Die Bundespolizei bei einem Aufgriff geschleuster Migranten in Bautzen
Täglich greifen Bundespolizisten eingeschleuste Migranten auf, wie hier am Dienstag in Bautzen. Jetzt bekommen sie Unterstützung von Landes- und Bereitschaftspolizei, um den Fahndungsdruck auf die Schleuser zu erhöhen. Bildrechte: Danilo Dittrich

Grenzkriminalität Mehr Fahndungen gegen Schleuser in Sachsen: "Ist ein ganz schmutziges Geschäft"

30. August 2023, 18:30 Uhr

Sachsens Innenminister hatte die verstärkten Kontrollen im Grenzgebiet angekündigt, um den Fahndungsdruck auf Schleuser zu erhöhen. Am Mittwoch gab es nun den Startschuss auf dem Flugplatz in Rothenburg. Bereitschaftspolizisten sollen ab sofort mit der Landespolizei die Bundespolizei unterstützen. Denn die Schleuser werden immer skrupelloser. Was die Polizisten an der Grenze erleben, lässt auch sie nicht kalt.

Ein voll beladener Transporter mit 21 Menschen, darunter auch zwei Mädchen, fünf und sechs Jahre alt: Diese Entdeckung machten Bundespolizisten am Dienstag, als sie das Fahrzeug an der B 178 bei Großhennersdorf stoppten. Zehn Stunden seien die Flüchtlinge aus Syrien im dunklen Laderaum gewesen, berichtet Alfred Klaner von der Bundespolizeiinspektion Ebersbach. Vor allem die Mädchen waren erleichtert: "Als sie im Polizeiauto zum Abtransport saßen, zeigten sie mit ihren Händen ein Herz und bedankten sich damit wohl bei den Polizisten, dass sie nun in Sicherheit sind." Der ukrainische Schleuser wurde festgenommen, die Geflüchteten kamen in eine Erstaufnahmeeinrichtung.

Unterstützung durch Landes- und Bereitschaftspolizisten

Die Bundespolizisten können viele solcher Episoden erzählen. Denn in den vergangenen Wochen ist die Zahl der Schleusungen sprunghaft gestiegen. Ein Ende dieser Schleuserkriminalität ist nicht absehbar. Deshalb wird die Bundespolizei seit Mittwoch durch Kolleginnen und Kollegen der Landes- und der Bereitschaftspolizei unterstützt. Beim ersten Einsatz am Flugplatz Rothenburg werden die Beamten der Bereitschaftspolizei von Einsatzleiter Dirk Linczmajer eingewiesen. Anhand einer Landkarte erklärt er ihnen, wo Schwerpunkte sind, was kontrolliert wird und wie die ersten Schritte bei der Feststellung einer Schleusung sind. "Die Kollegen werden im Laufe der Zeit auch noch deutlich mehr Erfahrungen sammeln, weil wir die Maßnahme über einen längeren Zeitraum strecken."

Gemeinsame Fahndungsgruppe

Drei Monate lang werden die Bereitschaftspolizisten ihre Kolleginnen und Kollegen in der Grenzregion unterstützen. Normalerweise haben sie andere Aufgaben im Land, sichern unter anderem Veranstaltungen wie Fußballspiele oder Demonstrationen ab. "Das ist ein neuer Job für sie", sagt Einsatzleiter Linczmajer von der Landespolizei. Aber man profitiere von den Erkenntnissen der Bundespolizei, etwa beim taktischen Vorgehen bei den Kontrollen. In der Gemeinsamen Fahndungsgruppe (GFG) Bautzen arbeitet die Landespolizei schon länger mit der Bundespolizei zusammen. Die GFG beschäftigt sich seit 2006 mit grenzüberschreitender Kriminalität.

