Tradition Junger Schnitzer aus Sosa will väterliche Werkstatt übernehmen
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02. Dezember 2023, 13:30 Uhr
Lukas Vogel hat einige helle Holzspäne in seinen dunklen Haaren. Gerade hat der junge Mann in der Werkstatt noch Zuschnitte für Schwibbögen gemacht. Nun steht er in der Schnitzkunststube seines Vaters Matthias Vogel und gibt einem hölzernen Feuerwehrmann, der in einen Schraubstock gespannt ist, den letzten Schliff. Mit unterschiedlich großen Schnitzmessern legt er die Uniform der Holzfigur in Falten. In den nächsten Jahren will der junge Holzspielzeugmacher den elterlichen Betrieb übernehmen.
- Lukas Vogel freut sich über fachliche Ratschläge und Tipps seines Vaters und Chefs Matthias Vogel.
- Das Sortiment der Sosaer Schnitzkunstwerkstatt umfasst mehr als 1.000 Figuren, Schwibbögen und Pyramiden.
- Der junge Holzspielzeugmacher setzt auf traditionelle Figuren, die er modern ins richtige Licht rücken möchte.
Wenn Lukas Vogel schnitzt, geht er ganz behutsam vor und trägt das Holz nur millimeterweise ab. Am Sockel der Figur setzt der junge Holzbildhauer aber auch schon einmal ganz beherzt einen Schnitt, sodass große Späne auf den Boden fallen. Der junge Erzgebirger hat im vergangenen Jahr seine Lehre zum Holzspielzeugmacher abgeschlossen. Nun arbeitet er im elterlichen Betrieb in Sosa und bereitet sich darauf vor, das Unternehmen zu übernehmen. "Bis dahin muss ich aber noch einiges lernen", sagt er.
Tipps vom Papa für Lukas Vogel unverzichtbar
Dabei kann er auf die Unterstützung seines Vaters bauen. Matthias Vogel kann seit einem Schlaganfall im Jahr 2017 zwar nicht mehr selbst schnitzen, ist auf einen Rollstuhl und viel Hilfe im Alltag angewiesen. Dennoch hat sich der Firmengründer nicht unterkriegen lassen und ist noch jeden Tag in seinem Betrieb. Er gibt seinem Sohn und den anderen Mitarbeitern ganz praktische Tipps. Und vor allem schaut er sich jede fertige Figur noch einmal genau an, bevor sie in den Verkauf kommt.
Matthias Vogel legt großen Wert auf handwerkliche Perfektion. Oft muss das Schnitzmesser nur noch ein- oder zweimal angesetzt werden und schon werden kleine Details - etwa im Gesicht oder an den Händen der Holzfiguren - verfeinert.
Ohne Kreativität und handwerkliches Geschick klappt das Schnitzen nicht
Immerhin ist Schnitzkunst aus dem Erzgebirge nicht zum Schnäppchenpreis zu haben. Da wollen die Vogels ihren Kunden auch feinste Figuren, Deckenpyramiden und Schwibbögen anbieten. "Es dauert je nach Größe mehrere Stunden, bis aus einem Rohling oder einem kantigen Holzklotz ein Bergmann, ein Engel oder ein Waldarbeiter wird", erzählt Lukas Vogel. Am liebsten schnitzt er mit Lindenholz.
Ein gutes Auge, eine ruhige Hand und jede Menge Geduld sollte ein Schnitzer mitbringen. Ohne Kreativität sowie handwerkliches und künstlerisches Talent klappt es auch nicht. All das bringt Lukas Vogel zwar mit. Dennoch räumt er ein, dass ihm hin und wieder auch ein sprichwörtlicher Schnitzer passiert, weil das Naturmaterial Holz anders reagiert als gedacht oder er das Schnitzmesser falsch angesetzt hat. In den allermeisten Fällen sei die Figur aber nicht verloren, sondern könne mit geübten Griffen gerettet werden, sagt er.
Aufgewachsen zwischen Holzspänen, Engeln und Bergmännern
Lukas Vogel ist mit dem Schnitzen groß geworden. Schon als kleiner Steppke stand sein Laufgitter in der Werkstatt, erinnert sich seine Mutter Angela Vogel. Sie kümmert sich in dem Familienbetrieb um Büroarbeit, Einkauf von Material und - natürlich ganz wichtig - die Vermarktung der fertigen Holzkunsterzeugnisse. Natürlich hat Lukas Vogel sich auch schon als Kind beim Schnitzen ausprobiert, erinnert sich die Familie. Erste vorzeigbare Holzschafe werden rückblickend auf 2009 datiert, da war Lukas neun Jahre alt.
