Dienstags Direkt - Interview "Meine Schmerzen haben uns als Paar vor enorme Probleme gestellt"

19. Oktober 2022, 15:57 Uhr

Einst fiel sie nach dem Sex in Ohnmacht - zu stark waren die Krämpfe, die sich plötzlich in ihren Unterleib gruben und nicht mehr verschwanden. Es folgten: zwölf Jahre Schmerzen, zwölf Therapeuten, die Diagnose Endometriose und eine Operation. Schmerzen hat Isabelle aus Dresden bis heute. Doch sie hat gelernt, damit umzugehen und ihre Schmerzen mit viel Konzentration auszublenden. Ein Gespräch.

Isabelle, Sie haben seit zwölf Jahren Schmerzen. Wie äußern sich diese?

Bei mir sind es Unterleibsschmerzen, die hin und wieder auftreten bis zur Bewusstlosigkeit. Dann wird mir schwarz vor Augen und ich drohe umzukippen und trete kurz weg.

Wie oft kommt das vor?

Das kam früher relativ oft vor - vor allem nach dem Verkehr. Für meinen damaligen Partner war das sehr schwierig, die Schmerzen haben uns als Paar vor enorme Probleme gestellt. Mein Freund traute sich gar nicht mehr so richtig. Einerseits wollte er mir ja etwas Gutes tun, andererseits hatte er das Gefühl, er verletzt mich. Das wollte er natürlich nicht. Mein Arzt erklärte mir allerdings, dass meine Endometriose gar nicht so sehr ausgeprägt ist - dass sie solche schlimmen Schmerzen verursachen kann.

Die Schmerzen kamen oft nach dem Verkehr. Das stellte uns als Paar vor enorme Probleme.

Isabell aus Dresden Schmerzpatentin mit Endometriose-Diagnose

Endometriose - was steckt hinter dieser Diagnose?

Das ist Gebärmutterschleimhaut, die außerhalb der Gebärmutter wächst, sich aber genauso verhält. Das heißt, sie blutet auch im Körper ab - das kann enorme Schmerzen verursachen.

Der Name Endometriose ist abgeleitet von der medizinischen Bezeichnung der Gebärmutterschleimhaut, dem Endometrium. Es kleidet die Innenseite der Gebärmutter aus. Kommt es zur Schwangerschaft, nistest sich dort das befruchtete Ei ein. Ohne Befruchtung wird das Endometrium größtenteils mit der Monatsblutung abgestoßen.

Bei der Endometriose kommt es zu Wucherungen gebärmutterschleimhautähnlichem Gewebes außerhalb des Uterus. Solche Endometriose-Herde können sich überall im Körper ansiedeln. Häufig treten sie jedoch an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell auf. Wird dieses Gewebe nicht vom Körper abgebaut, kann es sich zu Zysten oder Entzündungen entwickeln. Diese können unter anderem zu Blutungen in der Bauchhöhle, Organschäden oder Unfruchtbarkeit führen.

Wie bekommt man Endometriose?

Die Endometriose kann sich schon ab der ersten Regelblutung entwickeln. Ursachen können eine frühe erste Menstruation sein, ein kurzer Zyklus oder eine lange Blutungsdauer. Auch nach einem operativen Eingriff an der Gebärmutter oder einer späten Schwangerschaft kann es zu den Wucherungen in der Gebärmutter kommen. Manche vermuten, dass Endometriose auch vererbbar sein könnte.

Welche Symptome können auftreten?

Endometriose kann sich auf unterschiedliche Weise äußern. Manche Betroffene haben gar keine Schmerzen: Bei ihnen ist eine Behandlung normalerweise nicht nötig. Andere leiden unter extremen Regelschmerzen. Zudem kann die Monatsblutung stark und unregelmäßig sein.

Weitere Symptome, die mit den Schmerzen einhergehen können, sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen. Aber auch Unterleibsschmerzen in der Woche vor der Menstruation und Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr können ein Hinweis auf Endometriose sein. Auch Bauch- und Rückenschmerzen oder ein Unwohlsein während des Geschlechtsverkehrs und beim Frauenarztbesuch können auf eine Endometriose hindeuten.

Sie hatten also relativ schnell eine Diagnose, die jedoch nicht Ihrem Befinden entsprach?

Nein, nicht ganz. Ich habe die Schmerzen gehabt und viele Ärzte konsultiert und Therapien gesucht. Ich war beim Frauenarzt, bei der Physiotherapie, ich war bei der Ergotheraphie, bei der Ostheopathie, ich war bei der Psychotherapie. Schließlich hörte ich im Radio plötzlich einen Beitrag über Endometriose und dachte: Das kann es sein. Da hatte ich die Schmerzen jedoch schon drei bis vier Jahre.

Bis dahin wusste kein Arzt, was Sie haben?

