Deutschlehrerin Nataliia Yurchuk mit Jegor, Jewa und Sascha
Ab Ende August gibt es bei der Integration für Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine viele Veränderungen. Auch auf die Schulen kommt einiges zu. Zu viel, befürchten manche Elternvertreter in Chemnitz. (Symbolbild) Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Vor neuem Schuljahr Kreiselternrat Chemnitz: Mehr Hilfen nötig für ukrainische Schüler

09. August 2023, 06:00 Uhr

Künftig sollen Kinder aus der Ukraine nicht mehr in gesonderten Klassen lernen, sondern schrittweise in Regelklassen an sächsischen Schulen integriert werden. In Chemnitz verursachen die Pläne vor Beginn des neuen Schuljahres Unmut bei Elternvertretern. Sie kritisieren, dass Klassen dadurch geteilt und auseinandergerissen würden und zu wenig über die Veränderungen gesprochen werde.

In Chemnitz ärgern sich Elternvertreter darüber, wie ukrainische Schüler künftig in den Regelklassen der Schulen verteilt werden. Der Kreiselternrat hat jetzt einen offenen Brief an den Oberbürgermeister und die Stadträte geschrieben. Darin verlangen Eltern, dass die Stadt reagieren müsse, wenn auf Anweisung des sächsischen Kultusministeriums 1.000 ukrainische Kinder an Schulen kommen und dadurch bestehende Klassen geteilt werden.

Im vorigen Schuljahr lernten ukrainische Schüler in reinen ukrainischen Klassen. Die werden zum neuen Schuljahr aufgelöst, die Schüler auf die Schulklassen verteilt. Der Vorsitzende des Chemnitzer Kreiselternrats, Thomas Brewig, fragt sich, wie das alles funktionieren soll.

Eltern verlangen mehr Hilfen für die Schulklassen

Um Platz für die ukrainischen Kinder zu schaffen, seien an Chemnitzer Gymnasien und einigen Oberschulen Klassen aufgeteilt worden. In diese Regelklassen sollen nun ukrainische Schülerinnen und Schüler kommen - vorerst in Schulstunden mit weniger sprachintensiven Anteilen wie Sport, Kunst oder Musik und parallel noch in speziellen Klassen Deutsch lernen. Wenn sie besser Deutsch können, sollen sie in allen anderen Fächern dazukommen.

Für die Regelklassen verlangt der Kreiselternrat mehr sozialpädagogische Unterstützung. "Das wären zum Beispiel Integrationshelfer, Sprachmittler. Das ist nur eine Notfalllösung, die Schulen zu unterstützen, damit überhaupt der Schulbetrieb aufrechterhalten werden kann", sagt Elternverteter Brewig im Gespräch mit MDR SACHSEN.

Zudem ärgert er sich darüber, dass bestehende Klassen auseinander gerissen würden, ohne dass Eltern zuvor in die Diskussion darüber einbezogen worden seien. Auch dass es fürs volle Aufrücken in die Klassen keine festen Termine geben soll, sondern dass das nach und nach passieren soll, hält er für problematisch. Die Klassen würden sich ständig ändern, was für alle schwierig sei.

Das ist neu an Sachsens Schulen bei der Integration ukrainischer Schüler Die Integration an Schulen in Sachsen erfolgt in drei Etappen. Mit Beginn des Schuljahres 2023/2024 beginnt die zweite von drei Integrationsetappen. Ukrainische Schüler besuchen gemeinsam mit anderen Schülern mit Migrationshintergrund eine Vorbereitungsklasse und werden bei ausreichenden Deutschkenntnissen schrittweise in die Regelklassen integriert. Diese Klassen soll es an Grundschulen, Oberschulen und verstärkt auch Gymnasien geben. Der Schritt in die Regelklassen beginnt mit weniger sprachintensiven Fächern.

Lehrergewerkschaft: Folgen für Schulen "dramatisch"

Unterstützung bekommt Brewig von der Erziehungsgewerkschaft GEW. Sie nennt die Forderungen des Kreiselternrates Chemnitz nach mehr Schulsozialarbeit, ukrainischen Sprachmittler sowie mehr Schulassistenz "vollkommen richtig". Denn: "Die Probleme waren absehbar. Dass diese ukrainischen Klassen nun aufgelöst und dadurch andere Klassen geteilt werden müssen, ist für die Schulen dramatisch", urteilt der GEW-Landesvorsitzender Burkhard Naumann auf Nachfrage von MDR SACHSEN. Schulen benötigten für den neuen Weg "personelle und fachliche Unterstützung, damit die Integration gelingen kann".

