Landgericht Stendal Prozess um verweigerte Extrastunde: Urteil vertagt

23. Mai 2024, 18:41 Uhr

Im Prozess einer altmärkischen Grundschullehrerin gegen das Landesschulamt Sachsen-Anhalt ist das Urteil verschoben worden. Die Kammer am Arbeitsgericht Stendal war nicht vollständig, ein ehrenamtlicher Richter aus Altersgründen ausgeschieden. Die Hängepartie für beide Seiten geht also weiter.

Am Arbeitsgericht in Stendal ist die Urteilsverkündung im Prozess um eine gekündigte Lehrerin vertagt worden. Nach MDR SACHSEN-ANHALT-Informationen sind mehrere Schriftsätze noch nicht begutachtet worden. Das Gericht begründete dies demnach mit einem ehrenamtlichen Richter der entscheidenden Kammer, der im Verlaufe des Prozesses aus Altersgründen ausgeschieden sei. Es brauche zwingend zwei ehrenamtliche Richter, das stünde so im Gesetz, erklärte der Vorsitzende Richter. "Grundgesetz live" nannte er es am 75. Jahrestag des Grundgeseztes. Die Entscheidung könnte nun am 20. Juni verkündet werden.

Wie die 60-jährige Lehrerin Birgit Pitschmann MDR SACHSEN-ANHALT sagte, hatte sie den zuvor mit dem Landesschulamt geschlossenen Vergleich im Streit um die Zusatzstunde abgelehnt. Im April war von dem Arbeitsgericht entschieden worden, dass die Pädagogin ab Mai wieder unbefristet als Grundschullehrerin arbeiten kann. Auch ihre 30 Dienstjahre sollten demnach anerkannt werden. Allerdings hätte sie nun die vom Land verfügte Zusatzstunde leisten müssen. Im Gegenzug sollte sie auf alle etwaigen finanziellen Ansprüche an das Land verzichten.

Zusatzstunde um keinen Preis

Das Vergleichsangebot des Gerichts kam im April für die Beteiligten überraschend. Nach reiflicher Überlegung lehnte Pitschmann es ab. Denn gerade gegen die Zusatzstunde hatte sich Pitschmann die ganze Zeit gewehrt, deshalb war sie vom Land gekündigt worden. Als Grund für ihre Entscheidung nennt Pitschmann die Überlastung, die sie in den vergangenen Jahren erlebte.

"Am 1. August habe ich 40 Dienstjahre hinter mir. Und ich habe in den letzten zwölf Jahren immer Klassen gehabt, die so 26, 27 Kinder waren, die ich eingeschult habe, vier Jahre begleitet habe", sagt Pitschmann und ergänzt: "Die unterschiedlichen Lerntypen in den Klassen, das war immer wieder eine Herausforderung, und ich hab gemerkt, dass ich auch dort meine Grenzen erreicht hab." Mit der Vorgriffsstunde sei dann eine rote Linie überschritten worden, so die Lehrerin.

Verschiebung schwer zu verkraften

Für Birgit Pitschmann ist die erneute Termin-Verschiebung um etwa vier Wochen schwierig zu verkraften. Seele und Körper seien durch den Stress angegriffen. Ihre Mitarbeit am Aufbau einer freien Schule im benachbarten Niedersachsen – dort dürfte sie ja als Lehrerin arbeiten – habe sie deshalb erstmal auf Eis gelegt, so die Padagogin gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT.

Nun schaue sie mit Spannung nach Leipzig. Dort hatte das Oberverwaltungsgericht in einem Normenkontrollverfahren entschieden, dass die vom Land Sachsen-Anhalt verfügte Zusatzstunde für Lehrer rechtens sei. Eine Berufung sei nicht möglich. Gegen diese Entscheidung haben zwei Lehrer – einer verbeamtet, einer angestellt – Beschwerde eingelegt.

Zusatzstunde 2023 eingeführt

Um für weniger Unterrichtsausfall zu sorgen, müssen Lehrerinnen und Lehrer seit den Osterferien 2023 eine Stunde pro Woche zusätzlich vor der Klasse stehen. Diese Stunde können sie sich auszahlen lassen oder auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln. Die betreffende Lehrkraft hatte sich mehrmals geweigert, die sogenannte Vorgriffsstunde zu leisten.

Das Landesschulamt sah darin eine Arbeitspflichtverweigerung und zog Konsequenzen. Die Lehrerin zog daraufhin vor Gericht. Laut Landesregierung Sachsen-Anhalt müssen Lehrer bis zum 62. Lebensjahr die so genannte Vorgriffsstunde halten. Birgit Pitschmann wird im August 61.

MDR (Katharina Häckel, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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