Ein Mann mit längeren Haare sitzt auf einer Bühne und liest aus einem Buch.
Der in Isreal geborene Autor Igal Avidan lebt und arbeitet mittlerweile in Berlin. Bildrechte: Uli Wittstock/MDR

Jüdische Kulturtage Der israelische Autor Igal Avidan zum arabisch-jüdischen Zusammenleben in Israel

17. Oktober 2023, 16:34 Uhr

Die jüdischen Kulturtage Sachsen-Anhalt sind am Sonntag in Magdeburg gestartet. Mit dabei auch der israelische Autor Igal Avidan. Er las im Magdeburger Forum Gestaltung aus seinem neuen Buch seinem neuen Buch "Und es wurde Licht – Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel". Wie das Thema in die aktuelle Situation in Israel passt, ordnet MDR-Kolumnist Uli Wittstock ein.

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Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

  • Der israelische Autor Igdal Avidan las im der Zuge der am Sonntag angelaufenen jüdischen Kulturtage Magdeburg aus seinem Buch, das vom arabisch-jüdischen Zusammenleben in Magdeburg erzählt.
  • Laut Avidan habe der Konflikt zwischen den Religionsgemeinschaften mehrere Facetten. Es gehe neben Religion und Landbesitz auch um soziale Probleme.
  • Trotzdem spielt die Religion eine große Rolle. Die Zahl strengreligiöser Juden in Israel wächst. Das hat dort auch Folgen für die gemäßigteren Menschen.

Am Sonntag wurden in Magdeburg die jüdischen Kulturtage Sachsen-Anhalt eröffnet. Im Zuge dessen las der israelische Journalist Igal Avidan im Magdeburger Forum Gestaltung. Avidan wurde 1962 in Tel Aviv geboren und arbeitet seit 1990 in Berlin, als Journalist und Autor. Er las aus seinem aktuellen Buch "Und es wurde Licht – Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel". Doch wie passt dieses Thema in die aktuelle Situation in Israel?

Als Igal Avidan für das Buch in Israel recherchierte, war die Lage zwar angespannt, aber dieses Ausmaß an Terror habe er sich nicht vorstellen können, erzählt er mir im Gespräch. Dass nun alle innenpolitischen Debatten in Israel ausgesetzt sind, sei kein Wunder sagt Igal Avidan. Denn die Attacken der Hamas hätten die Menschen in Israel nicht nur wegen der unglaublichen Brutalität getroffen: "Der Staat Israel wurde gegründet, damit Juden nicht mehr wehrlos geschlachtet werden. Und jetzt wurden sie wehrlos geschlachtet, weil das Militär nicht da war und der Geheimdienst nichts vorher gesehen hatte. Das ist eine Bankrotterklärung des Staates", meint Avidan.

Blick in die Problemzonen des Landes

Der Autor und Journalist blickt mit Abstand auf Israel, ist aber dicht dran am Geschehen. Als es dort vor zwei Jahren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Palästinensern und der Polizei kam, habe er später die Orte besucht, um mit Menschen zu reden, die sich trotz aller Schwierigkeiten für eine gewaltfreie Form des Miteinanders einsetzen. Und vor Ort sei dann schnell deutlich geworden, dass der Konflikt viele Facetten hat. Es gehe eben nicht nur um Religion oder Landbesitz, sondern auch um soziale Probleme.

Beispielhaft zeige sich das an der alten Hafenstadt Akkon, so Igal Avidan: "Junge arbeitslose Jugendliche mit keiner Perspektive in einer Altstadt, die immer touristischer wird, wo immer mehr Luxushotels und Luxusrestaurants entstehen. Auch wenn alle Menschen die gleiche Religion hätten, gäbe es Konflikte. Wenn dazu noch der jüdisch-arabische Konflikt kommt, dann ist es kein Wunder, dass es zu Gewalt kommt." Avidan beschreibt eine Mischung aus Frustration und Neid unter vielen jungen arabischen Menschen, die weder studieren noch arbeiten. Genau dieser Umstand sei dann auch ein Nährboden für Terrorismus.

