe es auch dort Regionen, die nicht an das Wasserstoffkernnetz angebunden seien. Auf diese werde das Ministerium in einer entsprechenden Stellungnahme hinweisen, sagte ein Sprecher.

Armin Willingmann
Armin Willingmann, Energieminister aus Sachsen-Anhalt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Matthias Bein

Ein Großteil der energieintensiven Industrien befinde sich in direkter Nähe zum Wasserstoffnetz und nahezu alle größeren bekannten Elektrolyseurprojekte wären ebenso angebunden.

Werden Chemnitz und das Erzgebirge wieder abgehängt?

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte – anders als Energieminister Wolfram Günther (Grüne) – in einer ersten Stellungnahme nur lobende Worte zu den Wasserstoff-Kernnetzplänen gefunden. Nach Mahnungen aus der Region Südwestsachsen erklärte er, der Freistaat werde sich beim Bund dafür einsetzen, dass auch die Region Chemnitz-Zwickau einen Anschluss an die Wasserstoffautobahn erhalte. Nachbesserungen würden zudem auch für die Regionen Meißen, Dresden, Freiberg und unter anderem die Lausitz gefordert.

Der Freistaat setzt sich beim Bund dafür ein, dass auch die Region Chemnitz-Zwickau einen Anschluss an die Wasserstoffautobahn erhält.

Martin Dulig

Zuvor hatten Vertreter von Kommunen aus der Region Südwestsachsen vor einem Ausschluss der Region aus dem Wasserstoff-Kernnetz gewarnt: "Hier aber droht die Region Südwestsachsen einmal mehr abgehängt zu werden", heißt es in einem Eckpunktepapier. Werde sie nicht angeschlossen, bedeute dies einen erheblichen Standortnachteil für Unternehmen der Region auf den Weg in die dekarbonisierte Wirtschaft. Die Region dürfe nicht erneut wie beim Fernbahnverkehr abgehängt werden, warnte Sven Schulze, Oberbürgermeister von Chemnitz. Und von der IHK hieß es, zahlreiche Unternehmen sähen damit ihre Zukunft gefährdet.

Warum Wasserstoff? Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle dabei, Industrieprozesse klimaneutral zu machen. Als erneuerbarer Brenn-, Kraft- und Rohstoff wird er langfristig vor allem in der chemischen Industrie, der Stahlindustrie sowie in der Verkehrsbranche benötigt.

Verbände: Fokus auf Raffinerie-Branche

Auch Verbände aus der Branche sind gefragt, ihre Meinung zu dem geplanten Wasserstoff-Kernnetz zu äußern. So forderte der Hauptgeschäftsführer vom Wirtschaftsverband Fuels and Energie, Christian Küchen, dass vor allem der Raffinerie-Sektor Beachtung finden sollte. "In allen wissenschaftlichen Studien wird der Einsatz von grünem Wasserstoff in Raffinerien als No-Regret-Maßnahme angesehen, ist also in jedem Fall sinnvoll", sagt Küchen. "Die Branche ist in der Lage, sofort und ohne kostspielige technische Umrüstungen treibhausgasarmen und CO2-neutralen Wasserstoff einzusetzen." Raffineriestandorte sollten daher dringend an das geplante Wasserstoff-Netz angeschlossen werden.

Produktion von Wasserstoff vorwiegend im Ausland

Zudem müssten die Stromnetze schnell ausgebaut werden, sagte Küchen, damit in allen Regionen ausreichend erneuerbarer Strom für die lokale Produktion von Wasserstoff zur Verfügung stehe. In der Branche der Leitungsbetreiber zeigt man sich optimistisch: Stehe erst einmal die Infrastruktur, werde das auch Produzenten anlocken.

Das Bundeskabinett wird in den kommenden Tagen die überarbeitete Nationale Wasserstoffstrategie beschließen. Ein Ziel: eine Elekrolyseleistung von 10 Gigawattstunden im Jahr 2030 in Deutschland, doppelt so hoch wie bislang in der Strategie formuliert. Es bleibt aber dabei, dass der weit überwiegende Großteil des Wasserstoffs aus dem Ausland kommen soll. Außerdem wird diskutiert, inwiefern auch die Produktion von weniger klimafreundlichem ("blauem") Wasserstoff gefördert wird.

mit dpa

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 22. Juli 2023 | 21:17 Uhr

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