Büchner-Preisträgerin Schriftstellerin Elke Erb gestorben

23. Januar 2024, 13:35 Uhr

Die Schriftstellerin Elke Erb ist tot. Die Lyrikerin starb am Montagabend im Alter von 85 Jahren in Berlin, wie der Suhrkamp Verlag nun bestätigte. In der Eifel geboren, zog sie als Elfjährige mit ihren Eltern nach Halle. Zuletzt lebte sie in Berlin und der Oberlausitz. 2020 wurde Erb mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.

Die Lyrikerin Elke Erb ist am Montagabend im Alter von 85 Jahren gestorben. Das bestätigte der Suhrkamp Verlag unter Berufung auf Erbs Umfeld. Die Schriftstellerin wurde 1938 in der Eifel geboren. Zuletzt lebte sie in Berlin und Wuischke (Oberlausitz). 2020 war Erb mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt worden, der wichtigsten literarischen Auszeichnung in Deutschland.

Von der Eifel in die DDR

Erb wurde 1938 in der Eifel geboren. Sie war eine von drei Töchtern des Literaturwissenschaftlers Ewald Erb. Ihre Schwester ist die Schriftstellerin Ute Erb. Als Elfjährige zog Elke Erb mit ihren Eltern nach Halle. Nach ihrem Studium der Germanistik, Slawistik und Pädagogik arbeitete sie in den 60er-Jahren zunächst beim Mitteldeutschen Verlag und ab 1966 als Schriftstellerin und Übersetzerin, vorwiegend aus dem Russischen.

Schwarzweißaufnahme einer Frau mit halblangen Haaren und großer Brille
Die DDR-Schriftstellerin Elke Erb im April 1988 in Staufen. Bildrechte: picture-alliance / dpa | Rolf Haid

Auf Erbs Debüt "Gutachten, Poesie und Prosa" (1975) folgte "Der Faden der Geduld" (1978). Ihre Arbeit an einer Anthologie "inoffizieller Literatur" und ihr Protest gegen die Ausbürgerung des Bürgerrechtlers Roland Jahn führten zur Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst.

Modern und unangepasst bis zum Schluss

Die Autorin Annett Gröschner hat Elke Erb als Studentin kennengelernt. Weil ihr Interesse, und auch das vieler anderer Studierender, an der Lyrikerin so groß gewesen sei, sei auch etwas Besonderes gelungen: Elke Erb ist in die Uni gekommen, um ihre Texte zu lesen. "Und da hat sie etwas gemacht, was ich ganz ungewöhnlich für eine Dichterin finde: Sie hat ihre Gedichte auch erklärt", so Gröschner. So wie auch in verschiedenen Gedichtbänden, in denen jedes Gedicht noch einmal von einem Text untermalt wird.

Das Moderne habe sich Elke Erb laut Gröschner bis zum Schluss bewahrt: "Dieses auch immer wieder neu ansetzen, neu überlegen, neue Worte finden." So habe Erb sie zum Beispiel in Hildesheim am Literaturinstitut besucht und mit ihren 75 Jahren den Studierenden mit Hilfe von Küchenutensilien und zwei Musikerinnen eine Performance geboten, "dass den Studierenden die Münder offen standen."

Dass Erbs Texte schon immer als schwierig gelten, kann Gröschner nicht verstehen: "Also ich persönlich fand sie jetzt nicht so unverständlich." Erb habe einfach Alltäglichkeiten beschrieben, ohne Alltagssprache zu benutzen.

Eine Frau mit langen Haaren  hält in der einen Hand ein Buch, mit der andere fasst sie an den schwarzen Hut auf ihrem Kopf.
Die Autorin Annett Gröschner lernte Elke Erb als Studentin kennen. Bildrechte: imago/Rolf Zöllner

Erb kommentierte ihre Gedichte oft selbst

Ihr Werk umfasst Lyrik, Kurzprosa, prozessuale Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen und Herausgaben. Zuletzt erschienen von ihr die Textsammlung "Sonnenklar Meins: Das Hündle kam weiter auf drein" (2018) und der Gedichtband "Gedichtverdacht" (2019).

Bei Elke Erb scheine sich das ganze Leben konsequent dem Schreiben unterzuordnen, sagt MDR KULTUR-Literaturkritiker Jörg Schieke: "Die oft gestellten Fragen nach dem Sinn ihrer zunächst verschlossen wirkenden Texte mögen Elke Erb veranlasst haben, die Suche nach Antworten selbst in die Texte hineinragen zu lassen", so Schieke. So habe Erb seit dem Band "Kastanienallee" von 1987 mehrfach die literarische Technik des Kommentars benutzt, der das Gedicht als gleichberechtigter Text begleite.

Eine ältere Frau mit weißen Haaren, grünem Rollkragenpullover und schwarzer Jacke steht neben einem Baum.
Elke Erb wurde im Jahr 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Bildrechte: imago images/gezett

Vor drei Jahren übergab Elke Erb ihr Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Der Vorlass enthielt unter anderem Manuskripte von bereits erschienenen Bänden, Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren und auch biografische Unterlagen zu Lesungen, Preisverleihungen und Übersetzungen. "Erb ist eine der eigenwilligsten Lyrikerinnen ihrer Generation und zugleich Gesprächspartnerin zahlreicher jüngerer Autorinnen und Autoren", hieß aus der Institution anlässlich der Übergabe.

Höchste Ehrung

Ebenfalls 2020 wurde Elke Erb mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt. In der Begründung der Jury hieß es, Erb habe ein "unverwechselbares und eigenständiges schriftstellerisches Lebenswerk". Ihr poetischer Sachverstand habe mehrere Generationen von Dichterinnen und Dichtern in Ost und West beeinflusst.

Elke Erb gelingt es wie keiner anderen, die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert.

Jury des Georg-Büchner-Preises 2020

Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird in dieser Form seit 1951 vergeben und gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner ("Woyzeck"). Weitere Bücher-Preisträger waren unter anderem Lutz Seiler (2023), Terézia Mora (2018), Alexander Kluge (2003), Elfriede Jelinek (1998) oder auch Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967). Elke Erb war die elfte und bisher letzte Frau, die den Preis erhalten hat.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt - die MDR Kulturnachrichten | 23. Januar 2024 | 13:30 Uhr

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