Verkehrswende und Mobilität Wie die Uni Magdeburg die Zukunft der Lastenräder mitgestaltet

10. Oktober 2021, 17:44 Uhr

Lastenräder sind wichtige Bausteine der Verkehrswende. Die Uni Magdeburg erforscht sie. Ihre autonomen Lastenräder und Logistikkonzepte haben das Potenzial, die Mobilität in Städten zu verändern. Was die Universität vorhat und warum es dazu eine stärkere Radinfrastruktur braucht. Der 2. Teil zum Thema Verkehrswende und Mobilität in der Stadt.

Leonard Schubert
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Längst ist belegt, dass Lastenräder einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten und auch den Geldbeutel von Gemeinden entlasten können, indem sie etwa die teure Infrastruktur für Autos entlasten. Für Dr. Tom Assmann von der Universität Magdeburg ist das ein Grund, größer zu denken und das Potenzial der Lastenfahrräder weiter auszuschöpfen. Der Forschungsgruppenleiter für den Bereich verkehrslogistische Systeme hat sich gleich zwei Projekte ausgesucht, die die Zukunft des Lastenradverkehrs maßgeblich beeinflussen könnten:
Zum einen untersucht er das Potenzial von Lastenrädern für den gewerblichen Lieferverkehr, zum anderen entwickelt er autonom fahrende Lastenräder, die eine große Rolle in der Personenbeförderung spielen könnten.

Hermes, Biberpost, Amazon und Co. zukünftig per Lastenrad?

Um zu überprüfen, welche Rolle Lastenräder in der Logistik und im Lieferverkehr von Städten spielen können, untersucht Assmann, ob Lastenräder tatsächlich effizient einen Lieferwagen ersetzen und wirtschaftlich unterhalten werden können. Dazu sind momentan mehrere große Lastenräder mit dem Namen "Paket-Rakete" mit etwa zwei Kubikmetern Ladevolumen probeweise in Magdeburg unterwegs. Sie wiegen ungefähr 200 Kilogramm, haben eine überdachte Fahrerkabine mit Scheibenwischer, einen elektrischen Hilfsmotor und eine Beleuchtungsanlage. Als Fahrräder dürfen sie über Radwege fahren und benötigen keinen Führerschein.

Liefer-Lastenräder vorgestellt im Video

E-Cargo-Bike für Lieferanten 6 min
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Erste Erkenntnisse geben Anlass zum Optimismus: Die Erfahrungen der Fahrer und Kunden sind positiv, im Vergleich zu einem Elektroauto sinkt der Energieverbrauch bei gleicher Zustelleistung um das Zehnfache. "Das ist ein tatsächlicher Beitrag zur Energie- und Verkehrswende", meint Assmann. Unter anderem dadurch, dass sie selten im Stau stehen und fast überall parken können, sind sie zudem flott unterwegs. Die ersten Daten deuten darauf hin, dass die "Paket-Rakete" einen Lieferwagen tatsächlich ersetzen kann. Eindeutige Ergebnisse wird es erst in einem Jahr geben.

Audio: Tom Assmann über die Lieferlastenräder

Bessere Infrastruktur nötig

Damit die Liefer-Lastenräder ihr volles Pontezial abrufen können, brauchen sie allerdings eine gut funktionierende Infrastruktur. Da das Ladevolumen der Räder kleiner ist als bei einem Sprinter brauche es etwa dringend bezahlbare Umschlagsflächen, die die Kommunen bereistellen müssten, sagt Assmann. Außerdem fehle es bisher an Förderangebote des Bundes zum Leasing von Lastenrädern für Unternehmen, wie es bislang beim Auto Gang und Gäbe für Unternehmen sei. Deutschlandweit fehle es an ausgebauten, durchgängigen Radwegen mit der nötigen Breite und an Ladestationen, so auch in Magdeburg.

