Unterwegs mit dem Bus Wie Ehrenamtliche Bedürftigen in Halle ein Weihnachtsmenü zaubern

22. Dezember 2022, 19:48 Uhr

An den kommenden Feiertagen landen wieder Gans, Klöße und Rotkohl auf den Familientischen – jedenfalls auf den meisten. Denn nicht alle können sich ein Festessen leisten, geschweige denn zu Weihnachten im Warmen sitzen. Aus diesem Grund hat sich in Halle eine Gruppe Ehrenamtlicher zusammengeschlossen. Sie wollen Bedürftigen ein Weihnachtsessen schenken, und zwar in ganz besonderer Atmosphäre.

Daniel Tautz vor einer grauen Wand
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Die Landschaft rund ums Sägewerk Brachwitz liegt noch leicht mit Schnee bedeckt im Norden von Halle. Als sich das Sägeblatt in den dicken Eichenstamm frisst, stieben Holzspäne durch die Luft. Hier werden gerade die letzten Bretter geschnitten, die Halle eine ganz besondere Weihnachtsaktion bescheren sollen. "Für ein bisschen Skihütten-Feeling", sagt Marco Schenkel vom Sägewerk, während er auf der Ladefläche eines Sattelschleppers steht. Die Wände sind bereits rundherum holzverkleidet und mit Lichterketten und Strohsternen geschmückt. 

Ein paar Kilometer weiter läuft im Gasthaus zu Teicha der Herd auf Hochtouren. Maximilian Weise rührt erst in einem großen Topf voll Schweinegulasch und sieht dann nach dem Rotkraut. "Wir planen für 120 Personen", sagt der Koch, während er die ersten der 240 Klöße rollt. "Ich denke, das wird den Leuten schmecken."

Es sind die letzten Vorbereitungen, bevor kurz vor Weihnachten in Halle der erste Weihnachtstruck durch die Stadt rollen wird. An Bord des Sattelschleppers sollen die Menschen ein Festessen bekommen, die auf der Straße oder in Armut leben. 

Der Weihnachtstruck rollt los

Am Mittwochabend sammeln sich schließlich alle Beteiligten in Halle-Ammendorf auf dem Gelände von Familie Strübings Containerfirma. Da steht der rote Sattelschlepper, festlich geschmückt und mit rund 20 Sitzplätzen bestuhlt. Und da ist das Essen, in großen Wärmeboxen verpackt an Bord vom Bus "Vier Jahreszeiten". In dem ausrangierten, roten Linienbus fährt Familie Strübing mit Freundinnen oder Kollegen auch sonst durch die Stadt. Dreimal die Woche, das ganze Jahr über und komplett ehrenamtlich. Sie versorgen die Bedürftigen der Stadt mit Essen, warmer Kleidung und einem offenen Ohr. Und heute mit einer ganz besonderen Portion Weihnachtszauber.

Kurz vor der Abfahrt ruft David Strübing alle Beteiligten für ein Gruppenfoto zusammen. Auf wackeligen Füßen erklimmt er einen Hügel, um gerade so alle aufs Bild zu bekommen. Da steht seine Familie neben einem Weihnachtsmann mit Engel, da mischen sich ehrenamtliche Helfer zwischen den kompletten Mädchenchor Halle-Neustadt.

"Wir freuen uns natürlich tierisch da drauf, wir haben viel vorbereitet", sagt David Strübing, bevor der Weihnachtstruck vom Hof rollt. "Da müssen wir mal gucken, dass nicht allzu viel Geheule am Ende stattfindet. Ich hab meine Taschentücher schon eingepackt."

Station 1: Strahlende Augen beim Kinderschutzbund in der Silberhöhe

Nach ein paar Minuten erreicht der Konvoi das Kinderhaus "Blauer Elefant" im Süden von Halle. Hier kommen Kinder und Jugendliche vor allem für die Nachmittagsbetreuung her – und heute für eine gute Stunde Weihnachtsstimmung. Mit eifrigen Schritten klettern die Kinder die Metalltreppe in den Laderaum des Sattelschleppers hinein und setzen sich auf die mit Goldfolie bespannten Stühle. Während von draußen die Weihnachtslieder des Chors zu hören sind, wird im Weihnachtstruck geschmatzt und gelacht

"Unsere Kids sind mit der Silberhöhe verwachsen. Es sind natürlich auch viele Kinder von sozialschwachen Familien", sagt Eileen Fischer vom Kinderschutzbund in Halle. "Und die freuen sich immer, wenn sie ein bisschen mehr Aufmerksamkeit kriegen als sonst." 

