Prozess Geständnisse im Prozess um Juwelendiebstahl: "War selbst in Räumen des Grünen Gewölbes"

17. Januar 2023, 17:49 Uhr

Der Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden hat die Kunstwelt entsetzt. Wie konnte der Diebstahl des historischen und einmaligen Schmucks aus einem gesicherten Museum gelingen? Am Dienstag haben drei von mutmaßlich sechs Tätern gestanden. Ihre Aussagen und das, was ihre Anwälte vortrugen, lässt staunen: unbehelligte Erkundungstouren im Museum, Probeüberstiege an der Schlossmauer und dann die Motive der Angeklagten: Größenwahn, Angeberei und Geld für Drogen.

Im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe Dresden haben drei Angeklagte Geständnisse abgelegt. Damit bestätigte sich, was Ermittler früh vermuteten: Der Juwelendiebstahl wurde von Mitgliedern eines Berliner Clans geplant, vorbereitet und ausgeführt. Die Geständnisse erfolgten im Zuge eines sogenannten Deals zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und der Jugendkammer des Landgerichts Dresden. Die Absprache setzte auch die Rückgabe eines Großteils der 2019 erbeuteten Schmuckstücke voraus.

"Ich bin der mit der Taschenlampe"

"Ich war nicht nur in Dresden, sondern selbst in den Räumen des Grünen Gewölbes", sagte der 29 Jahre alte Rabieh R.. Sein Auftrag sei gewesen, mit einer bislang nicht angeklagten Person durch das zuvor präparierte Gitterfenster zu klettern, die Vitrine im Juwelenzimmer zu zerschlagen und Schmuckstücke zu stehlen, "weil ich kräftig bin und dazu bereit war". Der Angeklagte will in die ursprüngliche Tatplanung aber nicht involviert gewesen sein. Er sei zwei bis drei Monate zuvor angesprochen worden, ob er mitmachen wolle.

Idee auf Klassenfahrt entstanden - Probeüberstiege am Schloss geübt

"Die Idee war nicht von mir", sagte der Angeklagte weiter. Sie sei aus der Begeisterung "einer anderen Person" von einer Klassenfahrt ins Grüne Gewölbe und dem dort ausgestellten Grünen Diamanten entstanden, der Plan sei über ein Jahr lang entwickelt worden. Seiner Aussage zufolge seien mehrere "Probeüberstiege" über die Mauer vor dem Residenzschloss absolviert worden.

"Ich bin derjenige mit der Taschenlampe, der andere hat mir gesagt, wo es langging". Nach der Tat sei er am selben Tag noch in die Schule gegangen, sagte Rabieh R. Auf die Beute habe er keinen Zugriff. Mit dieser Aussage revidierte der 29-Jährige seine Einlassung vom März 2022. Seine Geständnis zeige, dass sein Tatbeitrag "deutlich gewichtiger" sei, als damals angegeben. So sei er auch bei zwei der Erkundungstouren nach Dresden zur Vorbereitung dabei gewesen. Weiterhin sagte er: "Ich wunderte mich, dass man sich so frei und unbemerkt dort bewegen konnte und das nicht bemerkt wurde."

Ich wunderte mich, dass man sich so frei und unbemerkt dort bewegen konnte und das nicht bemerkt wurde.

29 Jahre alter Angeklagter

Tatmotive zweier "Schmiere"-Steher: Größenwahn, Geld

Wissam R. (26) und ein weiterer 23 Jahre alter Angeklagter sagten, sie hätten nur "Schmiere" gestanden. Nach ihren Angaben waren sie mit der Brandstiftung am nahegelegenen Pegelhaus beschäftigt, um die Straßenbeleuchtung auszuschalten, beziehungsweise mit dem Bereithalten des Fluchtautos. Für den 23-Jährigen sei der Einbruch ein "echtes Abenteuer" gewesen. Er habe sich vor anderen beweisen und im Mittelpunkt stehen wollen. "Über die Konsequenzen habe ich nicht nachgedacht." Erst im Verlauf des Prozesses sei ihm die Bedeutung der Juwelen bewusst geworden. "Ich habe alles dafür getan, dass die Schmuckstücke zurückgekehrt sind, auf welche ich noch Einfluss hatte."

