Bus an Haltestelle in Stendal
Das Deutschlandticket gilt nach einem Kreistagsbeschluss ab 2024 nicht mehr auf Stendaler Buslinien. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

Kreistag lehnt Finanzierung ab Deutschlandticket gilt ab 2024 nicht mehr in Stendaler Bussen

10. Dezember 2023, 11:37 Uhr

Der Kreistag in Stendal hat die Gültigkeit des Deutschlandtickets gekippt. Weil ein Zuschuss von 40.000 Euro abgelehnt wurde, ist das 49-Euro-Ticket ab 2024 in Stendaler Buslinien nicht mehr gültig. Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens kritisiert das.

Der Stendaler Kreistag hat die Gültigkeit des Deutschlandtickets vor Ort gekippt. Grund dafür sind Mehrkosten die der Landkreis und die Stendalbus GmbH prognostiziert haben. In einem abgelehnten Antragt heißt es, dass der Landkreis zusätzlich zur Förderung des Landes 120.000 Euro für das Jahr 2024 aufbringen müsse. Der Antrag wurde mit Stimmen aus CDU, FDP und ProAltmark mit knapper Mehrheit abgelehnt, teilte das Landratsamt mit. Zunächst hatte die "Volkstimme" berichtet.

Weil die Stendalbus GmbH für das Jahr 2024 eine prozentuale Tariferhöhung von 14,83 Prozent anstrebt, greift laut Antrag die Förderung des Landes nicht mehr vollständig. Diese sieht eine Steigerungsrate von acht Prozent vor. So könne ein Ausgleich nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden und der Landkreis müsse die Mehrkosten tragen.

Mit der Entscheidung des Kreistages gilt das 49-Euro-Ticket auf innerstädtischen und Zubringerlinien des Unternehmens Stendalbus ab Jahresbeginn nicht mehr. Besitzer des Deutschlandtickets müssen dann für die Busse bezahlen. Mit der Entscheidung widersetzt sich der Landkreis den Bestrebungen von Land und Bund für das bundesweit einheitliche Nahverkehrsticket.

Betroffen sind die sechs Buslinien in der Stadt Stendal sowie 35 Linien im Landkreis, die unter anderem nach Seehausen, Arneburg, Osterburg, Haveberg, Tangerhütte und Tangermünde verkehren.

Weitere Kreise sehen Probleme bei Finanzierung

Nach dem Aus des 49-Euro-Tickets in Bussen im Landkreis Stendal fordern weitere Landkreise finanzielle Unterstützung. Ohne eine abschließende Einigung zur Deckung der weiterhin bestehenden Finanzierungslücke dürfte eine flächendeckende Anwendung des Deutschlandtickets dauerhaft in Frage stehen, teilte der Altmarkkreis Salzwedel auf Anfrage mit. Es bestehe weiterhin die Forderung an Bund und Länder, dass sie die Mindereinnahmen infolge der Einführung des Deutschlandtickets dauerhaft und in voller Höhe ausgleichen.

Auch weitere Kreise in Sachsen-Anhalt sehen derzeit Probleme bei der Weiterführung des Tickets. Es gebe derzeit Gespräche beim Landkreistag mit Beteiligung aller Landkreise, hieß es aus dem Landkreis Harz. "Bei allen geführten Gesprächen hieß es, dass die gemeinschaftliche Finanzierung durch Bund und Land bis Ende April 2024 gesichert ist", sagte eine Sprecherin. Die Landkreise könnten die zusätzlichen Ausgaben nicht tragen.

Mit Blick auf den Rückzug des Landkreises Stendal spricht das Infrastrukturministerium Sachsen-Anhalt allerdings von einem Einzelfall. Man erwarte aktuell nicht, dass weitere Landkreise eine solche Entscheidung treffen, teilte ein Ministeriumssprecher am Dienstag mit. In den meisten anderen Landkreisen sei die Finanzierung des 49-Euro-Tickets gerade nicht in der Diskussion, hieß es auf dpa-Anfrage.

