Eine Frau mit einem pinken Schal am Kopf
Nicht die Hoffnung zu verlieren, trotz düsterer Diagnose, darum geht es Krebspatientin Miroslava Lehser. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Cavan Images

Lebensmut Wie man mit zwei Krebserkrankungen die Hoffnung behält

29. August 2022, 12:27 Uhr

Wie man Hoffnung, Lebensmut und Zuversicht behält angesichts schlechter Aussichten, beweist die 47-jährige Miroslava Lehser aus dem Saalekreis. Innerhalb von fünf Jahren ist sie zum zweiten Mal schwer an Krebs erkrankt. Sechs Mal war sie in diesem Jahr schon im Krankenhaus. Aber sie lässt sich davon nicht unterkriegen und plant, noch ihren Führerschein zu machen.

Frau Miroslava Lehser kommt persönlich zur Hoftür. Bevor es aber die paar Stufen zurück in die kleine Wohnung geht, muss die 47-Jährige erst einmal auf ihrem Rollator verschnaufen. In der Küche am Fester stehen fünf Kräuterpflanzen, die Blumentöpfe sehen aus wie Kaffeetassen. An den kleinen Küchentisch passen drei Personen, darauf liegt eine Schachtel mit gestopften Zigaretten.

Miroslava Lehser ... ... ist in einem kleinen Dorf in der Nähe der tschechischen Stadt Brno aufgewachsen. In Tschechien leben auch noch ihre Mutter und ihre zwei Brüder. Die Liebe hat sie vor dreißig Jahren nach Deutschland geführt.

Mit ihrem damaligen Mann - sie waren 16 Jahre verheiratet - hat sie lange Zeit in Dresden gelebt, die gemeinsame Tochter (27) lebt noch immer dort.

Nach der Trennung hat Lehser letztlich die Arbeit nach Sachsen-Anhalt in den Saalekreis geführt. Sie ist als Fachkraft für Lager und Logistik bei einem Onlineversandhändler beschäftigt.

In ihrer Familie sind schon mehrere Menschen an Krebs erkrankt. Ihr Vater ist 2018 an Magenkrebs gestorben.

Lehser trägt ein dunkles Kopftuch passend zum Kleid. Durch die Chemotherapie sind ihr die Haare ausgefallen. "Aber ein paar Millimeter sind schon wieder gewachsen", freut sich Lehser im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

2017 hatte Lehser Unterleibskrebs überlebt. Seit Beginn des Jahres kämpft sie erneut gegen den Krebs. Leberkrebs haben die Ärzte dieses Mal diagnostiziert. Momentan geht es Lehser ganz gut, erzählt sie. Die Chemotherapie ist abgeschlossen, sie hatte ein paar Tage, um sich davon zu erholen. Nach ersten Untersuchungen scheint das Tumorwachstum vorerst gestoppt.

Ohnmächtig vor Schmerzen

Anfang des Jahres sah das noch anders aus. Im vergangenen Februar hatte sie einen der schwärzesten Tage ihres Lebens. Damals war sie vor Schmerzen ohnmächtig zusammengebrochen. Ein Krankenwagen mit Blaulicht hatte sie von ihrer Arbeitsstelle in einem Gewerbegebiet vor der Stadt ins Krankenhaus gefahren.

Als der Oberarzt nach den Untersuchungen zu ihr sagte: "Wenn es Ihnen besser geht, müssen wir uns unterhalten", sei eine Welt für sie zusammengebrochen. Denn da hatte sie auf der Computertomographie schon den grauen Schatten entdeckt.

Ich habe gedacht: nicht schon wieder dieser verdammte Mist. Und dann war natürlich der Boden unter meinen Füßen weg.

Miroslava Lehser Krebspatientin

Damit seien ihr auch Gedanken an den eigenen Tod gekommen. Das seien "Tage, wo man nur das schwarze Loch" sehe. "Da geht mir dann mein ganzes Leben durch den Kopf und ich denke, dass ich alles falsch gemacht habe", erzählt Lehser.

Beispielsweise hätte sie gern mehr Zeit mit ihrem Vater verbracht. "Der hatte damals die Dorfkneipe und weil ich ein blöder, durchgeknallter Teenager war, hatte ich Besseres zu tun, als ihm zu helfen."

Der erste Krebs war noch heilbar...

In solchen dunklen Momenten hat sie Gedanken, ob sie das alles noch einmal schaffen kann, wie jetzt das Leben zu organisieren sei. "Beim ersten Krebs hatte ich die nicht, denn da wusste ich, der ist zu 99 Prozent heilbar. Jetzt gibt es schon Metastasen, da sieht die Sache schon anders aus", erzählt Lehser.

Diagnose Leberkrebs An Leberkrebs erkranken in Deutschland jährlich knapp 9.000 Menschen. Damit gehört Leberkrebs zu den eher selteneren Krebsarten.

