Der Angeklagte wird aus dem Gerichtssaal geführt.
Der Attentäter von Halle muss nach einer Geiselnahme im Gefängnis wohl bald erneut vor Gericht. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/AFP/POOL | Ronny Hartmann

Neue Erkenntnisse Attentäter von Halle möglicherweise erneut vor Gericht

20. April 2023, 08:59 Uhr

Der Halle-Attentäter muss voraussichtlich erneut vor Gericht. Im Dezember hatte er in der Justizvollzugsanstalt in Burg zwei Beamte als Geiseln in seine Gewalt gebracht. Das Tatmittel: selbstgebaut aus Alltagsgegenständen der Anstalt. Jetzt ist klar: Es handelte sich um eine Waffe.

Am Abend des 12. Dezember konnte der Attentäter von Halle in der JVA Burg zwei Beamte in seine Gewalt bringen. Eilig wurde am Folgetag eine Pressekonferenz einberufen: Über allem stand die Frage, wie er die Beamten in seine Gewalt bringen konnte. Durch die Leiterin der JVA Burg, Ulrike Hagemann, wurde verkündet, die Beamten seien durch einen Gegenstand in Schach gehalten worden, "der geeignet war, die Justizbeamten in einen Schrecken zu versetzen". Nun bestätigt das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden: Der Gegenstand ist eine Waffe und war in der Lage, einen Schuss abzugeben.

Waffe harmloser als gedacht

Zunächst wurden aus Ausschüssen des Landtages Informationen bekannt, es würde sich bei dem Gegenstand um ein Papierrohr mit Aufklebern aus dem Lebensmittelhandel handeln. Auch ein Feuerzeug war im Gespräch, Batterien und ein Tacker waren Teil der nicht öffentlichen Beschreibung in den Ausschüssen. Das Bundeskriminalamt bestätigte nun Teile der Informationen: "Der Schussapparat bestand hauptsächlich aus Bauteilen eines Tackers, einem Holzstift, Drähten und aus einem kleinen Metallrohr (10 cm x 0,7 cm), welches als Lauf diente. Am Griffstück des besagten Gegenstandes befand sich ein Batteriepack mit mehreren handelsüblichen AA-Batterien (Mignonzellen)."

Bei der Untersuchung der Apparatur fanden die Beamten zudem Teile einer Patrone im Lauf. Diese war offenbar ebenfalls aus Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs zusammengesetzt (u.a. Druckknopf eines Kugelschreibers). Die Feuerkraft der selbstgebauten Waffe wurde bei einem Beschuss auf einen Gelatine-Körper mit 0,2 Joule aus 20 Zentimetern gemessen. "Ein Luftgewehr erreicht hier eine Energie von 7,5 Joule", teilte das BKA mit.

Baldige Anklage möglich

Das Ermittlungsverfahren gegen den Geiselnehmer sei abgeschlossen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg auf Nachfrage von MDR-SACHSEN-ANHALT mit. Ob und wann eine Anklage erhoben wird, werde sich in Kürze klären. Justizexperten gehen jedoch von einer zeitnahen Anklage noch im April aus. Die Einstufung des Tatmittels als Waffe sei das Puzzlestück, das zur Anklageerhebung gefehlt habe.

Auch die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg sagte: "Im Falle einer Anklage und anschließenden Verurteilung würde sich die Tatsache, dass es sich um eine beschussfähige Waffe gehandelt hat, auf einen möglichen Schuldspruch auswirken." Für den Attentäter von Halle würde ein Urteil zunächst keine Auswirkungen haben. Der Täter ist zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Jedoch würde eine erneute Verurteilung spätere Begnadigungsversuche und eine damit verbundene Entlassung erschweren, so die Generalstaatsanwaltschaft.

Möglicher Prozess wieder in Sachsen-Anhalt

Zur Zeit sitzt der Attentäter in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen in Bayern ein. Nach der missglückten Geiselnahme wurde er am 20. Dezember überführt. Auch in Bayern soll der Mann aus dem Saalekreis immer wieder die Essensaufnahme verweigern. Für einen Prozess, der in Sachsen-Anhalt stattfinden müsste, könnte er mit dem Hubschrauber zu den Verhandlungen geflogen werden.

Zuständig wäre eigentlich das Landgericht Stendal, weil die JVA in Burg ihrer Gerichtsbarkeit unterliegt. Da es im Gericht in Stendal jedoch keinen Saal mit den entsprechenden Sicherheitsstandards gibt, könnte die Verhandlung wieder im Magdeburger Landgericht oder im Justizzentrum Halle stattfinden. Beide Häuser haben sogenannte Hochsicherheitssäle. In Magdeburg hatte unter hohem Sicherheitsaufwand der Prozess um das Attentat stattgefunden, in Halle der gegen die IS-Rückkehrerin Leonora M.

MDR (Lars Frohmüller) | erstmals veröffentlicht am 06.04.2023.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. April 2023 | 07:00 Uhr

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