Erfolgreiche Klage VW muss "Schummel-Diesel" abholen und zahlen

28. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Als der Dieselskandal bekannt wurde, kämpfte auch der Eberswalder Berthold Struk um eine Entschädigung für seinen VW. Nun ließ der Konzern das Auto abholen und zahlt eine fünfstellige Entschädigung. Der Weg bis dahin war lang und dauerte acht Jahre.

2010 hat sich der Ebersbacher Berthold Struk einen VW Golf TDI gekauft. Knapp 24.000 Euro hatte er dafür bezahlt. Nach Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015 fühlte auch er sich wie viele andere betrogen und stritt mit dem Konzern um Schadenersatz.

Mehr als acht Jahre später nun, ist der Arzt den Wagen endlich wieder los und bekommt den Kaufpreis abzüglich der Abnutzung durch die gefahrenen Kilometer erstattet.

VW holt Auto ab und zahlt 10.300 Euro plus Zinsen

Mitte Oktober ließ VW den Wagen samt Autoschlüssel in der Oberlausitz abholen. Struk bekommt vom Konzern dafür noch 10.300 Euro plus für diesen Wert entgangene Zinsen. "Der Kaufvertrag ist damit annulliert", freute er sich über die Rückabwicklung. Das MDR Magazin "Umschau" war dabei vor Ort und hat die Aktion im Bild festgehalten.

Für den Ebersbacher ist es das gerechte Ende eines langen Rechtsstreites: "Ich habe die Erkenntnis, dass ein Konzern wie VW mit einem derart vorsätzlichen Betrug auch einfach nicht durchkommt." Struk ist kein Einzelfall. In rund 2,8 Millionen Fahrzeugen des Konzerns waren die Abgaswerte mit einer Software manipuliert worden.

Ein PKW auf einem Abschleppwagen
Hier wird der Wagen gerade von VW abgeholt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vergleich nach Musterfeststellungsklage hätte nur 2.055 Euro gebracht

Berthold Struk hatte Rechtsanwälte eingeschaltet, die seine Interessen gegen den Konzern vertreten sollten. "Ich bin von der Kanzlei informiert worden, dass es die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage gibt" sagt er. Diese Chance hatte auch er ergriffen.

Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen die Volkswagen AG und auch die Kosten für das Verfahren übernommen. Für angeschlossene Verbraucher und Verbraucherinnen sind Musterfeststellungsklagen kostenlos. Doch am Oberlandesgericht Braunschweig kam es zu keinem Urteil, Volkswagen wollte die Betroffenen außergerichtlich entschädigen.

Berthold Struk
Bertold Struk ist seinen VW nach acht Jahren Rechtsstreit los und bekommt eine fünfstellige Entschädigungszahlung dafür. Bildrechte: MDR/Umschau

Im Mai 2020 bekam der Ebersbacher ein Angebot über 2.055 Euro. "Das sind nicht mal zehn Prozent des Kaufpreises. Man muss am Ende ja sagen: VW hat dieses Auto ja deutlich zu teuer verkauft. Wenn bekannt gewesen wäre, dass die Abgaswerte durch Manipulation so erzielt werden, dann hätte man ja gar nicht diesen Verkaufspreis erzielt", ärgerte er sich kurz darauf in einem Bericht der "Umschau".

Mut zur Individualklage wurde nicht nur in seinem Fall belohnt

Der Arzt entschied sich wie viele andere Geschädigte für eine Individualklage. "Ich möchte das Auto komplett zurückgeben, meinen Kaufpreis erstattet haben und im Zweifelsfall auch die Zinsen, die für diesen Kaufpreis dann berechnet werden können", sagte er 2020 in der "Umschau".

Philipp Caba im Interview
Rechtsanwalt Philipp Caba erklärt, mit dem durch die Musterfeststellungsklage erreichten Vergleich hätte es keine Rückabwicklung des Vertrages gegeben. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei um Philipp Caba erklärt, alleine mehr als 30.000 Betroffene vertreten zu haben. Zwei Drittel hätten Erfolg gehabt. Die Musterfeststellungsklage habe nur einen Vergleich beinhaltet. Darin sei "kein Rückabwicklungsszenario vorgesehen gewesen", so Caba. Wer das Auto wieder loswerden wollte, habe dann eben "den Weg in die Individualklage gehen" müssen.

Für Berthold Struk war es die richtige Entscheidung, er hat statt der im Vergleich vorgesehenen 2.055 Euro nun 10.300 Euro zuzüglich Zinsen von VW zugestanden bekommen. Die Begründung des Landgerichts Berlin: Volkswagen habe aus Gewinninteresse bewusst und gewollt getäuscht. "Ein solches Verhalten ist besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren", so die Juristen.

"Ich freue mich, dass auch ein Bürger gegen einen großen Konzern seine Rechte durchsetzen kann", betont der Ebersbacher mit Blick auf das Urteil. Allerdings: Bei einer Individualklage tragen Geschädigte das Prozesskostenrisiko im Gegensatz zur Musterfeststellungsklage selber. Berthold Struk konnte das in Kauf nehmen, er ist rechtsschutzversichert. Er hat sich jetzt nicht nur von VW getrennt, sondern gänzlich vom Verbrenner. Der Arzt aus Ebersbach fährt jetzt elektrisch.

Ich freue mich, dass auch ein Bürger gegen einen großen Konzern seine Rechte durchsetzen kann.

Berthold Struk, VW-Geschädigter

Rechtssprechung stärkt Verbraucher noch mehr

Jüngste Urteile des Bundesgerichtshofs stärken die Erfolgschancen auf Schadenersatz über Einzelklagen. Die obersten Richter haben in mehreren Verfahren entschieden, es genüge "für eine Schadensersatzpflicht der fahrlässige Verstoß gegen die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung".

Bisher musste Sittenwidrigkeit nachgewiesen werden. Zudem sollte sich ein Schadenersatz mindestens "innerhalb eines Rahmens zwischen fünf und 15 Prozent" des Kaufpreises bewegen. "Fahrlässigkeit ist viel niedriger als die Sittenwidrigkeit, die ich vorher als Kläger beweisen musste", erklärt Rechtsanwalt Philipp Caba.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 24. Oktober 2023 | 20:15 Uhr

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