Der 26-Jährige Wissam R. gestand, den Stromverteiler für die Altstadt angezündet zu haben. Beim Diebstahl habe er mitgemacht, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Auch am Tattag will er "zugekokst" gewesen sein. Er bedaure die Tat mittlerweile sehr und sei froh, dass zumindest ein Teil der Beute zurückgegeben wurde. Der Mann ist bereits für den Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017 verurteilt worden. Wissam sagte, sein Anteil aus dem Goldmünze-Diebstahl sei aufgebraucht gewesen. Er habe Geld für Drogen gebraucht, deshalb habe er mitgemacht. Nach eigenen Angaben hielt er sich für einen "Meisterdieb" und sagte: "Ich war größenwahnsinnig geworden".

Wie sind die Diebe ins Museum gelangt? - Nach übereinstimmenden Aussagen der drei Angeklagten wurden Stäbe des Gitterfensters im Einstiegsbereich des Schlosses Tage vor dem Einbruch mit einer hydraulischen Schere durchtrennt und mit grauem Klebeband fixiert und übermalt, um die Spur zu vertuschen.
- Am Tattag im November 2019 stiegen die Täter durchs präparierte Fenster ein. Der 29-Jährige habe "mit der Axt das Glas zerschlagen und die Sachen in den Sack geworfen". Weil der Schmuck an fester Angelschnur befestigt war, habe es Probleme beim Herausreißen gegeben. Einige Teile seien dabei beschädigt worden, andere in der Vitrine hängengeblieben.
- Ein nicht namentlich genannter Komplize hat am Tatort Schaum aus einem Feuerlöscher verteilt, um Spuren zu verwischen.
- Zu sechst seien sie mit einem Fluchtauto in eine Tiefgarage gefahren und hätten den Wagen dort angezündet. Danach seien sie mit einem anderen Auto nach Berlin geflohen.

Quelle: epd

Der Deal mit Staatsanwaltschaft und Verteidigern

Kurz vor Weihnachten 2022 waren die meisten Schmuckstücke über einen Anwalt des 29-jährigen Angeklagten zurückgegeben worden. Der gestohlene Schmuck hat einen Versicherungswert von 113,8 Millionen Euro. Teilweise sind die Schmuckstücke beschädigt oder unvollständig, einige wertvolle Teile fehlen. Vier der sechs Angeklagten hatten der vor einer Woche geschlossenen Verständigung über einen milderen Strafrahmen zugestimmt, ein fünfter nicht. Ein sechster Angeklagter streitet eine Beteiligung mit Verweis auf ein Alibi ab.

Die Angeklagten, Brüder und Cousins, müssen sich seit Ende Januar 2022 wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung verantworten. Denn die Männer aus dem Berliner Clanmilieu sollen nicht nur an dem Diebstahl beteiligt gewesen sein, sondern setzten laut Anklage auch ein Fluchtauto in einer Tiefgarage im Stadtteil Pieschen in Brand und gefährdeten damit Menschen in darüber liegenden Wohnungen.

Aussagen könnten zu milderen Strafen führen

Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel hatte betont, für einen erfolgreichen Deal seien umfangreiche und glaubhafte Geständnisse notwendig. Für drei der Angeklagten würde dann ihm zufolge ein Strafmaß von mindestens fünf Jahren und neun Monaten, höchstens aber sechs Jahren und neun Monaten verhängt werden. Die beiden jüngsten Angeklagten müssten nach Jugendstrafrecht mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt - mit der Erklärung des vierten Angeklagten. Erst danach sollen die Geständigen befragt werden und gilt die Verständigung mit dem Gericht als bindend, sagte Gerichtssprecher Andreas Feron.

MDR (lam, kk)/epd/AFP/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 17. Januar 2023 | 05:30 Uhr

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