Bushaltestelle in Schmoor im Landkreis Stendal
Wer mit dem Bus aus dem Stendaler Umland, zum Beispiel aus Schmoor, in die Kreisstadt fahren möchte, muss ab 2024 auch als Besitzerin oder Besitzer des Deutschlandtickets ein zusätzliches Busticket kaufen. Bildrechte: IMAGO / Jürgen Ritter

Hüskens: Entscheidung "nicht nachvollziehbar"

Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens bedauerte zudem den Entscheid des Kreistags. Sie sagte dem MDR, das Land Sachsen-Anhalt und der Bund hätten sich dazu bekannt, Defizite auszugleichen. Dies sei allen Kreisen bekannt.

Hüskens erklärte weiter, dass von der Entscheidung vor allem die Bewohner des Kreises betroffen sein werden. Sie wirke sich nur auf die Nutzung der örtlichen Buslinien aus, Züge seien davon nicht betroffen, betonte die Politikerin.

Die Co-Landeschefin der SPD, Juliane Kleemann, nannte den Beschluss "sehr kurzsichtig". Was das 49-Euro-Ticket im ÖPNV leisten könne, gelte im Landkreis Stendal künftig nicht mehr flächendeckend.

Grüne fehlten bei Entscheidung des Kreistages

Der Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Altmark, Christian Hauer, teilte über den Kurznachrichtendienst "X" mit, die Entscheidung des Kreistags sei "zutiefst verwirrend und ein Schlag ins Gesicht" für alle Abonnentinnen und Abonnenten.

Für Pendler und Schüler würde es nun wieder deutlich teurer und komplizierter. Hauer schrieb: "Die Entscheidung muss revidiert und eine Finanzierung des Tickets auch in 2024 sichergestellt werden." Die Grünen sind im Kreistag Stendal mit zwei Abgeordneten vertreten. Beide hätten aber nicht an der Sitzung teilnehmen können.

Kreise sehen auch Probleme bei Schülertickets

Auch technisch stehen die Landkreise stellenweise vor Problemen, weil viele Kreise das Ticket auch für Schülerinnen und Schüler ausgeben. Der Landkreis Wittenberg teilte mit, dass zum Jahresende die Übergangsfrist ausläuft, in der noch Papier-Tickets anerkannt werden. Es gebe aber keinen einheitlichen elektronischen Standard dafür. Man könne nicht davon ausgehen, dass alle 5000 Schüler mit entsprechenden Schülertickets auch über eigene Smartphones verfügten. "Wir hoffen sehr, dass wir im Jahresverlauf endlich eine einheitliche Lösung bekommen werden, um dieses Chaos im ÖPNV zu beseitigen", so ein Sprecher des Landkreis Wittenberg.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes hatten wir geschrieben, die Grünen hätten ebenfalls gegen den Zuschuss für das Deutschlandticket gestimmt. Dies ist nicht korrekt. Richtig ist, dass die beiden Grünen-Abgeordneten bei der Sitzung nicht vor Ort waren. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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MDR (Aud Merkel, Carsten Rochow, Felix Fahnert) | Zuerst veröffentlicht am 08. Dezember 2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Dezember 2023 | 15:30 Uhr

31 Kommentare

Denkschnecke vor 21 Wochen

Also, innerstädtisch sehe ich morgens vor allem Autofahrer, die nicht rechtzeitig auf Arbeit kommen, während die Tram und mein Fahrrad locker am Stau vorbei rollen.

Anita L. vor 21 Wochen

Sie können die Kinder und Enkel ja gern mal fragen, wie sie zum Thema Investition in ihre Zukunft denken: Friday for Future, letzte Generation, Pisa-Studie, Digitalisierung der Bildung, Mitbestimmungsrecht der "Boomer"generation gegenüber. Mit Hellseherei hat das Zuhören nicht so viel zu tun.

Anita L. vor 21 Wochen

Ach, Nudel, mal wieder diese Diskussion? Als notorischer Fußballnichtversteher gehe ich in kein einziges Spiel, muss die Absicherung derselben trotzdem mitfinanzieren. Hach ja.

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