Neue Anschuldigungen Initiative stellt Anzeige wegen Mordes im Fall Hans-Jürgen Rose
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28. März 2024, 18:16 Uhr
Im ungeklärten Todesfall Hans-Jürgen Rose hat eine Initiative bei einer Pressekonferenz am Donnerstag neue Beweise präsentiert. Sie vermutet, die Täter könnten im Polizeirevier Dessau zu finden sein. Im Jahr 1997 wurde Rose von der Polizei ins Revier gebracht. Was nach seiner Entlassung geschah, ist bis heute ungeklärt.
- Im ungeklärten Todesfall Hans-Jürgen Rose hat ein Recherche Zentrum neue Beweise auf einer Pressekonferenz in Berlin präsentiert.
- Die damals zuständige Rechtsmedizinerin Uta Romanowski bezweifelt die Vermutung der Polizei, Rose sei aus einem Fenster gestürzt.
- Die WDR-Recherche "Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau" aus dem Jahr 2020 thematisiert den Fall Rose und Bichtemann im Zusammenhang mit dem Polizeirevier.
Zum Tod von Hans-Jürgen Rose aus Dessau im Jahr 1997 streben die Familie und eine Initiative erneut eine Aufklärung des Falles an. Eine 40-seitige Anzeige wegen Mordes sei am Donnerstag beim Generalbundesanwalt eingereicht worden, sagte Nadine Saeed vom Recherche Zentrum bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Das Zentrum ist aus der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh entstanden.
Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ihn mindestens vier Polizisten der Nachtschicht körperlich misshandelt hätten, hieß es. Die Polizei Dessau wollte sich auf Anfrage der dpa zu den Vorwürfen nicht äußern.
Todesfall Rose
Hintergrund ist der Tod des damals 36-Jährigen. Nach Angaben in Polizeiakten war Hans-Jürgen Rose am 7. Dezember 1997 nach einer Alkoholfahrt von der Polizei aufgegriffen und ins Revier Dessau gebracht worden. Was nach seiner Entlassung geschah, ist bis heute ungeklärt: Rose wurde, nach Aktenlage der Polizei, schwer verletzt an einem Treppenaufgang wenige Meter vom Revier hilflos aufgefunden. Wenige Stunden später war der 36-Jährige tot. Die Polizei geht von einem Fenstersturz aus.
Initiative stützt Anzeige auf Gutachten
Das Recherche Zentrum stützt ihre Anzeige unter anderem auf ein Gutachten des britischen Schriftforensikers John Welch, der den Lagefilm der Polizei analysiert hatte. "Es ist das zentrale Dokument, welches die Chronologie rund um den 7. und 8.12.1997 im Polizeirevier Dessau vorgibt", sagte Luke Harrow vom Recherche Zentrum.
Welchs Befunde würden gutachterlich belegen, dass die Ermittlungsakte manipuliert wurde – "unserer Meinung nach in der Absicht, die Geschehnisse des Abends falsch darzustellen, um den Verdacht von den mutmaßlichen beteiligten Polizeibeamten abzulenken", so Harrow.
Familie präsentiert in Videos mögliche neue Beweise
Bereitsvor der Pressekonferenz von der Familie veröffentlichte Videos legen nahe, dass sie den in den Polizeiakten beschriebenen Ablauf infrage stellen. In dem zwanzigminütigen YouTube-Video, das die Familie produziert hat, kommt neben der Witwe des Verstorbenen auch die damals zuständige Rechtsmedizinerin Uta Romanowski von der Universität in Halle zu Wort.
Bei der damaligen Untersuchung des Toten will sie offenbar Spuren einer Misshandlung entdeckt haben: "Auf diesem Bild dominieren diese parallelen und streifenförmigen Hautunterblutungen, also die Stockschläge", sagt die Rechtsmedizinerin im Film.
Und das alles insgesamt stellte sich als Bild einer Misshandlung dar.
Sie sagt weiter: "Und wir haben diese Verletzungen als Schläge oder auch Faustschläge zum Beispiel, jedenfalls als stumpfe Gewalteinwirkungen gedeutet. Und das alles insgesamt stellte sich als Bild einer Misshandlung dar." Von der Polizei wurde sie 1997 auch zum mutmaßlichen Unfallort gebeten.
Rechtsmedizinerin bezweifelt Todesursache durch Fernstersturz
Im Onlinevideo sagt Romanowski: "Es wurde ja vermutet, dass Herr Rose aus irgendeinem Fenster dieses Gebäudes gesprungen, gefallen, auf jeden Fall gestürzt sei. Und ich weiß, dass wir dann zu der Aussage gekommen sind, dass das nicht mit den Obduktionsergebnissen kompatibel ist."
Es wurde ja vermutet, dass Herr Rose aus irgendeinem Fenster dieses Gebäudes gesprungen, gefallen, auf jeden Fall gestürzt sei. Und ich weiß, […] dass das nicht mit den Obduktionsergebnissen kompatibel ist.
Die Gerichtsmedizinerin berichtet im Film, ihr seien auch Schlagstöcke der Polizei ausgehändigt worden, die sie als eine mögliche Tatwaffe für eine Misshandlung untersuchen sollte: "Wir haben bei einem Schlagstock gesagt, der wäre aufgrund seiner Abmessungen, seiner Länge und auch seines Durchmessers am ehesten geeignet, diese streifenartigen Verletzungen zu verursachen."
Recherche Zentrum stellt Anzeige gegen damalige Beamte
Auf einer Pressekonferenz in Berlin hat das Recherche Zentrum am Donnerstag mögliche Beweise präsentiert und kündigte bereits am Mittwoch an, Strafanzeige gegen die damaligen Beamten des Reviers Dessau beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe erstatten zu wollen. Die Polizeiakte des Falls Rose sei über die Plattform "FragDenStaat" abrufbar. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT wollte die Justizbehörde jedoch noch keine Auskünfte erteilen, ob eine Anzeige vorliegt.
WDR-Recherche thematisiert Todesfälle in Dessau
Auch im WDR-Podcast "Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau" (Folge 3) aus dem Jahr 2020 wird der Fall Hans-Jürgen Rose thematisiert. Darin setzt sich die Autorin Margot Overath neben Oury Jalloh mit den beiden Fällen Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann, der 2002 in derselben Zelle wie später Jalloh verstorben ist, auseinander.
dpa, MDR (Lars Frohmüller, Hanna Kerwin)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 28. März 2024 | 19:00 Uhr