Landtag berät über Vermisstenfall Zieschang: "Fall Inga wird nicht zu den Akten gelegt"
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10. März 2023, 15:48 Uhr
Der Fall der seit fast acht Jahren vermissten damals fünfjährigen Inga hat am Donnerstag Sachsen-Anhalts Landtag beschäftigt. Dazu geführt haben eigene Ermittlungen und Vorwürfe der Eltern gegenüber den Ermittlungsbehörden. Das Innenministerium beteuerte nun, dass die Aufklärung nach wie vor vorangetrieben werde – so soll der Fall Inga künftig von einem neuen Ermittlerteam überprüft werden.
- Der Fall Inga soll nach Angaben des Innenministeriums nicht zu den Akten gelegt werden.
- Durch ein neues Konzept der Landespolizei soll sich künftig ein anderes Ermittlerteam mit dem Fall befassen – um womöglich neue Erkenntnisse zu gewinnen.
- Abgeordnete kritisieren, dass bei der Ausschusssitzung am Donnerstag viele Fragen offen geblieben seien.
Sachsen-Anhalts Innenministerium will den Fall der 2015 verschwundenen damals fünfjährigen Inga nicht zu den Akten legen. Ministerin Tamara Zieschang (CDU) sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags, für die Landespolizei sei die Aufklärung dieses Falles von herausragender Bedeutung.
Die Eltern des Mädchens waren bei der Sitzung anwesend. Am 2. Mai 2015 war Inga mit ihrer Familie in Wilhelmshof im Landkreis Stendal zu Besuch. Bei der Vorbereitung eines Grillfestes war sie das letzte Mal gesehen worden. Die Eltern hatten zuletzt öffentlich beklagt, dass möglicherweise nicht allen Hinweisen nachgegangen worden sei. Das Anliegen von Eltern und deren Anwalt, den Fall noch aufzuklären, sei zugleich auch das Anliegen der Behörden. Die Ungewissheit "macht auch uns betroffen", so Zieschang wörtlich.
Behörden rechtfertigen sich: 2.000 Personenspuren erfasst
Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft erklärten, es werde nach wie vor allen Hinweisen nachgegangen. Trotz intensiver Ermittlungen sei aber weiter unklar, was genau geschehen ist. So seien etwa rund 2.000 Personenspuren erfasst worden. "Eine so genannte heiße Spur gab es zu keinem Zeitpunkt", sagte Landespolizeidirektor Mario Schwan. Auch der Bericht einer eigens eingerichteten Prüfgruppe, die im Jahr 2019 auch mögliche Querverbindungen zum Fall der in Portugal verschwundenen Madeleine McCann untersuchen sollte, habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Nach dem Ende der Prüfgruppe seien die Ermittlungen allerdings weitergegangen und würden ergebnisoffen geführt.
Fall Inga: Behörden räumen keine Ermittlungspannen ein
Auch eine Justizvertreterin erklärte, es würden weiter Spuren untersucht. Mittlerweile füllten die Bände an Akten zum Fall etwa 20 Umzugskartons. Mögliche Ermittlungspannen räumten die Behördenvertreter im Innenausschuss zunächst nicht ein. Auf Nachfrage hieß es allerdings, dass der Leiter der Prüfgruppe erklärt habe, bis dato keine Erfahrungen mit der Arbeit einer Mordkommission gehabt zu haben.
Innenministerin Zieschang kündigte an, dass Sachsen-Anhalts Landespolizei im Fall von ergebnislosen Ermittlungen künftig anders verfahren werde. Demnach ist geplant, dass bis dato unbeteiligte Ermittlerteams entsprechende Fälle temporär übernehmen. Dadurch sollten sich ein neuer Blick auf den Sachverhalt ergeben und womöglich neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Nach Angaben des Innenministeriums wird die Landespolizei zeitnah ein entsprechendes Konzept zum Umgang mit ungeklärten Kapitaldelikten und Vermisstenfällen umsetzen. "Die dazu erforderlichen fachlichen Vorarbeiten sind nahezu abgeschlossen", erklärte Ministeriumssprecherin Franziska Höhnl.
Bei der Umsetzung des Konzepts soll es unter anderen um den Vermisstenfall Inga gehen, aber auch um den Fall der getöteten Studentin Mariya N. in Halle oder den unbekannten Toten, der in einer Kiste in der Elbe entdeckt wurde.
Vorerst kein Untersuchungsausschuss
Einen Untersuchungsausschuss wird es vorerst nicht geben. Allerdings soll sich der Innenausschuss weiter mit dem Fall Inga befassen. Bis zur nächsten Sitzung will das Innenministerium noch offene Fragen beantworten. Dann soll auch entschieden werden, welche Gäste möglicherweise in den Ausschuss eingeladen werden.
Die Linken-Abgeordnete Henriette Quade erklärte am Donnerstag, sie sei "enttäuscht, wie wenige Fragen beantwortet wurden". So seien die Angaben zum Auftrag der Prüfgruppe "hochgradig widersprüchlich". Auch die Arbeitsbedingungen der Gruppe sowie die Erfahrung des Leiters würden Fragen aufwerfen.
MDR (Felix Fahnert, Daniel Salpius) | Erstmals veröffentlicht am 09.03.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. März 2023 | 15:00 Uhr
Germinator aus dem schoenen Erzgebirge am 10.03.2023
Wenn überhaupt was dabei rauskommt, wird es wieder den kleinen an den Kragen gehen, die Minister und Entscheidungsträger werden sich in Unschuld waschen.
Unerträglich ist das.
🍀☝️
Tim Taler am 09.03.2023
Was ich überhaupt nicht verstehen kann, warum erst jetzt, nach zig Jahren, auch viele andere ("Hochglanz"-) Fotos von dem Mädchen veröffentlicht wurden. Der gleiche Humbug, wie im Fall der gesuchten (und jetzt tot aufgefundenen) Yolanda. :/
Peter Riesler am 09.03.2023
Sehr schön, die Wahrheit muss ans Licht kommen.
Liebe Frau Ministerin Tamara Zieschang, ich dränge aber auch darauf, dass der Fall Oury Jalloh "nicht zu den Akten gelegt" wird.