Kritik an Sicherheitsstandards Feuerwehren in Sachsen-Anhalt beklagen schlechte Ausstattung

10. Juli 2022, 16:02 Uhr

Viele Feuerwehrgerätehäuser in Sachsen-Anhalt entsprechen nicht der DIN-Norm und damit gängigen Sicherheitsstandards. Vor allem in Genthin ist das Gerätehaus besonders veraltet (Baujahr 1953). Ein notwendiger Neubau würde mindestens neun Millionen Euro kosten. Geld, das die Stadt im Jerichower Land nicht hat. Das Land Sachsen-Anhalt sieht sich nicht in der Pflicht – verweist auf Fördergelder der EU. Allerdings sind im Topf für ganz Sachsen-Anhalt nur rund elf Millionen Euro.

Die Feuerwehren in Sachsen-Anhalt sind nicht ausreichend ausgestattet. Wie der Vorsitzende des Feuerwehrverbands Sachsen-Anhalt, Kai-Uwe Lohse MDR SACHSEN-ANHALT erklärte, entspricht ein Großteil der Feuerwehrgerätehäuser im Land nicht mehr der DIN-Regelung. Es fehle an entsprechenden Lüftungsanlagen und rutschfesten Fußböden. Auch die Fahrzeughallen entsprächen nicht mehr dem heutigen Stand.

In Sachsen-Anhalt wurden viele Feuerwehrgerätehäuser vor Jahrzehnten erbaut. So etwa das Feuerwehrgerätehaus in Genthin im Jerichower Land, das in den 1950ern errichtet wurde. In Burg entstand es in den 1930er-Jahren.

Das Land Sachsen-Anhalt muss seit dem vergangenen Jahr nicht mehr in die Feuerwehgerätehäuser investieren. Stattdessen müssen Kommunen selbst investieren und/oder auf EU-Fördermittel hoffen. "Es fehlt an dem politischen Willen", sagte Lohse. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Feuerwehren modern und DIN-gerecht ausgestattet werden. Aber es fehle ein langfristiger Plan.

Ministerium: Kommunen für Ausstattung der Feuerwehren zuständig

Eine Sprecherin des Innenministeriums teilte dazu auf MDR-Anfrage mit: "Das Land fördert seit Jahren die Beschaffung kommunaler Brandschutzfahrzeuge und den Bau von Feuerwehrhäusern. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Landes. Die Ausstattung der Feuerwehren ist eine Aufgabe der Träger der Feuerwehren. Das sind die jeweiligen Kommunen; diese werden hierfür vom Land u.a. über das FAG (Finanzausgleichsgesetz) unterstützt."

Darüber hinaus richte sich die freiwillige Förderung durch das Land jedes Jahr nach den vorliegenden Anträgen und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Der Ministeriumssprecherin zufolge förderte das Land im letzten Jahr den Bau von Feuerwehrhäusern mit ca. 1,7 Millionen Euro. In diesem Jahr sind demnach noch einmal ca. 4,1 Millionen Euro bewilligt. Hinzu käme ab diesem Jahr auch die Möglichkeit der Förderung mit EU-Mitteln (Europäischer Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung im ländlichen Raum - ELER).

Neben Löschwasserteichen, Zisternen und Löschwasserbrunnen könnten mit den Mitteln in Höhe von insgesamt ca. 11,5 Millionen Euro auch der Bau von Feuerwehrhäusern in den nächsten Jahren gefördert werden, so die Sprecherin weiter.

EU-Mittel reichen nicht aus

Doch die finanziellen Mittel reichen bei Weitem nicht aus. Alleine für den Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Genthin waren in den ersten Planungen rund neun Millionen Euro anberaumt worden. Aufgrund der finanziellen Haushaltslage musste der Bau jedoch verschoben werden. Frühestens 2024 könnte der Neubau laut Stadtwehrleiter Christian Giese realisiert werden. Die Kostenschätzung liege dann bei zwölf bis 13 Millionen Euro.

Lange Mängelliste: Risse im Mauerwerk, zu kleine Toreinfahrt

Giese bezeichnet das aktuelle Feuerwehrgerätehaus aus dem Jahr 1953 als Katastrophe: Risse in den Wänden, fehlende Abluftanlagen, viel zu enge Toreinfahrten für die Fahrzeuge, Holzspinte und keine Trennung beim Umziehen der Kameradinnen und Kameraden machten das Haus unattraktiv. Es entspreche nicht mehr der DIN-Ordnung. "Ohne Unterstützung von Fördermitteln vom Land kann sich die Stadt Genthin keinen Neubau leisten." Der Stadtwehrleiter kritisiert, dass es für die Wehren in Sachsen-Anhalt insgesamt zu wenige Förderprogramme vom Land gebe. Den Ehrenamtlern solle mehr Respekt entgegengebracht werden und mit der finanziellen Unterstützung den Feuerwehrleuten unter die Arme gegriffen werden.

Wir machen das alle ehrenamtlich und ich denke, da sollte man den Ehrenamtlern vielleicht doch ein bisschen Respekt entgegenbringen und denen damit unter die Arme greifen.

Christian Giese, Stadtwehrleiter Genthin

MDR (Marila Winger, Anne Gehn-Zeller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Juli 2022 | 16:30 Uhr

3 Kommentare

Burgfalke am 10.07.2022

Es ist irgendwie ein Spiegelbild in unserem Land D.

Im Artikel wird eindrucksvoll die Situation beschrieben. Die Feuerwehr ist ein sehr wichtiger und notwendiger Bestandteil in unserer Gesellschaft!

Das dem oft zu wenig Bedeutung gewidmet wird, das können die wenigsten Bürger wirklich verstehen!
Wenn ich dann immer wieder lese, daß die Feuerwehr auf verschiedenste Art behindert o. gar bedroht wird, dann ist das kein gutes "Zeugnis" für notwendige Wertschätzung.

Da mangelt es nicht nur dort an den notwendigen Geldern, aber anderseits scheint Geld dennoch vorhanden zu sein, selbst für div. "Geschenke". Das ist sehr ärgerlich.

Kann nur jeder für sich hoffen, nicht in einen Notfall zu kommen, wo die Feuerwehr benötigt wird!

Realist62 am 10.07.2022

Wenn man bedenkt, daß die Technik auch hier in diesen Bereich sich verbessert hat und mehr Finanzmittel dazu gebraucht werden, wäre es ratsamer, daß man über eine Zusammenlegung verschiedener Feuerwehren nachdenken sollte. Auch an die Übertragung gewisser Aufgaben an das THW sollte man nicht außer Acht lassen.

DanielSBK am 10.07.2022

Können froh sein, wenn man denen jetzt nicht Heizung aufgrund Gasmangel abstellt...

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