Autos und Radfahrer fahren über die STernbrücke Magdeburg.
Mehr als die Hälfte der Autofahrenden überholt laut ADFC Radfahrer auf der Sternbrücke mit zu wenig Sicherheitsabstand. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Gemessen vom ADFC Sternbrücke Magdeburg: Zu viele Autos überholen Fahrräder zu nah

18. September 2022, 17:44 Uhr

Da in Magdeburg die Strombrücke durch Bauarbeiten gesperrt ist, ist als Umleitung die Sternbrücke für ein Jahr für den Autoverkehr freigegeben worden. Der ADFC-Fahrradclub Magdeburg ist besorgt um die Sicherheit der Radfahrenden auf der Brücke. Abstandsmessungen haben ergeben, dass die Hälfte der Autos zu nah überholt. Bei der Stadt wurden das Problem und Lösungen vorgestellt. Die Stadt weist die Ideen ab.

Über die nasse Fahrbahn der Sternbrücke in Magdeburg fährt Norman Dreimann mit seinem Fahrrad in Richtung Stadtpark. Er ist der Vorsitzende des ADFC – des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub in Magdeburg, und setzt sich dafür ein, die Interessen der Radfahrerinnen und Radfahrer gegenüber der Stadt zu vertreten.

Es ist zwar kurz nach der morgendlichen Rushhour, dennoch ist der Zeitdruck bei den Autofahrenden immer noch spürbar: Sie wollen schnell und pünktlich auf Arbeit sein. Für die Autofahrer ist Radfahrer Dreimann damit viel zu langsam – und wird von einem nach dem anderen überholt.

In normalen Zeiten ist die Sternbrücke in Magdeburg für den Autoverkehr gesperrt. Wegen einer Baustelle an einer anderen Brücke ist sie nun ein Jahr lang für Pkw geöffnet. Das ist für Dreimann vom ADFC an sich kein Problem, aber die Autofahrenden nehmen zu wenig Rücksicht auf alle Radfahrer, wie er sagt.

Hälfte der Autofahrenden überholt zu nah

Am Ende der Brücke, vor dem Stadtpark, steigt Dreimann von seinem Fahrrad ab. An diesem ist ein Sensor angebaut, wie er MDR SACHSEN-ANHALT zeigt. Der misst, wie nah die Autos an sein Rad herankommen. Die Abstände der Fahrzeuge, die ihn gerade überholt haben, waren in Ordnung, sagt er. Doch das ist nicht immer so.

Vier Wochen lang hatte der ADFC Überholabstände im Juli und August auf der Sternbrücke gemessen, heißt es in einer Pressemitteilung des Fahrradclubs. Das Ergebnis: 55 Prozent aller Autofahrerinnen und Autofahrer hielten beim Überholen von Fahrrädern auf der Sternbrücke den vorgeschriebenen Mindestüberholabstand von 1,5 Metern nicht ein.

Besonders eng wird es laut ADFC direkt nach der Ausfahrt vom Schleinufer und kurz vor der Auffahrt auf die eigentliche Sternbrücke. Aus der anderen Richtung kommend wird eher auf der Brücke überholt, heißt es weiter.

Von den insgesamt 126 gemessenen Werten betrug der niedrigste Überholabstand übrigens gerade einmal 24 Zentimeter. Insgesamt überholen 3,2 Prozent unter 0,5 Metern. Laut Pressemitteilung des ADFC entstehen in vielen Fällen die engen Überholabstände, weil Autofahrende trotz Gegenverkehrs zum Überholmanöver ansetzten.

Immerhin: 23,8 Prozent aller Personen am Lenkrad überholen in der Auswertung mit mehr als 1,7 Metern – und damit mit einem größeren Abstand, als er laut Straßenverkehrsordnung innerorts vorgeschrieben ist.

Messdaten bei der Stadt eingereicht – ADFC wartet auf Antwort

Die Ergebnisse seiner Auswertung hat der ADFC auch der Stadt Magdeburg mitgeteilt. Eine Antwort zu den Messwerten erfolgte laut ADFC bis jetzt aber noch nicht: "Es gibt noch keine offiziellen Verlautbarungen der Stadt oder der Polizei zu dem Thema", sagt Dreimann.