Nein. Mit meiner eigenen Diagnose, habe ich schließlich den Frauenarzt gewechselt, die neue Gynokologin kannte die Diagnose auch. Es folgten eine Bauch- und Darmspiegelung. Dabei hat man schließlich festgestellt, dass ich Endometriose-Herde im Körper habe - es aber eigentlich nicht daran liegen kann. Im Grunde genommen habe ich immer noch keine richtige Diagnose, doch es hängt mit dem Zyklus, der Endometriose, der Psyche - mit allem zusammen.

Das klingt, als ob die Krankheit noch nicht richtig erforscht ist?

Genau. Die äußert sich bei vielen Frauen ganz unterschiedlich. Manche schränkt sie gar nicht ein, andere lassen sich in Operationen die Endometriose-Herde wegschneiden. Das ist möglich, doch die Schleimhaut kann immer wieder außerhalb der Gebärmutter nachwachsen.

Sie haben sich auch operieren lassen?

Ja, einmal. Doch regelmäßige Eingriffe habe ich abgelehnt. Meine Frauenärztin attestierte mir eine zu dicke Gebärmutterwand und vermutete, dass die starken Schmerzen auch damit im Zusammenhang stehen könnten. Letztlich empfahl sie mir eine Hormontherapie. Die anderen Ärztinnen davor empfahlen mir, meine Gebärmutter komplett herausnehmen zu lassen, sie könnten jedoch nicht garantieren, dass die Schmerzen damit wirklich verschwinden würden. Auch davon habe ich abgesehen.

Sie sind jetzt 37 Jahre alt, seit Sie 25 waren, schleppen Sie diese Schmerzen mit sich rum. Wie gehen Sie damit um?

Das ist eine schwierige Frage, weil die Schmerzen sehr abhängig von meinem Zyklus, meinem Stresspegel und auch meiner psychischen Verfassung sind. Sie kommen nach dem Geschlechtsverkehr oder nach dem Stuhlgang. Das passiert so kurzfristig, dass keine Schmerzmittel helfen. Ich habe mir also Strategien antrainiert.

Wie sehen die aus?

Erstens, dass ich ehrlich zu meinem Umfeld bin, die Schmerzen also meiner Familie kommuniziere - zumindest nach dem Stuhlgang. Der Verkehr hat meine Kinder natürlich nicht zu interessieren. Ich sage dann: 'Gebt mir eine Viertelstunde, ich brauche jetzt meine Ruhe.' Ähnlich einem Ritual lege ich mich hin, berühre mit den Händen meinen Bauch und schlafe kurz ein.

Das klingt wie autogenes Training oder Selbsthypnose?

Ja, das kann sein. Es hat mir allerdings niemand beigebracht, ich habe es automatisch selbst so gemacht, weil es mir am meisten geholfen hat. Es hat natürlich zehn Jahre gedauert. Doch es hilft mir, dass ich offen und ehrlich mit meinen Schmerzen umgehe. Ich habe es jetzt akzeptiert, dass es meine Schmerzen gibt - und das stresst mich jetzt viel weniger.

Ihre Entspannung wirkt sich also positiv auf die Schmerzen aus?

Ja. Mittlerweile wissen ja die meisten Menschen, dass es zwischen Kopf und Bauch einen Zusammenhang gibt. Zwischen Kopf und Bauch liegt 'sowohl' als 'auch'. Ich glaube, dass Körper und Seele zusammengehören. Um gut mit Schmerzen zu leben, kann es glaube ich nicht schaden, alles zusammen zu betrachten.

MDR (tom)

Mehr zum Thema

Eine junge Frau mit schwarzen Haaren 13 min
Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 18. Oktober 2022 | 20:00 Uhr

2 Kommentare

Timor Ost am 20.10.2022

Ich habe, wie Isabell[e], auch die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, sein eigener Arzt mit seiner eigenen Diagnose zu sein, um dann ganz gezielt weitere Spezialisten zur Weiterbehandlung aufzusuchen. Dann erspart man sich viel Wartezeit und Nerven.

geradeaus am 19.10.2022

Alles Gute Isabelle ^^

Mehr aus Dresden und Radebeul

Sachsen

Ein Angeklagter sitzt in einem Gerichtssaal und verdeckt sein Gesicht mit Video
Der frühere Leipziger NPD-Stadtrat Enrico B. soll für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis - so die Forderung der Bundesanwaltschaft. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa Pool/Sebastian Kahnert

Mehr aus Sachsen

Reporter und Journalisten 2 min
Bildrechte: IMAGO / Jan Huebner
2 min 03.05.2024 | 18:10 Uhr

Tag der Pressefreiheit, Dachstuhlbrand in Flöha, Elektrische Leih-Mopeds in Dresden - Drei Themen vom 03. Mai. Das SachsenUpdate kurz und knackig. Präsentiert von Lukas Meister.

MDR SACHSEN Fr 03.05.2024 18:00Uhr 01:51 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/video-pressefreiheit-gewalt-demonstration-brand-floeha-mopeds-ausleihe-dresden-sachsenupdate-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video