Abschiedsgottesdienst Nonnen verlassen nach Streit das Klarissenkloster Bautzen
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10. August 2024, 03:00 Uhr
Für viele war das Klarissenkloster in Bautzen ein Ort des Friedens – doch die Gemeinschaft der acht Nonnen zerbricht an einem Konflikt. Dabei geht es auch um die Frage, wie arm die Ordensfrauen leben sollen – und um Macht. Weil kein gemeinsamer Weg mehr möglich ist, schließt der Vatikan das Kloster. Fast 100 Jahre lang wurde die Anlage von Klarissen-Schwestern bewohnt. Am 10. August verabschieden sich die Nonnen von Bautzen.
- Unter den Nonnen im Bautzener Klarissenkloster gibt es unlösbare Konflikte.
- Vom Freundeskreis des Klosters und aus dem Vatikan gab es Vermittlungsversuche, die allerdings gescheitert sind.
- Vermittler und Freunde des Klosters zeigen sich enttäuscht von der Entscheidung des Vatikans, das Kloster zu schließen.
Nichts ist von den Nonnen zu sehen. Nur ihr Gesang weht durch die Klosterkirche. Sie beten, schweigen, leben in Abgeschiedenheit mitten in Bautzen. Ihre gesungene Bitte erklingt geschützt vor Blicken hinter der Ziegelmauer neben dem Altar: "Oh Gott, komm mir zu Hilfe."
Wenn die vier verbliebenen Bautzener Klarissen-Schwestern diesen Hilferuf singen, dann ist das mehr als die Routine ihres Mittagsgebets. Es ist existenziell. Für sie, für ihre Gemeinschaft. Denn die zerbricht gerade an einem Konflikt.
Die Klarissen-Schwestern selbst reden nicht darüber – sie reden überhaupt nicht in der Öffentlichkeit, weil sie sich in der Nachfolge von Franz und Klara von Assisi ganz dem Gebet widmen wollen. In Armut und Bescheidenheit. Freundlich öffnen sie die Tür und schmücken ihre Kirche mit Blumen für den Abschiedsgottesdienst. Doch kein Wort über den Konflikt, der ihre Gemeinschaft zerreißt.
Konflikt um Armut und Freizeit
Wer redet, ist Johannes Müller. Der Seelsorger und Pater wurde Ende 2023 von Rom eingesetzt, um die Bautzener Schwestern in der seit gut zehn Jahren schwelenden Krise zu begleiten. Er vergleicht das Leben im Kloster mit einer Wohngemeinschaft oder einer Familie. In ziemlich engen, ärmlichen Zimmern. In Enge können sich leicht Emotionen entzünden. Aber es geht um mehr.
"Zum Beispiel ist es hier so, dass die Schwestern kein Geld haben und wirklich für jeden Euro die Oberin fragen", sagt der Seelsorger über die strenge Armut des Ordens, die von den Schwestern offenbar unterschiedlich streng ausgelegt wurde. "Manche haben auch die Vorstellung gehabt, dass sie etwas mehr Freizeit haben und auch mal Ferien machen können. Das waren schon so Grundsatzfragen der Lebensform."
Und natürlich gehe es auch um Macht, sagt Johannes Müller, der selbst einmal in Himmerod in der Eifel als Abt ein Kloster führte – und es auflösen musste. Unter den Bautzener Klarissen beobachtete er, dass der Konflikt um Sachfragen auch mit Persönlichkeiten zu tun hat: "Ich denke schon, dass das im Laufe der Jahre mit starken Frauen, die auch zum Teil schon Führungserfahrung haben, aufeinandergeschlagen ist."
Vermittlung war nicht möglich
Drei der acht Bautzener Schwestern waren deshalb schon vor längerer Zeit in ein Kloster bei Dresden ausgezogen. Im vergangenen Herbst kehrten sie zurück, kurz darauf zogen sie wieder aus.
Die Menschen, die in dem Bautzener Kloster zum Glauben und Frieden gefunden haben, mussten nun mit ansehen, wie sich die Schwestern immer tiefer in einen Streit verstrickten.
"Ich habe eine Mediation versucht", sagt der Bautzener Jurist Rainer Klan, der zum Freundeskreis des Klosters gehört. "Es ist wie in einer Ehe oder in jeder Gemeinschaft: Es sind manchmal Spannungen da, die auch angegangen werden wollen. Und es ist schwierig, wenn Teile überhaupt nicht erkennen, dass da ein Problem schwelt – da kann man sich schlecht austauschen und einen Konflikt bereinigen."
Der Vatikan, dem das Klarissen-Kloster direkt unterstellt ist, bot Vermittlung an. Ohne Erfolg. Kurz vor Karfreitag kam aus dem Vatikan die Entscheidung: Das Bautzener Kloster wird geschlossen.
"Als klar war, dass Rom das schon längst entschieden hat, war das schon ein Schock", erinnert sich Johannes Müller an die Reaktionen unter den Schwestern. Sie hatten geglaubt, es gäbe noch eine Chance, den Konvent an zwei Orten weiterzuführen.
Kritik an der Entscheidung des Vatikans
Auch Freunde des Klosters wie Marita Hentrich sind traurig. "Ich persönlich bin sehr enttäuscht von der Entscheidung aus Rom und wir können sie eigentlich nicht verstehen", sagt die Katholikin, die in dem Bautzener Kloster zum Glauben gefunden hat. "Weil wir meinen, dass es eine Möglichkeit hätte geben können, um das Kloster zu erhalten, indem die Schwestern an zwei Orten leben."
Gemeinsam an einem Ort und in einem Kloster aber ging es nicht mehr – trotz aller Versuche. Dieses Scheitern sei für die in bewusster Armut lebenden Ordensfrauen "eine ganz neue Erfahrung von Armut, nichts mehr in den Händen zu haben", hört der Seelsorger Johannes Müller in den Gesprächen mit ihnen. Es sei ein großer Schmerz. Und es ist der Verlust einer Heimat.
Künftig ziehen drei der Bautzener Schwestern in ein Kloster nach Niederbayern, drei nach Speyer, eine nach Frankreich. Die Jüngste hat ihre Probezeit aufgegeben – und lernt nun Schneiderin. Was aus dem Klostergebäude und seinem Garten wird, der vielen Bautzener Freunden der Nonnen ebenfalls zu einer geistlichen Heimat geworden ist, bleibt offen.
Weitere Informationen
Abschiedsgottesdienst
10. August 2024, 14 Uhr
mit Generalvikar Kutschke
Abschluss ist 17 Uhr die Feier des Transitus der hl. Klara (einer gestalteten Vesper zum Gedenken des Sterbens der Ordensmutter).
Klosterkirche
Klosterstraße 9
02625 Bautzen
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. August 2024 | 09:10 Uhr