Mobilität Langsamer durch die Stadt – zukünftig Alltag für Autofahrer?

15. August 2022, 08:23 Uhr

Städte und Gemeinden machen Druck beim Bund für mehr Entscheidungsfreiheit über Höchstgeschwindigkeiten innerorts. 200 Städte und Gemeinden haben sich inzwischen zur "Initiative für lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten" zusammengeschlossen. Kommunen müssten innerorts Tempo 30 anordnen können, unabhängig von besonderen Gefahrensituationen.

Die Hochstraße in Halle verbindet die Altstadt mit der Neustadt. Bislang durften Autofahrer dort 60 km/h fahren. Damit ist aber seit ein paar Tagen Schluss. Nun ist Tempo 50 vorgeschrieben. Der Grund: Die vielen Unfälle in dem Bereich, teilte die Stadt Halle mit. Eine Entscheidung, die auf dem Facebook-Profil von MDR SACHSEN-ANHALT kritisch diskutiert wird. Manche Kommentatoren wittern Abzocke, andere glauben nicht, dass die Geschwindigkeitsreduzierung zu weniger Unfällen führen wird.

Was ist das für eine Logik, ob mit 60 km/h ober 50 km/h der Unfall passiert oder nicht, die Auswirkungen sind fast dieselben. Es gehören einfach mehr Blitzer hin, die schon bei 62 reagieren. Und das Beste sind noch Geschwindigkeitsanzeigen, die bei 60 grün lächeln. Und jetzt noch die Frage, können die Steuerzahler sich das eigentlich noch leisten? Aber es ist ja Geld ohne Ende da in diesem Land. Was sind das für Schwachköpfe überall.

Michael B. Facebook-Kommentator

Fest steht: In den letzten drei Jahren gab es in dem Bereich rund 200 Unfälle mit insgesamt 31 verletzten Personen, erläutert Tobias Teschner im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Er ist Chef des Bereiches Sicherheit bei der Stadt Halle. Zwei Drittel der Unfälle seien bei Spurwechseln passiert. "Da sind die Geschwindigkeitsunterschiede entscheidend. Je geringer die sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass es nicht zu Unfällen kommt."

Schon seit einiger Zeit gilt auf einigen Bereichen Tempo 50. Mit der jetzigen Anpassung soll Einheitlichkeit hergestellt werden, sagt Teschner. "Damit vermeiden wir Geschwindigkeitswechsel. Autofahrer können so gleichmäßig durchfahren." Die Leistungsfähigkeit der Strecke bleibe erhalten. Die Wirksamkeit des neuen Tempolimits werde auch weiterhin beobachtet und überprüft, ob die Anzahl der Unfälle abnimmt.

Initiative fordert in Ortschaften mehr Tempo 30

Absenkungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen im Trend. Mehr als 200 Städte in Deutschland fordern vom Bund, die Straßenverkehrsordnung (StVO) dahingehend zu ändern, mehr Tempo 30-Strecken ausweisen zu können. In Sachsen-Anhalt beteiligen sich an der Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten" neben Halle noch sechs andere Städte und Gemeinden (Dessau-Rosslau, Berga (Kyffhäuser), Coswig (Anhalt), Edersleben, Lutherstadt Wittenberg).

Die Initiative wird vom Deutschen Städtetag unterstützt. "Wir wollen den Verkehr in den Städten effizienter, klimaschonender und sicherer machen", sagte Städtetagsvizepräsident, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bei der Vorstellung der Initiative im Sommer vergangenen Jahres. Dafür bräuchten die Städte mehr Entscheidungsspielraum als bisher. "Die Kommunen können am besten entscheiden, welche Geschwindigkeiten in welchen Straßen angemessen sind."

Ohne eine neue gesetzliche Vorgabe könnten Städte und Gemeinden nicht entscheiden, die Geschwindigkeitsvorgaben flexibel und ortsbezogen zu ändern. Es handele sich nicht um eine Initiative gegen Autofahrer. Es sei vielmehr ein Projekt für die Bewohner der Kommunen. Auch für Halle gehe es nicht darum, flächendeckend Tempo 30 einzuführen, stellt Teschner klar.

Es geht darum, die Möglichkeiten zu erweitern, Tempo 30 einzuführen. Die Straßenverkehrsordnung sieht jetzt schon Möglichkeiten vor, die Geschwindigkeit zu verringern. Aber so breit gefächert das aussehen mag, in Wirklichkeit müssen sehr strenge Anforderungen vorliegen, um eine niedrigere Geschwindigkeit anzuordnen. Wir glauben als Stadt, dass diese Möglichkeiten nicht mehr zeitgemäß sind.

Tobias Teschner Fachbereich Sicherheit der Stadt Halle

Es geht also darum, mehr Optionen zu schaffen und entsprechend den örtlichen Gegebenheiten die Geschwindigkeit festlegen zu können. Heißt weg vom Dogma Tempo 50 innerorts. "Es gibt durchaus Straßen, wo es Vorteile hat für Anwohner und die anderen Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer oder Fußgänger."

In einer Erklärung der beteiligten Städte und Gemeinden heißt es: "Die Leistungsfähigkeit für den Verkehr wird durch Tempo 30 nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität dagegen spürbar erhöht". Zusätzlich werde der Verkehrslärm reduziert und die Luftbelastung geringer.

MDR (Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. August 2022 | 08:30 Uhr

19 Kommentare

Norbert 56 NRW am 16.08.2022

Immer mehr davon, nur dann muss sich keiner wundern wenn die Geschäfte in den Innenstädten keine Chance mehr haben. Das Tempo verringern ist natürlich die neue Ideologie, aber der öffentliche Nahverkehr hinkt hinterher und ob z.B. jemand seinen neuen Fernseher mit dem Bus transportieren will wage ich zu bezweifeln. Aber wir wollen ja scheinbar zurück ins Neandertal und unseren Wohlstand aufs Spiel setzen. Mal sehen mit welchem Geld dann die Kommunen ihre Spinnereien finanzieren wollen, wenn es immer weniger gibt die in den Städten ihre Läden betreiben. Ich persönlich tue mir unsere Innenstadt nicht mehr an, keine Lust mehr mich durch künstliche Einbremsung zu quälen. Dann halt bis auf meine speziellen Zweiradshops und Werkzeughändler am Stadtrand alles nur noch online...

Eulenspiegel am 15.08.2022

Also ich denke hier geht es um lebenswerte Städte.
Ich fände eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 gut und richtig wenn es dann auch Strecken mit 50 und Strecken mit 70 gibt. Dann gibt es viel mehr Möglichkeiten der Anpassung.

Quantix am 15.08.2022

Destruktive Politik: Mobilitätsmöglichkeiten wahllos einschränken; Kosten für individuelle Mobilität erhöhen, ohne Alternativen zu schaffen; Ampelphasen so programmieren, dass sich die Fahrzeit in Städten künstlich erhöht

Konstruktive Politik: ÖPNV-Knotenpunkte (P+R) ausbauen; ÖPNV günstiger machen; Pendler-orientierten ÖPNV auch auf dem Land schaffen; ÖPNV im Stadtverkehr durch Vorangschaltung beschleunigen

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