Aber nicht nur den Kindern sieht man noch immer die Freude an, als sie sich mit einer Tanzchoreographie bei den Ehrenamtlichen bedanken. Auch der Helfer Michel Erpel steht an Bord vom Bus "Vier Jahreszeiten" und hat ein Lächeln im Gesicht. "Die strahlenden Kinderaugen, das ist schon ein absolutes Highlight."

Station 2: Ein lang ersehntes Weihnachtsessen in Halle-Neustadt

Als der Weihnachtstruck weiter in Richtung Halle-Neustadt rollt, ist der Himmel bereits finster. Der Konvoi hält hier auf einem Supermarkt-Parkplatz. Um die zwanzig Bedürftige warten bereits auf dessen Ankunft. Hier sind es keine Kinder, sondern Menschen, die in Armut oder auf der Straße leben.

Kathrin mit der bunten Strickmütze hat im hinteren Teil des Trucks Platz genommen. Nach ihrem letzten richtigen Festessen gefragt, muss sie erstmal eine Weile grübeln. "Vor sechs oder sieben Jahren war das", sagt sie und schiebt einen Kloß auf ihre Gabel. "Ist schon länger her."

Zwei Tische weiter genießt Ingo seinen Gulasch. "Ich feiere Weihnachten so gut wie gar nicht. Ich habe zwei, drei Freunde. Groß feiern ist da nicht", erzählt der Obdachlose. "Da gibts ein leichtes kleines Essen, was ich mir noch leisten kann, aber dann ist wirklich Ende im Gelände." Für viele Gäste des Weihnachtstrucks gibt es aber zumindest heute eine Portion Besinnlichkeit.

"Süßer die Glocken nie klingen", schallt wohlklingend über den Parkplatz des Supermarkts. Der Mädchenchor singt, die Menschen ringsum schunkeln im Takt. Und David Strübing und der Weihnachtsmann liegen sich in den Armen.

Station 3: Das Haus der Wohnhilfe

"Jetzt sind wir genau da, wo wir hingehören", sagt David, als der Weihnachtstruck kurz darauf in den Böllberger Weg fährt und vor dem Haus der Wohnhilfe stoppt. Hier verteilt das Team von Ehrenamtlichen nicht nur Gulasch, sondern wird auch bereits mit einem Geschenk erwartet. Die kleine JJ hat mit ihren Eltern ein Lebkuchenhaus gebacken, David Strübing nimmt das bunt verzierte Häuschen entgegen.

Auch an dieser Station zeigt sich: So eine gewaltige Aktion kann nur durch ein großes Netz an Freiwilligen gestemmt werden. Vor ein paar Wochen gab es nur die Idee. Doch um sie umzusetzen, braucht es eine Spedition, die den Sattelschlepper stellt. Den Koch, der Gulasch kocht. Eine Bank, die immer wieder Geld für Sachspenden gibt. Und all die Ehrenamtlichen die Woche für Woche mit dem Bus "Vier Jahreszeiten" auf Tour gehen und sich das Vertrauen der Bedürftigen erarbeitet haben.

Und während der Weihnachtstruck allmählich seine Türen schließt, hat David Strübing noch einen Wunsch an die Menschen in Halle: "Wenn Sie jemanden im Hof, auf der Straße gegenüber oder wo auch immer sehen, einfach mal hingehen und fragen, ob man helfen kann. An entsprechende Stellen vermitteln oder an unser Projekt. Das ist im Netz gut zu finden."

Und dann gibt's für das Team auch noch eine Portion Gulasch. Und während sie den so löffeln, sehen auch sie verdammt glücklich aus.

MDR (Daniel Tautz, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

Steffen 1978 am 23.12.2022

Eine tolle Aktion traurig immer wieder zu sehen das in unserem Land Menschen und vorallem Kinder in Armut leben müssen und dies an der Politik vorbeigeht wir ernähren die halbe Welt und für die schwächsten unserer Gesellschaft bleibt nichts übrig
Gut das Menschen ihre Freizeit opfern und solche Aktionen machen ohne das Ehrenamt sähe es bei uns sehr dunkel aus

Mehr aus dem Raum Halle und Leipzig

Mehr aus Sachsen-Anhalt