Gegenseitiges Misstrauen

Rund zwanzig Prozent der Einwohner Israels sind Palästinenser, aber nicht jeder Palästinenser sei automatisch Terrorist, so Igal Avidan. Deshalb sei er in jenen Regionen unterwegs gewesen, in denen die Gewalt aufflammte. Und selbst da, wo das Zusammenleben nach außen harmonisch wirkt, sei die Situation schwierig. Das habe sich sich zum Beispiel beim Besuch eines Kulturzentrums gezeigt, das von Juden und Arabern gemeinsam geleitet wird.

Igal Avidan sagt: "Der jüdische Leiter, ein religiöser nationalistischer Israeli, sagt mir, er sei dagegen, dass die Kinder gemeinsame Aktivitäten unternehmen. Das hat mich total überrascht, weil ich dachte, wenn er so fest in seinem Glauben ist, warum hat der Angst, dass die Kinder miteinander spielen? Ist die Befürchtung so groß, dass sich da jemand in den falschen verliebt?"

Mehr Einfluss der Religiösen

Der Anteil strengreligiöser Juden wachse und das habe inzwischen auch Folgen für das Leben der weniger religiösen Menschen in Israel. Igal Avidan erklärt es an einem Beispiel: "Ich traf neulich bei der Pro-Israel-Demonstration in Berlin jemand, der mir erzählte, dass er das Land verlassen habe, weil er Arzt ist, in Italien studiert hat und dort eine Italienerin geheiratet hat. Und weil das Innenministerium in Israel von einem orthodoxen Minister geleitet wurde, wollten sie diese Ehe nicht anerkennen. Deshalb lebt er nun in Berlin."

Seit der letzten Wahl spielen die Nationalreligiösen Parteien eine große Rolle als Mehrheitsbeschaffer im Parlament. Igal Avidan kritisiert diese Form der Instrumentalisierung der Religion: "Wir sehen, dass inzwischen die Nationalreligiösen immer mehr Macht haben, obwohl sie eine kleine Minderheit sind. Und sie haben immer mehr Einfluss, auch in den Medien."

Deutschlands Staaträson?

"Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson." Dieser Satz stammt von Angela Merkel und wurde nach den Terrorattacken der Hamas von Kanzler Scholz wiederholt. Was das konkret heißt, ist mir derzeit aber eher unklar. Deutschland wird wohl militärisches Material liefern. Doch auch dieser Krieg ist irgendwann zu Ende und dann stellt sich mir erneut die Frage, welche Haltung Deutschland in der Konfliktregion einnehmen soll.

Für Igal Avidan ist das klar: "Ich würde einfach diese Organisationen unterstützen, die versuchen, in der Zivilgesellschaft mehr Gleichberechtigung, mehr Solidarität herbeizuschaffen und es manchmal schwer haben, weil die Regierung das nicht so gerne sieht. Zum Beispiel, dass auch Araber ein Holocaust-Museum besuchen. Das ist nämlich vor allem den religiösen Juden ein Dorn im Auge", sagt Avidan.

MDR (Uli Wittstock, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN/MDR S-ANHALT | 15. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

8 Kommentare

Shantuma vor 29 Wochen

Es gibt genügend kluge israelischen Juden die die Aktionen des Staates Israels, vertreten durch die Regierung, verurteilen.

Ich teile deren Ansicht zu großen Teilen.
Denn mir ist ein Glaube einer Person egal.
Die Taten sind es die wichtig sind.

Shantuma vor 29 Wochen

Es gab auch schon vor dem Angriff über 100 Tote dieses Jahr.

Dieser Konflikt schwehlt immer nur vor sich hin, bis er explodiert.

Da auf beiden Seiten religiöse Fundamentalisten behaupten im göttlichen Recht zu sein, kann man nur hoffen, dass irgendwann mal die Vernunft siegt.
Ich habe aber daran meinen Zweifel.

Anni22 vor 29 Wochen

Rund zwanzig Prozent der Einwohner Israels sind Palästinenser. Und wie viel Prozent Juden Leben in Gaza oder überhaupt in islamischen Staaten? Und schon wissen Sie, wo die Probleme wirklich liegen....

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