Dirk Labudde
Dirk Labudde ist digitaler Forensiker. Er berät Ermittlungsbehörden bei Kriminalfällen und lehrt an der Hochschule Mittweida. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Experte für digitale Forensik Wie ein Professor aus Mittweida die Ermittlungsbehörden unterstützt

19. September 2023, 16:30 Uhr

Ob beim Einbruch ins Grüne Gewölbe, dem Rocker-Mord in der Leipziger Eisenbahnstraße oder beim Prozess gegen Gil Ofarim - Dirk Labudde und sein Team an der Hochschule Mittweida wurden in den letzten zehn Jahren bei rund 100 Fällen von Ermittlungsbehörden als Experten hinzugezogen. Digitale Forensik nennt sich das Fachgebiet der Wissenschaftler.

Den Begriff "Digitale Forensik" hört Dirk Labudde eigentlich nicht gern. Digitale und analoge Forensik zu trennen ist für ihn nicht zeitgemäß. "Das Aufkommen digitaler Spuren hat enorm zugenommen", erzählt er. "Es gibt keinen Fall mehr ohne Smartphone, Laptop oder Ähnliches."

Bei der Menge digitaler Informationen fühle man sich oft wie in einem Ruderboot mitten auf einem See. "Und in dem See ist alles voller Daten", sagt er. "Dann muss ich mir überlegen, wie ich zu dem Teil komme, der Informationen zum Verbrechen enthält." Dabei müsse das forensische Denken auf die digitale Welt angewendet werden.

Analoge und digitale Forensik Hand in Hand

Als Beispiel, wie analoge und digitale Forensik Hand in Hand gehen, hat er einen Fall parat. Es ging um Raubüberfälle in Spielotheken. "Es gab Videoaufnahmen der Überwachungskameras, die von der Qualität nicht sehr gut waren", erzählt Labudde. Außerdem war Bekleidung der Täter in einem Fluchtwagen sichergestellt worden.

"Wir haben die Videos analysiert und die Bekleidung genau beschrieben." Dabei konnten er und sein Team einen Fleck auf der Schulter einer Jacke feststellen. "Wir haben uns dann die Jacke ins Labor bringen lassen. Da ging es dann von der digitalen in die analoge Welt", sagt er.

Mit bloßem Auge sei nichts zu erkennen gewesen. Doch eine Bestrahlung mit unterschiedlichem forensischen Licht habe den Fleck sichtbar gemacht. "So konnten wir dieses besondere Merkmal feststellen und die Jacke aus dem Fluchtwagen den Videoaufnahmen zuordnen", so Labudde. Diese Verbindung zwischen digitalen und analogen Spuren nennt er "Missing Links". "Wie in der Evolution. Wenn wir den 'Missing Link' entdecken, können wir Fälle viel effektiver bearbeiten."

Rund 100 Fälle in zehn Jahren

Die große Gruppe der digitalen Spuren bestehe vor allem aus Protokollen, Texten, Bildern, Audios und Videos. Oft kämen Anfragen der Ermittlungsbehörden, um bei der Videoauswertung zu unterstützen. "Oft geht es auch um Videoverbesserung", sagt Labudde. "Nicht jede Kamera im öffentlichen Raum ist neu und liefert gute Qualität."

Außerdem beschäftigen er und sein Team sich auch mit Rekonstruktionen von Tatorten und Simulationen. Vier oder fünf laufende Fälle würden sie ständig bearbeiten. "In den letzten zehn Jahren sind rund 100 Fälle zusammengekommen", sagt Labudde.

Abgeschlossene Kriminalfälle als Fallbeispiele für Studierende

In den Genuss dieser Fälle kommen auch die Studierenden des Fachs "Allgemeine und digitale Forensik" an der Hochschule Mittweida, wo Labudde als Professor lehrt. "Ab dem vierten Semester bekommen die Studierenden abgeschlossene Fälle mit den kompletten Akten", erzählt er. "Dann sehen sie, wie so eine Akte überhaupt aussieht und wie man vorgeht."

Dirk Labudde
Dirk Labudde zeigt auf seinem Laptop alte Fälle, die er mit seinem Team bearbeitet hat. Bildrechte: MDR/Benjamin Jakob

Außerdem gebe es viele Anfragen von Privatpersonen. "Diese Fälle werden dann nach Absprache auch von Studierenden selbst bearbeitet, natürlich unter Anleitung", sagt Labudde. Erzählen dürfen die Studenten davon aber nichts. "Sie dürfen sagen, dass sie an diesem Fall arbeiten, mehr aber nicht." Obwohl er natürlich verstehen könne, dass Details zu Fällen sehr spannend seien.

Hohe Nachfrage zum Schutz vor Cyberangriffen

Rund ein Drittel der Studierenden fangen laut Labudde nach dem Studium bei einer Ermittlungsbehörde an. Rund zwei Drittel gehen allerdings in die freie Wirtschaft. "Da gibt es eine sehr hohe Nachfrage, da Cyberangriffe immer mehr zunehmen und Unternehmen wissen wollen, wie sie sich dagegen schützen können", sagt er.

Expertenauftritt bei Gil-Ofarim-Prozess

Seinen nächsten großen Auftritt als Experte hat Labudde im November beim Prozess gegen Gil Ofarim. Für diesen hat er in mühevoller Arbeit die Videoauswertung gemacht. Was genau dabei rausgekommen ist, kann und will er aber noch nicht verraten.

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MDR (ali)

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