Um die Probleme zu bewältigen und den Anschluss nicht zu verlieren, müsse Magdeburg dringend eine Person einstellen, die die Planung für urbanen Logistik- und Wirtschaftsverkehr durchführe, offensiv Fördergelder einwerbe und mehr Geld von der Autoinfrastruktur in Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV leite, meint Assmann. Momentan seien die Stadtplanungen darauf ausgelegt, dass Menschen nahzu alles in der Stadt einkaufen – dies enstpreche aber nicht mehr der realen Situation. Insgesamt sei die Radinfrastruktur in Deutschland sehr verbesserungswürdig. In Anbetracht der Klimaziele müsse die Stadtverwaltung dringend eine aktivere Rolle einnehmen.

Autonom fahrende Lastenräder aus Magdeburg

In einem zweiten Projekt forscht Tom Assmann an einem autonom fahrenden Lastenrad. Die Idee ist es, dass jede und jeder die Lastenräder zukünftig per Knopfdruck genau dahin bestellen kann, wo man sie haben will. In maximal zehn Minuten sollen die Räder angerollt kommen, so dass man sich genau dann draufschwingen und sein Gepäck transportieren kann, wenn man sie braucht. Mit bis zu 25 kmh soll man mit dem Unterstützungsmotor herumfahren können, entweder direkt zum Zielort, oder an eine Verkehrsanbindung. So soll eine Alternative zu Autos und anderen autonomen Fahrzeugen geschaffen werden.

Die größte Herausforderung sei bislang, dass die Lastenräder lernen, die vielfältigen Situationen der Fahrsituationen tatsächlich autonom bewältigen zu können. Die Räder müssen lernen, alle Verkehrssituationen sicher zu meistern, Menschen höflich darum zu bitten, Platz zu machen und am wichtigsten: Niemanden über den Haufen zu radeln und keine Unfälle zu verursachen. Das Projekt wird bis September 2022 aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Momentan fahren die Räder dazu noch auf Teststrecken in der Uni herum und werden darauf trainiert, noch besser zu fahren und vielleicht einmal den Verkehr zu verändern.

MDR/Leonard Schubert

7 Kommentare

Kritische am 11.10.2021

Der Verkehr insgesamt wird immer mehr... Durch Corona fahren viele wieder mit dem Auto. Hinzu wird ALLES online bestellt, ein Wahnsinn. Die Kinder könnten theoretisch mit dem Bus zur Schule, es fährt aber nur einer pro Stunde, der ist dann derart überfüllt, dass Kids beim Bremsen durch den Bus rollen. Ergo fahren wir sie. Das Problem muss an der Wurzel angegangen werden. Mehr öffentlicher Nahverkehr, mehr vor Ort einkaufen, mehr Lieferverkehr auf die Schiene und Bezahlung von Rücksendungen etc., diese exzessive Bestellerei muss unterbunden werden. Vororte und Dörfer müssen an den Verkehr der Großstädte angeschlossen werden. Wenn ich im Berufsverkehr im Stau stehe und Eltern mit Lastenrädern vor mir habe, in denen in offenen Holzkisten auf Höhe der Abgase Kinder hocken, dann stockt mir als Mutter der Atem. Das kann doch nicht die Lösung sein.

Hans Sturm am 10.10.2021

Ja, Ja, wichtiger Baustein der Verkehrswende, wahrscheinlich genauso wichtig wie Elektroroller und E-Autos.
Das wird das Klima maßgeblich beeinflussen wenn in Deutschland 100000 Lastenräder fahren und dazu noch der Verbot von Strohhalmen und Ohrenstäbchen aus Plastik.
Dann kann ich ja guten Gewissens meinen V8 weiterfahren, die Welt ist ja gerettet.

D.L. am 10.10.2021

Ich wohne auch auf dem Land. Fußwege sind selten. Und ich fahre mit dem Rad auf der Straße. Und nun? Sogar mit Hänger und Kind drin. Ein Lastenrad ist nicht größer. Wo ist das Problem?

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