Blick durch ein Rohr
Diese Rohre einer Stendaler Firma bestehen nicht aus herkömmlichem Stahlbeton, sondern aus Polymerbeton. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Stabil, dick, und erfolgreich Stendaler Alternative zu Stahlbeton erobert den Weltmarkt

von Carina Emig, MDR SACHSEN-ANHALT

22. Dezember 2023, 15:16 Uhr

Während ältere Toiletten bis zu 14 Liter Wasser pro Spülung verbrauchen, kommen moderne Modelle mit weniger als der Hälfte aus. Dadurch werden Ausscheidungen aber weniger verdünnt und das Abwasser immer aggressiver. Normale Betonrohre eignen sich nicht für Abwasseranlagen, auch Kunststoffrohre kommen an ihre Grenzen. In Stendal stellt ein Unternehmen Abwasserrohre aus Polymerbeton her, die weltweit zum Einsatz kommen, weil sie dem aggressiven Abwasser standhalten.

Ganz schön dicke Rohre, die in Stendal bei der Firma Meyer-Polycrete GmbH entstehen. Mindestens 30 Zentimeter sind sie im Durchmesser – die größten messen sogar 3 Meter 20. Sie sind aus Polymerbeton und damit zehnmal härter als Stahlbeton. Verbaut werden die Rohre made in Stendal weltweit, aber auch regional, erklärt Christian Schmidt, Prokurist der Echterhoff Bau GmbH. Dessen Unternehmen ist unter anderem für die Lärmschutzwand und den Kanalbau an der Baustelle Magdeburger Ring verantwortlich. "Die Rohre der Firma Meyer-Polycrete haben, in den Dimensionen, wie wir sie hier verlegen, ein Alleinstellungsmerkmal. Die gibt es weltweit nicht noch einmal."

Aufgeschnittenes Rohr
Polymerbeton im Querschnitt. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Vertriebsleiter Mario-Andreas Eckert erklärt, was im Polymerbeton drin ist: "Wir vergessen Zement und Wasser, die im normalen Beton drin sind und ersetzen sie durch Harz als Bindemittel. Enthalten sind also 10 Prozent Bindemittel und 90 Prozent Kiese und Sande aus dem Ursprungstal der Elbe." Damit ist der Stendaler Polymerbeton ein Produkt, das zu 90 Prozent aus sachsen-anhaltischen Rohstoffen besteht.

Das ist Polymerbeton ↓

Polymerbeton ist haltbar, verschleißarm und sehr widerstandsfähig gegen diverse Chemikalien. Er wird sehr schnell hart und ist fester als Normalbeton. Allerdings ist er in der Herstellung aufwendiger und damit ungefähr doppelt so teurer wie normaler Beton.

Durch seine porenarme, glatte Oberfläche ist Polymerbeton wetter- und wasserfest und auch weitgehend resistent gegen Säure. Auch andere Stoffe wie Öl, Salze oder Benzin, die normalem Beton zu schaffen machen können, steckt Polymerbeton locker weg. Die glatte Oberfläche macht Polymerbeton auch unattraktiv für Algen und Moose. Im Vergleich mit Normalbeton bindet Polymerbeton viel schneller ab und ist zugfester. In Form gegossene Bauteile behalten ihre Form auch bei Temperaturschwankungen.

Der Umweltaspekt ist beim Polymerbeton nicht zu verachten: Müll oder Bauschutt fallen am Ende des Lebenszyklus eines Bauteils nicht an – es kann einfach geschreddert und zum Beispiel als Ersatz für Kies weiterverwendet werden. Auch wenn Polymerbeton zum Teil aus Bindemittel besteht, kann das Polyesterharz beim Recycling nicht freigesetzt werden und in die Umwelt gelangen.

Gussapparat
Polymerbeton wird in eine Form gegossen. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Vom Familienunternehmen zum Marktführer

Mit dem Begriff Weltmarktführer geht Vertriebsleiter Mario-Andreas Eckert eher zurückhaltend um. "Richtig ist, dass es ein Werk wie dieses nicht noch einmal gibt. Es gibt noch mehr Polymerbetonhersteller, aber wir bedienen mit unseren Rohren und Schächten weltweit eine Nische, sind damit als Unternehmen national und international von Bedeutung."

So entstehen pro Jahr in Stendal rund 10.000 Tonnen Polymerbeton bei Meyer Polycrete. Das familiengeführte Unternehmen fing vor 60 Jahren in Lüneburg an, seit 30 Jahren gibt es das große Werk und den Hauptstandort in Stendal.

Von Stendal in die Welt

Im Stendaler Werk arbeiten 40 Mitarbeitende an der Herstellung der Rohre – ein insgesamt eher junges Team. Doch der Erfahrenste unter ihnen ist Ulrich Linke, der mit seinen 70 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt: "Ich bin von Anfang an dabei und Polymerbeton ist mein Herzblut. Ich lebe für dieses Produkt."

Zwei Mitarbeiter im Büro
Die Mischstation koordiniert die 14 Arbeitsplätze, an denen der Polymerbeton gegossen wird. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Linke erklärt, dass bei der Polymerbetonherstellung Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Schnelligkeit von Nöten sind, denn das Material härtet binnen 30 Minuten aus. Zudem sei das Zusammenspiel zwischen Betonbauer und Mischstation das A und O, damit das Produkt, ein 1.000 Kilogramm schweres Rohrelement, auch gelingt.

Lange Lebensdauer und Recycling-Möglichkeit

Ulrich Linke ist stolz darauf, dass Polymerbeton-Rohre und -Schächte 'made in Stendal' überall auf der Welt tief unter der Erde verbaut werden. Die Stendaler Rohre und Schächte finden sich inzwischen auf allen Kontinenten: In der Karibik, den USA oder Südostasien.

Aber auch hierzulande sind die Stendaler Nischenprodukte stark nachgefragt, werden auch auf Magdeburger Großbaustellen wie am Damaschkeplatz verbaut. Schließlich beträgt ihre Lebensdauer laut Hersteller mehr als 100 Jahre. Sollte aber doch mal ein Rohr kaputt gehen, kann es geschreddert und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden, zum Beispiel als Ersatz für Kies.

Rohre aus Polymerbeton von Meyer Polycrete auf Magdeburger Baustelle
Am Damaschkeplatz in Magdeburg werden Elemente aus Polymerbeton von Polycrete verbaut. Bildrechte: Meyer-Polycrete GmbH

MDR (Carina Emig, Fabienne von der Eltz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 12. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

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