Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M) spricht während des Bürgerdialogs „Kanzlergespräch“
Beim Kanzlergespräch sind viele Themen wie Digitalisierung, Bildung oder Wirtschaftsprobleme angesprochen worden. Viele Fragen wurden auch zu Konflikten wie in der Ukraine und im Gaza-Streifen gestellt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Kanzlergespräch Bürger fragen Kanzler Scholz in Dresden: "Wie wollen Sie für mehr Gerechtigkeit sorgen?"

29. Februar 2024, 07:30 Uhr

Die kleine Stippvisite durch Sachsen hat Bundeskanzler Olaf Scholz zu den Elbe-Flugzeugwerken Dresden und zu einer Glashütter Uhrenmanufaktur geführt. Der Höhepunkt seiner Reise war das Kanzlergespräch am Donnerstagabend in Dresden. Dort hat sich Scholz den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu Themen wie Rente, kriegerischen Konflikten oder Erziehung gestellt. Seine Antworten überzeugten nicht jeden.

In einer alten Kraftwerkshalle - heutzutage eine Veranstaltungsstätte - sitzen viele Menschen in mehreren Sitzreihen. 150 Bürgerinnen und Bürger sind am Donnerstagabend im "Stromwerk - Kulturarena Kraftwerk Mitte" in Dresden zum Kanzlergespräch mit Olaf Scholz zusammengekommen. Der Bundeskanzler steht in der Mitte der großen Ziegelhalle und wartet auf ihre Fragen.

Anfangs sind die Leute noch zögerlich. Einer der Ersten, der sich traut, ist Lars Reiche. "Ich sehe überall Altersarmut auf den Straßen", sagt der 20-Jährige ins Mikrofon. "Ich habe das Gefühl, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Das sorgt für soziale Spaltung", befürchtet der Dresdner. Die Bundesregierung tue nichts, meint er. "Wie wollen Sie für mehr Gerechtigkeit sorgen", fragt Reiche den Kanzler.

Was tun gegen Ungleichheit und Altersarmut?

Scholz stimmt zu: "Für einige Menschen reicht die Rente nicht." Doch es stimme nicht, dass nichts passiere. Er verweist auf die Einführung der Grundrente und Rentenerhöhungen. Das Wichtigste aus seiner Sicht: "Eine gute und sichere Beschäftigung." Diese ermögliche eine sichere Rente im Alter. "Wir müssen den Leuten ein stabiles Rentenniveau garantieren", hebt Scholz mehrmals hervor.

Bürger beim Scholz-Besuch Dresden
Eine stabile Rente findet Lars Reiche gut. Aber: "Eine stabile Rente garantieren ist zwar nett gesagt, aber ob das in den nächsten Jahrzehnten eintritt, müssen wir sehen", sagt der Dresdner. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Zu sagen, dass das Rentenniveau einfach gleich bleibt, ist nicht genug für mich.

Lars Reiche wohnt in Dresden

War die Antwort ausreichend? "Ich bin etwas zwiegespalten. Herr Scholz hat Recht, dass die Bundesregierung schon einiges getan hat für die Rente", sagt er. Aber es müsse mehr passieren. Deutschland sei im Rentenniveau im europäischen Vergleich weit hinten. "Zu sagen, dass das Rentenniveau einfach gleich bleibt, ist nicht genug für mich", zieht Reiche sein Fazit.

Krieg in Ukraine und Gaza bereitet vielen Sorgen

Sicherheitsfragen nehmen an diesem Donnerstagabend viel Raum ein. Es gibt viele Meldungen zum Ukraine-Krieg, aber auch zum Krieg im Gazastreifen. Was deutlich wird: Die Leute sorgen sich sehr deswegen. "Warum haben Sie sich für die Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden?", fragt ein Mann aus dem Publikum. "Wir müssen auf ein unglaubliches Ereignis reagieren", antwortet Scholz ihm. Putin sei es gewesen, der die Ukraine überfiel. Man dürfe "mit Gewalt keine Grenzen versetzen", betonte der Kanzler.

Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in Dresden den Fragen von 150 Gästen gestellt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Die Diplomatie mit dem russischen Präsidenten sei schon vor Kriegsausbruch gescheitert, so der Kanzler. Für den SPD-Politiker sei wichtig: "Wir werden eine Eskalation in Europa verhindern. Deswegen setzen wir keine Bodentruppen in der Ukraine ein." Viele Leute im Publikum applaudieren.

Auf manche Fragen nicht eingegangen

Eine junge Frau mit rötlich-gelockten Haaren meldet sich. Deutschland habe sich in Sachen europäisches Lieferkettengesetz unglaubwürdig gemacht, meint Anna Müller. "Warum scheiterte das Gesetz an Deutschland?", fragt die 23-Jährige den Kanzler. Sie verstehe nicht, wie so ein Projekt, auf das so viele Jahre hingearbeitet wurde, einfach so fallen gelassen werde.

Scholz überlegt kurz und verweist dann auf die Schwierigkeiten in der EU. Dort müssten sich alle Staaten einig sein, eben auch beim Lieferkettengesetz. "Ich hoffe, dass da ein neuer Anlauf genommen wird", sagt der Kanzler.

Bürger beim Scholz-Besuch Dresden
Anna Müller findet das Format des Kanzlergesprächs richtig gut. Gerade die Fragen der anderen Gäste interessieren sie sehr. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Er hat auf viele Fragen bisher kompetent geantwortet, aber auf meine irgendwie nicht.

Anna Müller Studentin

Wirklich zufriedenstellen kann der Bundeskanzler Anna Müller nicht. "Er hat auf viele Fragen bisher kompetent geantwortet, aber auf meine irgendwie nicht", sagt die Dresdner Studentin für Internationale Beziehungen und lacht. Der Bundeskanzler sei auf ihre Frage nicht wirklich eingegangen. Aber spannend findet Müller das Kanzlergespräch wegen der vielen anderen Fragen trotzdem.

Fragen zur Erziehung und Hilfe für Eltern

So wie auch die Frage von der Erzieherin Natalie Trotzki: "Wie lange soll das weitergehen? Wie sollen wir das als Erzieherinnen schaffen?" Sie habe in drei Bundesländern gearbeitet. Doch überall das Gleiche: Wegen fehlenden Personals sei das Stresslevel sehr hoch.

"Man kann solche Leute wie Sie nicht backen", sagt Olaf Scholz der jungen Frau verständnisvoll. Man dürfe nicht auf neue Fachkräfte warten, sondern müsse jetzt handeln, um sie zu gewinnen. Das betreffe den Erzieherbereich wie auch die Pflege. "Wir bekommen sonst Probleme", so der Bundeskanzler.

Bürger beim Scholz-Besuch Dresden
Auch wenn Olaf Scholz sie bei ihrem Anliegen nicht überzeugt hat, habe er dennoch eine gute Figur gemacht, sagt Lydia Stets. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Er hat souverän geantwortet.

Lydia Stets Sozialpädagogin

Fragen zur Erziehung hat auch Lydia Stets. Sie finde es ungerecht, dass in manchen Bundesländern die Kita-Betreuung kostenlos ist, sagt die Mutter von zwei Kindern. "Das Kindergeld, das wir vom Staat bekommen, reicht nicht mal für die Kita-Plätze", sagt die Dresdnerin.

Auch die Kindergelderhöhung - auf die Scholz während des Kanzlergesprächs hinweist - reiche da einfach nicht aus. Deswegen sei auch sie nicht ganz zufrieden mit den Antworten des Kanzlers. Aber: Aus ihrer Sicht habe Scholz dennoch bei vielen Fragen eine gute Figur gemacht: "Er hat souverän geantwortet."

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 29. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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