Analyse der Entscheidung Was das Zukunftszentrum Deutsche Einheit der Stadt Halle bringt
Hauptinhalt
16. Februar 2023, 10:41 Uhr
Halle ist als Standort für das neue Zukunftszentrum Deutsche Einheit ausgewählt worden. Unter fünf Bewerbungen hat sich Sachsen-Anhalts größte Stadt durchgesetzt. Was das bedeutet, ist in Teilen noch Zukunftsmusik. Aber es gibt schon konkrete Ideen, wie die Stadt profitieren soll.
- Es gibt erste konkrete Ideen, wie das Zukunftszentrum Deutsche Einheit in Halle gestaltet werden kann.
- Überzeugen konnte Halle unter anderem mit seiner Lage und seiner Lebendigkeit.
- Bis der erste Bagger rollt, könnten noch zwei bis drei Jahre vergehen.
Als der Ostbeauftragte beim Bund, Carsten Schneider (SPD), die Bundespressekonferenz am Mittwoch betritt, tippt ihn Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Arm an: "Hat das Kabinett so entschieden, wie wir es uns vorgestellt haben?" Schneider grinst und nickt. Haseloff feixt: "Sonst hätte ich mich umdrehen und wieder gehen müssen." So recht können es auch nach einem Tag nicht alle glauben: Aber Halle wird Sitz der 200-Millionen-Investion "Zukunftszentrum". "Schon geil", sagt Bürgermeister Egbert Geier (SPD) und entschuldigt sich für die Wortwahl – aber nicht für das Gefühl.
"Eine tolle Nachricht für die Stadt"
"Halle-Luja" – ruft nun gefühlt eine ganze Stadt, denn ein zentraler Unterschied zwischen der Bewerbung Halles und seiner Mitbewerber-Städte ist wohl die Begeisterung, die in der Bevölkerung herrscht. "Das ist eine tolle Nachricht für die Stadt", sagt etwa ein Passant, der zufällig am Dienstagabend die Fernsehinterviews vor dem Ratshof wahrnimmt und fragt, was passiert sei.
Ein anderer berichtet, er habe – in Leipzig arbeitend – schon den ganzen Tag die alten Berichte im Netz aktualisiert in der Hoffnung auf die gute Nachricht des Zuschlags und zeigt sich entsprechend erleichtert. Die Freiwilligen-Agentur der Stadt trug mit Beteiligungsworkshops das Thema ebenfalls in die Bevölkerung. Das kulturelle Schwergewicht Peter Maffay wurde zum markant-sympathischen Gesicht der Stadt. "Halle hat einfach keine Fehler gemacht" – heißt es ehrlich anerkennend aus eingeweihten Kreisen.
Zentrum soll Wissenschafts-, Kultur- und Begegnungsstätte werden
Doch was in dem Zukunftszentrum passiert, bleibt in Teilen erstmal Zukunftsmusik. "Natürlich haben wir konkrete Ideen", sagt etwa Halles Bürgermeister Egbert Geier. "Am Dienstag ist aber nur die Entscheidung über den Baukörper gefallen. Der Bund als Initiator muss ihn nun mit Inhalt füllen".
Geht es um diese Inhalte, ist immer wieder die Trias zu hören aus Wissenschafts-, Kultur- und Begegnungsstätte. Die Deutsche Einheit als noch nicht abgeschlossener Prozess einer großen, nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa verändernden Transformation, soll im Detail erforscht werden. Von den Erkenntnissen daraus soll die Welt bei Veränderungsprozessen der Zukunft profitieren.
Geier: "Leistungen der Ostdeutschen erlebbar machen"
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betont hierbei den Wissenschaftsstandort Halle "mit Volluniversität und Leopoldina" – beide Institutionen und das Zukunftszentrum könnten sich "gegenseitig befruchten". Bürgermeister Egbert Geier will die Leistungen der Menschen im Osten erlebbar machen, spricht etwa von Parcours, die bis ins Hinterland reichen könnten. Da könnte ein Weg von Mansfeld und Eisleben nach Wittenberg gehen und den Transformationsprozess der Reformation nachzeichnen.
Mit dem Blick nach Dessau-Roßlau könnte am Beispiel "Bauhaus" Architektur- und Baugeschichte nachgezeichnet werden. Ein weiterer Parcours könnte den Strukturwandel weg von der Kohle nachzeichnen oder die Umbrüche im Mansfelder Land verdeutlichen, die durch den Wegfall des Bergbaus und mit dem Ende des VEB Mansfeld Kombinats einhergingen und deren Auswirkungen bis heute herausfordernd sind.
