Medizinische Versorgung Städtisches Klinikum Magdeburg: Aufsichtsrat verteidigt Vertragskündigung mit Verdi

27. Oktober 2023, 09:37 Uhr

Das Städtische Klinikum in Magdeburg hat den Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi zum Ende des Jahres gekündigt. Betroffen sind rund 1.400 Beschäftigte, darunter das Pflegepersonal und die Verwaltung. Der Aufsichtsrat des Städtischen Klinikums hat die Kündigung des Tarifvertrages für das nichtärztliche Personal verteidigt. Als einen Grund für die Kündigung des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes nannte die Vorsitzende des Aufsichtsrats drei Warnstreiks in diesem Jahr.

  • Das Klinikum will nach den Worten von Borris einen eigenen Haustarifvertrag, um sich von dem allgemeinen Flächentarifvertrag zu lösen und mit dem Ziel, die Entwicklung der Löhne besser mitbestimmen zu können
  • Die bisherigen Tarifverträge gelten nach aktuellem Arbeitsrecht solange es keinen neuen Haustarifvertrag gibt.
  • Die Stadt Magdeburg will ihr städtisches Klinikum wegen stark gestiegener Betriebskosten finanziell unterstützen.

Der Aufsichtsrat des Städtischen Klinikums in Magdeburg hat die Kündigung des Tarifvertrages für das nichtärztliche Personal zum Jahresende verteidigt. Simone Borris (parteilos), Oberbürgermeisterin der Stadt Magdeburg und Vorsitzende des Aufsichtsrats, sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Freitag, dass der Aufsichtsrat dem Ansinnen der Geschäftsführung zugestimmt habe. Als einen Grund für die Kündigung des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes mit der Gewerkschaft Verdi nannte Borris drei Warnstreiks in diesem Jahr. 

Städtisches Klinikum Magdeburg kündigt Verdi den Vertrag Am Mittwoch war bekannt geworden, dass das Städtische Klinikum in Magdeburg den Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi zum Ende des Jahres gekündigt hat. Beide Seiten hatten das MDR SACHSEN-ANHALT bestätigt. Betroffen sind rund 1.400 Beschäftigte, darunter das Pflegepersonal und die Verwaltung.

Die Ärztinnen und Ärzte werden dem Marburger Bund zufolge aber weiter nach einem Haustarifvertrag bezahlt. Derzeit befindet sich der Berufsverband eigenen Angaben zufolge in Verhandlungen über einen neuen Haustarifvertrag.

Aufsichtsrat will medizinische Versorgung sicherstellen

Die Aufsichtsratsvorsitzende, Borris, sagte, die Streiks hätten keinen Einfluss auf die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gehabt, stattdessen habe das Krankenhaus darunter sehr gelitten: "Es geht im Grunde darum, dass man flexibler ist und sich nicht in diesen Tarifstreit begeben muss." Krankenhäuser gehörten zur kritischen Infrastruktur und man müsse hier die Versorgungssicherheit gewährleisten. Deshalb will das Klinikum laut Borris auch einen eigenen Haustarifvertrag anstreben, um sich von dem allgemeinen Flächentarifvertrag zu lösen. Ziel sei es, die Entwicklung der Löhne besser mitbestimmen zu können.

Die Gewerkschaft Verdi zeigte sich von der Kündigung des Tarifvertrages für nichtärztliches Personal überrascht. Sie vermutet, dass so langfristig gespart werden soll. Nach eigenen Angaben soll für Ende Oktober ein Gespräch angesetzt werden.

Personal soll nicht schlechter bezahlt werden

Die Geschäftsführung hat zugesichert, dass die rund 1.400 Betroffenen, darunter das Pflegepersonal und Verwaltung, mit dem künftigen Haustarifvertrag nicht schlechter bezahlt werden. Zudem wirken die bisherigen Tarifverträge nach aktuellem Arbeitsrecht nach, solange es keinen neuen Haustarifvertrag gibt.

Für das ärztliche Personal gibt es nach Angaben der Aufsichtsratsvorsitzenden eine Einigung mit dem Marburger Bund. Für deren Haustarifvertrag seien die Eckpunkte geklärt. Hier gehe es nur noch um Formulierungen.

OB will Klinikum stärker finanziell unterstützen

Das Städtische Klinikum in Magdeburg hat, wie viele andere Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt, mit gestiegenen Betriebskosten zu kämpfen. Die Stadt will trotz eines 31-Millionen-Loches im kommenden Haushalt eine Finanzspritze leisten und Mittel aus dem Kredithaushalt bereitstellen. Zwischen 10 und 20 Millionen Euro sind laut Borris möglich, um das Städtische Klinikum entsprechend zu stabilisieren. Eine Entscheidung des Stadtrates dazu steht noch aus. 

In der kommenden Woche soll der Stadtrat auch darüber abstimmen, ob Oberbürgermeisterin Borris etwa über einen Teileinstieg der Uniklinik in das Städtische Klinikum verhandeln soll.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass die Ärztinnen und Ärzte weiterhin nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden. Richtig ist, dass es für die Ärzte einen Haustarifvertrag mit dem Marburger Bund gibt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

MDR (Michel Holzberger, Anja Höhne, Susanne Ahrens)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Oktober 2023 | 17:00 Uhr

15 Kommentare

Micha R am 08.10.2023

@ Nudel81
"Das nennt man Tarifflucht!"
Falsch, die Kündigung eines bestehenden Tarifvertrages und beabsichtigter Wechsel in einen Haustarifvertrag ist keine Tarifflucht.. Auch Haustarifverträge sind, wie der Name schon sagt, Tarifverträge!

Danilos am 08.10.2023

Unfassbar, dass Frau Borris dem zustimmt als Aufsichtsratsvorsitzende! Die Begründung ist überhaupt nicht haltbar, da bei den 3 Streiktagen der Stationsbetrieb größtenteils aufrecht erhalten wurde! Verdi hat dafür gesorgt, dass es zu keinen Engpässen kommt. Und warum dürfen die Ärzte drin bleiben? Und natürlich werden die Angestellten schlechter gestellt, allein die Mitarbeiter der Kinder und Jugendpsychiatrie bekommen über den TVÖD Vertrag eine SuE Zulage und Ausgleichstage, die dann wegfallen werden, dass nur mal als eines von vielen Beispielen! Das ist ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter und den Pflegekräften die alles geben in dieser Klinik! Die Arbeitsbedingungen sind schon schlecht und nun will man noch an den Lohn ran, dass ist einfach eine bodenlose Frechheit!!!!!

astrodon am 07.10.2023

Flächen- bzw. Branchentarifverträge sind eine nette Sache - können im Einzelfall aber auch hinderlich sein. Im Haustarif kann ich als Unternehmen, aber auch als Gewerkschaft viel flexibler agieren, z.B. statt mehr Geld mehr Urlaub vereinbaren. Außerdem können Verhandlungen schneller ablaufen, wenn mann nicht auf den Wasserkopf irgendwelcher Branchenverbände warten muss.

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