MDR SACHSEN-ANHALT hat dahingehend bei der Stadt nachgefragt, wurde allerdings auf eine Stellungnahme vom Juli verwiesen. Denn der ADFC hat schon vor der Freigabe der Sternbrücke Ideen zur Sicherheit der Radfahrer der Stadt Magdeburg vorgeschlagen. Alle Vorschläge wurden abgelehnt.

"Wir arbeiten schon sehr lange an dem Thema, und die Erfassung der Überholabstände ist im Prinzip das I-Tüpfelchen, um der Stadt nachzuweisen, dass es hier ein Problem gibt", so der ADFC-Vorsitzende.

Leitboys und Tempolimit sollen Radfahrende schützen

Norman Dreimann beäugt den Verkehr auf der Sternbrücke unterdessen konzentriert. Er beobachtet, wie einige Autos und Lkw mit mindestens 50 Kilometern pro Stunde statt der vorgeschrieben 30 km/h an ihm vorbeidonnern. Das Beben der Brücke spürt er im ganzen Körper.

Dieses Fahrverhalten ist ein weiterer Grund, warum der ADFC mehr für die Sicherheit der Fahrradfahrenden machen möchte. Eine der vorgeschlagenen Ideen war ein Tempolimit von 20 km/h auf der Brücke anzuordnen, um mehr Ruhe zu erzeugen, so Dreimann.

Auch hatte der ADFC ein generelles Überholverbot von Rädern und das Aufstellen von sogenannten Leitboys auf der Fahrbahnmitte gegenüber der Stadt vorgeschlagen – nichts davon wird aktuell passieren.

Begründet wurde das in der Stellungnahme der Stadt so: "Die Aufstellung von Leitboys würden Einsatzfahrten von Rettungskräften und des ÖPNV erheblich behindern und gefährden. Gleichzeitig erhöht sich auch das Risiko eines Sturzes für die Radfahrenden."

ÖPNV geht vor

Dreimann hält diese Begründungen für "befremdlich". Ihm zufolge ist laut dem Herstellervideo ein Überfahren der Leitboys durch Krankenwagen kein Problem. Auch dass Radfahrer durch die Leitboys stürzen sollen, ist laut Dreimann "hanebüchen", wie er sagt: "Das Ding, was der Hersteller dort zum Verkauf anbietet, wird im Endeffekt für protected Bikelanes – also geschützte Radwege – hergestellt. Die stehen also neben den Radwegen."

Was den Vorsitzenden aber am meisten ärgert, ist, dass der Radverkehr bei der Genehmigung der Öffnung der Brücke nicht beachtet wurde. In der offiziellen Genehmigung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt heißt es, dass als Voraussetzung für eine Öffnung der ÖPNV nicht behindert werden darf.

Darauf bezieht sich auch die Stadt in ihrer Stellungnahme gegenüber den Ideen des ADFC: "In diesem Genehmigungsschreiben steht unter anderem, dass der ÖPNV auf der Sternbrücke bevorrechtigt werden muss und jede Behinderung des ÖPNV zu verhindern ist", heißt es in der Stellungnahme. Laut Dreimann ist der Weg über die Brücke aber eine der Hauptrouten durch die Stadt für den Radverkehr in Magdeburg und sollte daher berücksichtigt werden.

Verkehrsministerium steht hinter der Stadt Magdeburg

Für die Stadt Magdeburg ist laut Stellungnahme die Sternbrücke also angemessen für ein Überholen und somit ein sicheres Fahren für Radfahrer. Mit 6,50 Meter Fahrbahnbreite kann der Mindestabstand eingehalten werden, heißt es weiter. Doch für Dreimann spielt hier auch der individuelle Fahrstil der Autofahrer eine Rolle. Die Forderungen sind also auch dafür da, um die Fahrer an die Regeln zu erinnern, erklärt er.

Man muss sich schon fragen, wie viel man noch auffahren will, um diese Verhinderungstaktik zu fahren, weil man sich dem Problem nicht stellen will.

Norman Dreimann Vorsitzender ADFC Magdeburg

"Man muss sich schon fragen, wie viel man noch auffahren will, um diese Verhinderungstaktik zu fahren, weil man sich dem Problem nicht stellen will. Für die Radfahrenden es ist sehr unangenehm, von Autofahrenden bedrängt oder eng überholt zu werden", sagt er aufgeregt.