Cornelia Pieper (FDP), Mitglied der Jury um das Einheitszentrum und Hallenserin, ist auch der Kultur-Aspekt wichtig. "Große Konzerte könnten auch stattfinden und die Architektur an sich kann Anziehungspunkt sein". Als Vorbild sieht sie das "Europäische Zentrum der Solidarität" in Danzig. Ein Ort, der ihr wohl bekannt ist, schließlich wirkt sie dort als Generalkonsulin.
Zentrum soll Menschen nach Ostdeutschland locken
Ob die geplante, besondere Architektur wie ein Fremdkörper am Riebeckplatz wirken könnte? Pieper lacht: "Für ein Zukunftszentrum kanns doch nicht modern und futuristisch genug sein". Kurzum: Alles, was die anvisierten eine Million Besucher ab 2028 anlocken soll, ist den Müttern und Vätern des Zentrums recht. Reiner Haseloff beklagt, dass bis zum heutigen Tag viele Westdeutsche nicht im Osten waren, man einander immer noch zu wenig kenne. Die meisten gingen – einmal im Osten gewesen – begeistert zurück. Auch dafür könnte das Zentrum einen Beitrag leisten.
Eine Standortentscheidung wegen des Standorts
Der Standort macht es Interessierten indes leicht – und war gleichsam ausschlaggebend für die Wahl der Jury, die nach MDR-Informationen mit 6 zu 9 ausgegangen ist – also in etwa einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Kathrin Budde (SPD), Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Mansfeld und Jury-Vorsitzende, zählt auf, was offensichtlich ist: Die Nähe zum Flughafen Leipzig-Halle, die unmittelbare Nähe zum Hauptbahnhof Halle mit seinem nationalen ICE-Knotenpunkt, die schlichte geographische Lage Halles mehr oder weniger in der Mitte Mitteldeutschlands. Gleichzeitig sei Halle eine lebendige Stadt mit einer tollen Jugendszene, genau der richtige Ort, um Zukunft zu denken.
Jetzt müsse Halle den mit der erfolgreichen Bewerbung eingeschlagenen, überzeugenden Weg einfach weiterbeschreiten, sagt Budde, das sei quasi die Hausaufgabe der Stadt.
Allein in der Hand hat sie das ganze Procedere freilich nicht. Carsten Schneider (SPD), der Ostbeauftragte, macht in der Bundespressekonferenz deutlich, wo die Kompetenzen der Stadt enden. Sein Tanzbereich ist es nun, eine Trägergesellschaft ins Leben zu rufen und Menschen einzustellen, die das Zukunftszentrum mit all seinen Inhalten ausarbeiten, dieses Jahr soll das noch geschehen.
Der Architekturwettbewerb soll, so Schneider, "im dritten Quartal des Jahres" an den Start gehen. Bis der erste Bagger rollt, könnten jedoch noch zwei bis drei Jahre vergehen. Noch hält er am Eröffnungsjahr 2028 fest. "Das ist aus meiner Sicht nicht überambitioniert", sagt Schneider.
MDR (Marc Weyrich)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 15. Februar 2023 | 19:00 Uhr
kleiner.klaus77 am 17.02.2023
Die Frage ist nicht, was das zukunftszentrum für Halle bringt, sondern die Frage ist welchen Sinn und Zweck hat das Zukunftszentrum für die Region, für den Osten Deutschlands und für Osteuropa!
kleiner.klaus77 am 17.02.2023
@MDR Sachsen-Anhalt online
Wie waren denn eigentlich die Kriterien das Halle das Zukunftszentrum erhält, welche Kriterien haben für Halle gesprochen und welche Kriterien dagegen?
hettstedt am 16.02.2023
Natürlich geht es hier nicht um Fußball.
Halle hat es geschafft, das Umland mit einzubeziehen, unter anderem auch das Mansfelder Land. Hier erkennt man auch nach über 30 Jahren noch die Spuren des Strukturwandels sehr deutlich. Transformation ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Baustein. Die komplette Bezeichnung des Zukunftszentrums mag ein wenig sperrig klingen, im Grunde ist es so, dass wir gerade zeitgleich mehrere Revolutionen erleben. Die digitale und die ressourcenorientierte Revolution. Dafür einen zentralen Standort in Deutschland zu haben, der sich darüber hinaus noch mit den "Geschichten" der Menschen besachäftigt, die in besonderem Maße davon betroffen waren oder sind, ist aus meiner Sicht ein absoluter Mehrwert.
Dir auch ein schönes Wochenende!