Dennoch war für ihn als Jugendlicher der Beruf des Holzspielzeugmachers nicht unbedingt der Traumjob. "Ich wollte früher etwas im Rettungsdienst machen, anderen Leuten helfen." Letztendlich überwog aber nach dem Abi dann doch die Leidenschaft für die Holzkunst und - wegen der Erkrankung seines Vaters - auch eine gewisse Verantwortung für den Familienbetrieb, sagt er.
Gelernt hat er bei Kuhnert in Rothenkirchen, einem Betrieb der mit teilweise serieller Herstellung von Drechselkunst ganz anders als die väterliche Schnitzmanufaktur funktioniert. "Ich konnte dort meinen Horizont erweitern und habe viel gelernt", sagt er.
Sophie Zacher unterstützt ihren Freund im Familienbetrieb
Unterstützt wird Lukas von seiner Freundin Sophie Zacher. Sie ist ebenfalls ausgebildete Holzspielzeugmacherin, die beiden Erzgebirger haben sich bei der Lehre kennengelernt - und verliebt. Sophie ist von Marienberg zu Lukas ins Westerzgebirge gezogen und arbeitet seit gut einem Jahr im Familienbetrieb mit. Ihr Steckenpferd ist das Bemalen der Figuren. Dabei kommt es auf Genauigkeit und viele Details beispielsweise beim festlichen Bergmannshabit an, das die Bergleute bei ihren Paraden tragen.
Die Erzgebirger legen viel Wert auf Traditionen und wer einen Marienberger Obersteiger bestellt, will keinen Bergmann mit Tracht aus dem Schneeberger, Schwarzenberger oder Annaberger Revier oder schon gar keinen mit einer Fantasieuniform. Inzwischen versucht sich Sophie Zacher auch erfolgreich am Schnitzen und arbeitet sich mehr und mehr in den Familienbetrieb ein.
1.000 Figuren im Sortiment und jede Menge Sonderanfertigungen
Zum Standardsortiment gehören rund 1.000 Figuren, Schwibbögen und Pyramiden. Einen Teil des Umsatzes generiert die Firma über Sonderanfertigungen, die von Geschäftsleuten als Kunden- oder Mitarbeiterpräsente, aber auch von Privatleuten bestellt werden. Nicht selten schaffen es solche neuen Ideen später ins Sortiment. Lukas Vogel verweist auf das Paar einer Bäuerin und eines Bauern, das eine Familie in Erinnerung an ihre Großeltern anfertigen ließ. Nun kann jeder die Figuren kaufen.
Matthias Vogel hat auf Wunsch auch schon einen Grabstein geschnitzt oder repräsentative Figuren, wie zum Beispiel mehrere zwei Meter große Obersteiger, einen zwei Meter großen Brunnenbergmann, eine zwei Meter hohe Heilige Barbara oder einen 1,50 Meter großen Fußballer.
Junger Holzspielzeugmacher will Tradition ins richtige Licht rücken
Lukas Vogel will das Handwerk seines Vaters ganz traditionell mit bekannten Motiven fortsetzen. "Ich will nichts umkrempeln oder unbedingt auf modern machen", sagt er. Neue Ideen setzt er aber dennoch um. "Ich mag eine gute Beleuchtung und will die Holzkunst damit ins richtige Licht rücken", sagt er. So gibt es neu einen beleuchteten Stolleneingang, in dem eine Bergmannsfigur platziert werden kann.
Matthias Vogel freut sich, dass der Nachwuchs den Betrieb übernehmen und sein Lebenswerk fortsetzen will. "Sie machen sich beide gut", sagt er und bezieht sich dabei explizit auf Sophie und Lukas gemeinsam. Innerhalb der nächsten fünf Jahre möchte Matthias Vogel, der kommendes Jahr 60 Jahre alt wird, den Betrieb offiziell an seinen Sohn übergeben.
Die Geschichte der Schnitzkunststube von Matthias Vogel Der gelernte Werkzeugmacher Matthias Vogel hat 1990 seine Schnitzerstube gegründet. Das Handwerk erlernte er bereits als Schüler im Schnitzkunstzirkel, was in der DDR nicht unüblich war. Und ebenso verbreitet war es, im Nebenerwerb Holzkunst herzustellen. Immerhin war echte Holzkunst aus dem Erzgebirge damals wie eine zweite Währung und ähnlich hilfreich wie D-Mark. Dass ein geschnitzter Bergmann seinerzeit gegen Fliesen fürs Bad getauscht werden konnte, können sich die jungen Holzspielzeugmacher heute kaum noch vorstellen.
Was aber stellt eine Familie, die das ganze Jahr über schnitzt und Holzkunst verkauft, in die eigene Weihnachtsstube? Natürlich die traditionellen Motive, viele mit christlichem oder bergmännischem Bezug, sagt Lukas Vogel und betont: "Besonders wertvoll sind für uns dabei die Figuren, die unser Vater noch selbst geschnitzt hat."