Auch das Verkehrsministerium Sachsen-Anhalt hat sich auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT zu der Situation geäußert. Auch dort empfindet man das Vorgehen der Stadt Magdeburg angemessen, heißt es sinngemäß.

Mehr Kontrolle durch Polizei

Rein gar nichts passiert auf der Sternbrücke allerdings nicht. Während der Stunde, die Norman Dreimann an diesem Tag auf der Brücke verbringt, beobachtet er vier Polizeiwagen, die patrouillieren.

Auf Nachfrage bei der Polizei Magdeburg wird MDR SACHSEN-ANHALT bestätigt, dass dort gezielt vermehrt Verkehrskontrollen durchgeführt werden: "Durch die Revierleitung des Polizeireviers Magdeburg wurde verfügt, dass die generelle polizeiliche Präsenz im Bereich der Sternbrücke erhöht wird", heißt es durch eine Polizeisprecherin.

Fußgängerweg ist frei für Fahrräder

Die Polizei scheint sich des Problems anzunehmen. So sollten Fahrradfahrer und Autofahrer räumlich getrennt werden, heißt es. Gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT schlägt die Polizei einen gekennzeichneten Fahrradweg auf dem Fußweg vor. Doch entscheiden kann das wiederum nur die Stadt Magdeburg, so die Polizeisprecherin.

Aktuell findet eine solche räumliche Trennung schon statt. Der Fußweg auf der Sternbrücke ist für die Radfahrer freigegeben – nur ohne Leitsystem. Für Norman Dreimann ist das allerdings nur ein Verschieben des eigentlichen Problems auf die Fußgänger, wie er erklärt.

ADFC fordert weiterhin Maßnahmen

Der ADFC wird sich weiterhin für mehr Sicherheit der Fahrradfahrer auf der Sternbrücke einsetzen, so der Vorsitzende. Denn für ihn gibt es nichts Schlimmeres als eines der weißen Fahrräder aufzustellen. Die werden immer dann aufgestellt, wenn Radfahrer bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. "Wenn dann was passiert und ich als Radfahrender eigentlich nicht so viele Möglichkeiten habe, mich zu wehren, macht das Ganze dann am Ende noch viel, viel schlimmer", sagt Norman Dreimann.

MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 16. September 2022 | 17:30 Uhr

49 Kommentare

O.B. am 20.09.2022

Denkschnecke, ich bin nicht aus der Gegend aber dem Artikel ist zu entnehmen das man die Brücke vorübergehend wegen Bauarbeiten andernorts nutzt. Das wird wohl nicht grundlos passieren. Zu vermuten ist das man Stau verhindern will. Also das Fahrrad kommt wohl schneller und einfacher rüber als so ein Auto. Sie meinen aber für den seelenfrieden der Radfahrer sollten die Autofahrer ruhig im Stau verharren!? Nur gut das sie nicht planen.

O.B. am 20.09.2022

Fakt, kann hier keiner lesen? Es stand kein Fahrrad vor oder neben mir 🤣🤦‍♂️. Die olle hat sich hinten rechts hingestellt und meinen Blicker ignoriert. Wie kann sie denn vorfahrt haben wenn sie nicht vorne steht? Das ist ja unfassbar diese altklugen Radfahrer hier 🤣🖖. Dann besagt der Paragraph das 1 Meter zu bordstein Platz sein muss was hier ignoriert wird. Das ist eine Dorf straße da is die ganze Straße gerade mal 4 Meter. Die Frau hatte da nichts verloren ob ihr nun auf euer Fahrrad dasein schwört oder nicht 🤦‍♂️🤷‍♂️. Unfassbar 🤣🤣🤣

O.B. am 20.09.2022

Der autokutscher kommt nicht ein paar Sekunden später an. Machen Sie sich mal schlau wie sich ein Stau bildet bei nur einem Fahrrad. Was glauben Sie was los ist wenn da morgens 50 oder 100 Fahrräder fahren. Ganz schnell sind Kreuzungen und querstraßen dich nur weil man jemanden in schrittgeschwindigkeit Folgen soll!?

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