Naumann hat auch die Lehrerschaft im Blick, die "ohnehin überlastet" sei und nun zusätzlich viel Zeit für soziale Auseinandersetzungen und die Schaffung einer funktionierenden Lernatmosphäre benötige, "während ihnen gleichzeitig die Erfüllung des Lehrplans im Nacken sitzt." Auch die Elternarbeit mit ukrainischen Vätern und Müttern sei mit Sprach-Hürden verbunden. Die GEW verlangt daher multiprofessionelle Teams an den Schulen, mehr Schulsozialarbeit und ukrainische Sprachmittler.

Integration in gemeinsamen Klassen

Immerhin: Das grundsätzliche Ziel des Bildungsministeriums sei richtig, so die GEW. "Eine dauerhafte Unterrichtung und Integration von ukrainischen Schülerinnen und Schülern ist nur in gemeinsamen Klassen möglich", sagt Naumann. Dem stimmt auch der Vize-Landeselternrat Steffen Walther zu. Aber er hätte sich mehr Kommunikation gewünscht, welche Veränderungen anstehen. Er sieht Chemnitz gegenüber Dresden und Leipzig benachteiligt - verglichen mit der Bevölkerungsanzahl seien 1.000 zu integrierende ukrainische Schulkinder in Chemnitz für die Stadt überproportional viel.

Grundschüler aus der Ukraine sitzen in der für ukrainische Kinder eröffneten Schule in einem Klassenzimmer
Elternvertreter in Chemnitz und Sachsen sorgen sich um die Qualität des Schulunterrichts, wenn viele ukrainische Schüler in Regelklassen integriert werden, es aber keine extra pädagogische Unterstützung gibt. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Kinder aus Ukraine sollen wie andere Zugewanderte lernen können

Die neuen Regeln für den Schulbesuch ukrainischer Schüler für eine bessere Integration wurden den Schulen im März 2023 mitgeteilt, sagt der Sprecher des Kultusministeriums, Dirk Reelfs. Zur Auflösung der rein ukrainischen Klassen erklärte er: "Angesichts der traurigen Gewissheit, dass der Krieg in der Ukraine andauern wird und die ukrainischen Schülerinnen und Schüler länger in Sachsen bleiben werden, muss die Integration dieser Kinder und Jugendlichem genauso im Zentrum stehen, wie dies für Zugewanderte anderer Nationalitäten bereits geschieht." Die ukrainischen Kinder weiterhin zu separieren und ihnen "die Möglichkeit zur Integration vorzuenthalten, wäre nicht fair".

Es ist uns wichtig, dass auch Ihre Kinder hier bei uns im Schulalltag ankommen und sich schrittweise auf eine berufliche Ausbildung oder ein Studium vorbereiten.

Sächsisches Kultusministerium aus einem Elternbrief vom 29. März 2023 an ukrainische Eltern

Die Integrationsleistung der Schulen solle auf mehrere Schularten verteilt werden. "Bisher übernahmen Grundschulen und Oberschulen weit überproportional die Aufgabe der Integration", so Reelfs. Im kommenden Schuljahr sollen deutlich mehr Gymnasien einbezogen werden und sich auch an der gesellschaftspolitischen Aufgabe beteiligen. Wie viele ukrainische Schüler ab Ende August in Sachsen lernen, kann das Kultusministerium noch nicht sagen. Ministeriumssprecher Reelfs geht davon aus, dass es bei den bekannten Schülerzahlen "in etwa bleiben wird".

Zahlen aus dem vergangenen Schuljahr:

  • Im vergangenen Schuljahr waren 729 pädagogische Fachkräfte befristet eingestellt worden. Davon waren 545 Lehrkräfte, 184 Schulassistentinnen und -assistenten. Die meisten kamen aus dem ukrainischen Kriegsgebiet.
  • Die Fachkräfte waren für die Beschulung von rund 9.200 ukrainischen Kindern und Jugendlichen zuständig.
  • Die meisten ukrainischen Schüler lernten an Grundschulen und Oberschulen.
  • In der Region Leipzig wurden 2.524 geflüchtete Schüler aus der Ukraine unterrichtet, in Chemnitz 2.231 und in Dresden 2.178 (Stand: 24. Mai 2023).
  • 272 Schüler nutzten den Online-Unterricht der Ukraine (Stand: 24. Mai 2023).


Quelle: Sächsisches Kultusministerium

MDR (kk/mav)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 07. August 2023 | 15:30 Uhr

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