Schleuser werden immer brutaler

Deshalb ist auch Henry Glaser von Gemeinsamen Fahndungsgruppe bei der Einweisung der Bereitschaftspolizisten in Rothenburg dabei. Er erzählt, dass die Schleuser in den vergangenen Monaten immer rabiater und brutaler wurden: "Da reden wir von Verletzungen oder teilweise getöteten Personen. Zum anderen natürlich auch von der Art und Weise, wie man versucht, sich einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen." Die Fahrer der Fahrzeuge würden billigend alles in Kauf nehmen.

Die Fahrer der Fahrzeugen gehen über alle Grenzen hinweg und nehmen billigend alles in Kauf. Da reden wir von Verletzungen oder teilweise getöteten Personen. Zum anderen natürlich auch von der Art und Weise, wie man versucht, sich einer Polizeikontrolle zu entziehen.

Henry Glaser Gemeinsame Fahndungsgruppe Bautzen

"Das ist doch völlig irre": Schleuser-Banden geht's ums Geld

Glasers Kollege von der Bundespolizeiinspektion Berggießhübel in der Sächsischen Schweiz bringt es auf den Punkt: "Schleusungen sind ein ganz schmutziges Geschäft. Hier geht es nicht um Menschen. Hier geht es nur ums Geldverdienen - so viel wie möglich und soll schnell wie möglich. Welche Zustände auf der Ladefläche herrschen, interessiert den Schleuser nicht", sagt der Sprecher Steffen Ehrlich. Es sei ein sehr lukratives Geschäft. Pro Person müssten Geflüchtete für die letzte Etappe nach Deutschland hohe dreistellige oder vierstellige Beträge bezahlen. Manchmal koste eine Flucht auch 10.000 Euro und mehr. Das große Geld kassierten freilich nur die Hintermänner. Das Erlebte lasse die Polizeibeamten, die Schleuser-Autos feststellen, nicht kalt.

Wer die Tür eines Transporters öffnet, schaut in die Gesichter vieler Flüchtlinge auf engstem Raum. Dann denkt man: Das ist doch völlig irre. Viele sind erschöpft und wirken apathisch. Sie reißen während der Fahrt die Gummidichtung aus den Türen, um mehr Luft zu bekommen.

Steffen Ehrlich Sprecher der Bundespolizeiinspektion Berggießhübel

Und: Laut Ehrlich hängt der Schleuser-Lohn von der Anzahl der Geflüchteten ab. Das Interesse sei daher groß, so viele wie möglich auf einen Schlag zu transportieren. ´"Erst in der vergangenen Woche fanden wir zehn Menschen in einem Pkw." Eine Schleuserorganisation arbeite sehr strukturiert und sei oft europaweit vernetzt. "Es gibt den Organisator, den Finanzer und den Logistiker. Der erste sorgt sich etwa um Safe-Häuser, um die 'Ware' Mensch zwischenzulagern. Der Finanzer kümmert sich um die Geldströme, der Logistiker hat die ganze Mobilität zu leisten", erklärt Ehrlich die Hierarchien.

Verdeckte Ermittler gegen Schlepper

Einsatz-Erlebnisse seien auch für die Kollegen schwierig, sagt Henry Glaser. Schließlich würden immer persönliche Schicksale daran hängen. Es sei ja nachvollziehbar, dass die Geflüchteten versuchten, irgendwo ein besseres Leben zu finden. Aber sie seien dann auf Gedeih und Verderb den Schleusern ausgeliefert. Deren lebensgefährliche Praktiken will die Polizei deshalb nun verstärkt entgegentreten.

Bei der gemeinsamen Fahndung kommen auch verdeckte Ermittler zum Einsatz. Laut Polizeipräsident Jörg Kubiessa sollen vor allem die Strukturen der Schleuser zerschlagen werden. So wolle man weitere Informationen sammeln und Zusammenhänge erkennen, um den Schleusern das Handwerk zu legen. Die Kontrollen und die Überwachung würden sich nicht nur auf die Grenznähe beschränken.

MDR (uwa, vis)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 30. August 2023 | 19:00 Uhr

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