Zwei Frauen sitzen auf einem Podium in einer Kirche mit einem schwarzen Klavierflügel im Hintergrund. Ein Mann in Anzug spricht an einem Rednerpult. Im Vordergrund sind Menschen aus dem Publikum von hinten zu sehen. 4 min
Eine der großen Aktionen der Altmärkischen Bürgerstiftung ist die Aktionswoche "Denken ohne Geländer" gegen Rassismus, hier mit Zeitzeugin Henriette Kretz im Musikforum Katharinenkirche. Bildrechte: Aud Merkel
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Die Altmärkische Bürgerstiftung treibt etliche kulturelle Projekte vor allem in Stendal an. Doch kaum einer bekommt es mit – so bleibt das Wirken der Stiftung beinahe komplett im Verborgenen. Katharina Häckl berichtet.

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Kultur der Altmark Bürgerstiftung fehlt das Geld: Projekte bleiben liegen

26. Mai 2024, 05:00 Uhr

Unter den rund 350 Stiftungen in Sachsen-Anhalt ist die Altmärkische Bürgerstiftung eine der kleinsten. Dennoch steckt sie hinter großen Projekten wie dem Winckelmann-Pfad in Stendal oder der jährlichen Aktionswoche "Denken ohne Geländer". Trotz ihrer wichtigen Arbeit für das kulturelle Erbe der Region kämpft die Stiftung um Wertschätzung, aber vor allem: um Geld.

Sie ist nicht nur eine der kleinsten, sondern auch eine der finanzschwächsten Stiftungen in Mitteldeutschland: Die Altmärkische Bürgerstiftung hat seit ihrer Ernennung im September 2011 viel vorangebracht – wirksame Eigenwerbung aber gehört nicht dazu.

Jürgen Lenski, der Vorstand, erklärt: "Wir sind eine arme Stiftung, auch im Vergleich zu anderen Stendaler Stiftungen". Besonders gut stünden Stiftungen im Westen dar, die oft Zuwendungen in sechsstelliger Höhe erhalten würden. Dagegen müsse sich Lenski oft fragen: "Was machen wir denn jetzt, wie kommen wir an Geld?"

Stiftung macht Stendaler Stadtgeschichte sichtbar

Mit etwa 130.000 Euro Stiftungskapital erwirtschaftet die Altmärkische Bürgerstiftung pro Jahr etwa dreieinhalb bis vier Prozent Rendite. Große Sprünge sind da nicht drin. Also verteilten und verteilen Jürgen Lenski und seine Mitstreiter ihre Kräfte auf mehrere kleinere Projekte. Zum Beispiel eines namens "Bildung im Vorübergehen". Da wird auf extra Schildern Stadtgeschichte kurz und klar erklärt.

Was Uppstall bedeutet, warum die Blumenthalstraße so heißt oder nach welchem königlichen Haupt die Prinzenstraße benannt ist, können Spaziergänger in Stendal im Vorübergehen lesen. Doch schon lange ist kein neues Schild mehr irgendwo angebracht worden, denn die Spenden bleiben aus.

Geld für Winckelmann-Pfad und Kultur auf dem Land

Neugier weckt der Winckelmann-Pfad in Stendal. Edelstahlplatten sind an den Orten in den Bürgersteig eingelassen, die für das Leben des in der Stadt geborenen Antike-Forschers Johann Joachim Winckelmann von Bedeutung waren. Die Leute bleiben stehen und schauen sich die Platten interessiert an. Dass die Altmärkische Bürgerstiftung hinter dem Projekt steckt, eigenes Kapital einsetzte und Spenden für den Pfad sammelte, bleibt im Verborgenen.