Leberkrebs macht anfangs selten Beschwerden. Dadurch wird er erst spät entdeckt, was Heilungschancen deutlich mindert.

"Bei Leberkarzinomen kommt es nicht selten nach zunächst erfolgreicher Behandlung zu einem Rückfall des Tumors. Das bedeutet, dass der Tumor in der Leber, aber auch in anderen Körperregionen erneut auftreten kann", schreibt die Deutsche Krebsgesellschaft.

Trotz der Krankheit habe sie nie an Suizid gedacht, sagt Lehser. "Ich denke dann daran, was ich schon alles durchgestanden habe." Dazu zählten die erste Krebserkrankung, die Scheidung, unter der ihre Tochter besonders gelitten habe, und dann später auch die Trennung vom neuen Partner. "Ich habe niemanden, der mich unterstützt hat, und habe trotzdem schon so viel erreicht. Da werde ich jetzt nicht aufgeben."

Freunde und Kollegen geben Halt

Inzwischen könne Lehser gute und schlechte Tage ganz gut unterscheiden, sagt sie. "An schlechten Tagen wache ich auf und denke nur an meine ganzen Tabletten gegen die Schmerzen. An guten Tagen habe ich Hunger und freue mich auf das Frühstück."

Hoffnung im Alltag geben Lehser auch die Kollegen, die sich regelmäßig nach ihr erkundigen. Mit ihrer besten Freundin aus Dresden macht sie abends "Onlinekaffee". Dann wird ein Foto der eigenen Kaffeetasse verschickt und am Telefon der Tag ausgewertet. Einmal in der Woche kommt noch eine Ehrenamtliche im Hospizdienst. "Die Andrea gibt mir die Lebenslust zurück."

Klar ist aber auch, schwere Krankheiten hinterlassen ihre Spuren im Leben. So auch bei Lehser. "Ich habe irgendwann gesagt, Schluss jetzt." Bewusst habe sie nach ihrer ersten Krebserkrankung mit Bekannten gebrochen, sogar mit ihrem besten Freund. "Ich war beinahe unter der Erde und die haben nicht mal gefragt, wie es mir geht."

Auch der Moment, als Lehser auf die Palliativstation des Elisabeth-Krankenhauses in Halle verlegt worden ist, hat ihr Leben ebenfalls verändert. "Da habe ich geheult und war ganz unten. Tiefer ging es nicht." Es war damals ihr fünfter Krankenhausaufenthalt seit Jahresbeginn. Eine Krankenpflegerin sei dann gekommen und habe sie in den Arm genommen.

Ziele braucht der Mensch

Die Pflegerin habe mit klaren, kurzen Sätzen erklärt, dass "Palliativ" nicht automatisch sterben bedeute, sondern auch leben. In dem Moment sei Lehser klar geworden, dass es noch so viel gibt, was sie erleben will. Einmal die Ostsee sehen, den Führerschein machen oder in der Lage sein, noch mehrmals mit dem Zug zu ihrer Familie nach Tschechien zu fahren, zählt die 47-Jährige auf.

Ich will so gesund werden, dass ich es schaffe, sieben Stunden mit dem Zug zu meiner Mutter zu fahren.

Miroslava Lehser Krebspatientin

Die Ostsee sehen – für Lehser ist das inzwischen eine riesige Sache. "Vielleicht kommt's noch, ich geb nicht auf", sagt Lehser und zündet sich eine Zigarette an. "Hätte ich Lungenkrebs, hätte ich schon längst über das Aufhören nachgedacht." Für Lehser ist wichtig, lebensfroh und optimistisch in die Zukunft zu blicken und sich nicht hängen zu lassen. Der Plan scheint schon jetzt aufzugehen.

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MDR (Hannes Leonard), dpa | Erstmals veröffentlicht am 28.08.2022

2 Kommentare

Reuter4774 am 29.08.2022

Jein, die Frau glaubt an sich selbst, an ihre eigene Stärke und Willenskraft! Sie " flüchtet" sich nicht zu einer " Ersatzmacht/- person" der sie das überlässt. Sie übernimmt die Verantwortung für für sich SELBST! Das finde ich anerkennenswert, eine Predigt gehörte jetzt nicht zum Thema?!

Seniorin erinnert sich am 28.08.2022

Der Glaube vermag Berge zu versetzen. Es geht nicht darum, im wahrsten Sinne des Wortes Berge zu versetzen oder andere große Zeichen und Wunder zu vollbringen. Ein lebendiger und überzeugter Glaube hält selbst den größten Herausforderungen des Lebens stand. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass dort wo die menschliche Herausforderung am größten war, oft auch der stärkste Glaube anzutreffen war. Deshalb haben Christenverfolgungen der Verbreitung des Evangeliums am meisten gedient. Aus der Kraft des Glaubens vermochten Menschen Unmögliches zu erdulden und zu vollbringen.

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