Zwei Männer mit wenig Haar und kleiner, runder Brille knien auf einem gepflasterten Boden mit einer silbernen Plakette vor sich. Der Mann rechts trägt Jackett und hält Flyer in der Hand, der Mann links trägt funktionale, blaue Arbeitskleidung.
Verlegung der Plaketten zum Winckelmann Pfad, rechts ist der Vorstandsvorsitzende der Altmärkischen Bürgerstiftung Jürgen Lenski zu sehen. Bildrechte: Leonie Dreier

Auch das neueste Engagement ist wie der Winckelmann-Pfad eine Idee von Vorstand Jürgen Lenski: Im alten Gutshaus in Altenzaun an der Elbe, etwa 20 Autominuten von Stendal entfernt, veranstaltet Adelheid Preß Lesungen und Konzerte. Sie will so Kunst und Kultur aufs Land holen. Manchmal ist ihr Saal voll, oft aber auch nicht. Da bleibt die private Veranstalterin auf den Kosten sitzen. Die Altmärkische Bürgerstiftung fängt das jetzt ein wenig ab. "Bis zur Höhe von 100 Euro pro Konzert erstatten wir", erklärt Vorstand Jürgen Lenski.

Mit Kunst und Kultur gegen Rassismus in der Altmark

Viel mehr vor allem an finanziellem Engagement aber ist nicht drin für die Altmärkische Bürgerstiftung. Sie hat zu wenig für sich getrommelt in den letzten Jahren. Dabei hätte sie sich vor allem mit der Aktionswoche "Denken ohne Geländer" mehr Lob verdient gehabt. Seit neun Jahren richtet sich "Denken ohne Geländer" jedes Jahr im Januar gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: mit Ausstellungen, Lesungen, Podiumsdiskussionen oder Theater.

Das Einwerben von Fördergeldern und deren Abrechnung hinterher ist Sache der Bürgerstiftung. Jürgen Lenski sitzt, weil das so kompliziert ist, immer noch an den Unterlagen aus dem Januar 2024. Doch diese Arbeit sieht man nicht. Man sieht nur - jeweils im Januar - volle Säle, engagierte Künstler, angetanes aktives Publikum. Das Lob ernten andere.

Zwei Frauen sitzen auf einem Podium in einer Kirche mit einer an die Wand gebeamten Karte Europas im Hintergrund. Im Vordergrund sind Menschen aus dem Publikum von hinten zu sehen.
Zeitzeugin Henriette Kretz im Markgraf-Albrecht-Gymnasium Osterburg zur Veranstaltungsreihe "Denken ohne Geländer" Bildrechte: Aud Merkel

Förderung von Sprachkursen für zugewanderte Frauen

Gerade fördert die Altmärkische Bürgerstiftung besondere Sprachkurse für Zugewanderte. Es gibt zwar staatlich finanzierte Kurse in Stendal, aber viel zu wenige, sagen Insider. Also lässt die Stiftung mit Unterstützung der Initiative "Demokratie leben" zugewanderte Frauen notdürftig in deutscher Sprache ausbilden.

Vorstand Jürgen Lenski erklärt, die Kursteilnehmerinnen würden vor allem lernen, sich in Alltagssituationen zu verständigen: "Wie heißen die verschiedenen Obstsorten? Wie heißen die Gemüsesorten? Und was mach ich damit? Wenn ich zum Arzt gehe, wie sag ich, wo es mir weh tut?"

Große Unterschiede zwischen Stiftungen in Ost und West

Auch dieses Engagement wird der Altmärkischen Bürgerstiftung vermutlich kaum jemand danken. Lenski wünsche sich manchmal einen Automatismus, wie er im Westen Deutschlands seit Jahrzehnten gang und gäbe ist: Dass zum Beispiel Erblasser ihr Vermögen der Stiftung vermachen würden oder größere Firmen – und wenn es zum Zwecke der Steuerersparnis ist – sich finanziell mehr engagieren. Mit größeren Projekten würde die Bürgerstiftung möglicherweise auch mehr ins Bewusstsein der Altmärker rücken.

Quelle: MDR KULTUR (Katharina Häckl); redaktionelle Bearbeitung: vp, hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Mai 2024 | 12:15 Uhr

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