Generationenwechsel Radebeul: Bei der Lößnitzgrundbahn darf der Nachwuchs ran

31. Oktober 2023, 12:42 Uhr

Auf der Lößnitzgrundbahn von Radebeul-Ost nach Radeburg über Moritzburg übernehmen junge Leute Verantwortung. Zugchefin, Lokführer und Heizer sind zwischen 19 und 24 Jahre alt und alleine auf der Strecke unterwegs. Zum Vergleich: Die Lok am Zug ist Baujahr 1929, also älter als das gesamte Zugteam zusammen. Bei der Sächsischen Dampfeisenbahn-Gesellschaft hofft man, mit eigenem Nachwuchs das Personalproblem dauerhaft in den Griff zu bekommen.

Menschen vor Lokomotive
Maximilian Häslich, Celine Lang und Kevin Richter vor ihrer "Jugendlok" in Radebeul-Ost. Nach dem Wasserfassen kommt das Dampfross an den nachmittäglichen Personenzug nach Radeburg. Bildrechte: MDR/L. Müller

Zugchefin Celine Lang hat gerade die Bremsprobe beim Mittagszug nach Moritzburg erledigt. Die 19-Jährige meldet Lokführer Kevin Richter, dass der Zug pünktlich zur Abfahrt bereit ist. Der 21-Jährige bestätigt das, indem er Zugnummer und Abfahrtszeit noch einmal wiederholt. Sein 24 Jahre alter Heizer Maximilian Häslich legt unterdessen noch eine Schippe Steinkohle nach und los geht es. Routiniert setzt der Lokführer den Zug sanft in Bewegung. Die vielen Bahnübergänge im Stadtgebiet von Radebeul fordern zunächst die ganze Aufmerksamkeit des Lokpersonals. Heizer und Lokführer haben die Strecke genau im Blick.

Dampflok ist 30 Jahre älter als das gesamte Zugteam zusammen

An diesem Tag hat quasi die Jugendbrigade der Lößnitzgrundbahn Dienst - auch wenn sie offiziell nicht so heißt. Dreimal Radebeul - Moritzburg und zweimal Radebeul - Radeburg jeweils mit den Rückfahrten sieht der Fahrplan vor. Das Dampfross 99 747 - eine Altbaulok Baujahr 1929 - ist auf Hochglanz poliert. Das Messingschild mit Loknummer und den Messingring am Schornstein haben die jungen Leute selbst angebracht. "Wir betreuen die Lok", sagt Heizer Maximilian Häslich. An der Seite kann das jeder lesen: Dort steht "Jugendlok" mit Verweis auf die Einsatzstelle Radebeul-Ost. Jugendlok sei diese Maschine schon bei der Deutschen Reichsbahn gewesen, erzählt der Heizer. Damals haben die jungen Eisenbahner ihr Dampfross intern "Tamara" genannt, Maximilian Häslich nennt die Lok immer noch so.

Menschen in und an Lokomotive
Heizer und Lokführer kontrollieren vor der Fahrt ihre Lok und füllen den Wasser- und Kohlevorrat auf. Bildrechte: MDR/L. Müller

Lokführer kennen sich mit historischer Technik aus

Lokführer Kevin Richter gehört zu den jüngsten Lokführern in Deutschland, auf Dampfloks könnte er sogar der jüngste sein, meint er. Er hat bei der Sächsischen Dampfeisenbahn (SDG) gelernt - ganz klassisch zuerst Industriemechaniker, dann Heizer und Lokführer. "Ich habe Loks auseinander- und wieder zusammengebaut", sagt er. Das sei ein großer Vorteil. "Ich weiß beim Betätigen jeden Hebels, was in der Maschine passiert." Kleine Reparaturen seien kein Problem.

Heizer auf einer Dampflok
Wenn Maximilian Häslich einen Tag als Heizer arbeitet, schaufelt er locker 1,5 Tonnen Steinkohle - im Winter, wenn die Heizung in den Waggons aufgedreht ist, auch noch mehr. Bildrechte: MDR/L. Müller

Inzwischen ist der Zug im Lößnitzgrund angekommen. Heizer Maximilian Häslich legt Kohle nach, gleich beginnt der Anstieg hinauf nach Friedewald. Auch der Heizer ist ausgebildeter Lokführer, hat im Harz gelernt. Rund 1,5 Tonnen muss er an einem Tag auf der Lößnitzgrundbahn in die Feuerbüchse schaufeln, wenn er den Heizer-Dienst hat. Lokführer Kevin Richter erklärt: "Es ist gut, wenn wir hier Schwung mitnehmen können." Die beiden Lokführer kennen die Strecke genau, wissen um die Tücken der unbeschrankten Bahnübergänge und kennen die Stellen, wo nasses Laub im Herbst die Schienen besonders glitschig macht.

Viel Verantwortung für alte Technik

Es sei "schon cool, welche Verantwortung wir übernehmen dürfen", sagt Kevin Richter mit ein wenig Stolz in der Stimme, während er die Aussicht bei der Fahrt über den Damm des Dippelsdorfer Teichs genießt. "Das ist meine Lieblingsstelle auf der Strecke", sagt er. Die Einfahrt nach Moritzburg ist frei. Der Lokführer runzelt aber die Stirn, weil die vielen Fahrgäste am Bahnsteig ziemlich nah am Gleis stehen. Heizer Maximilian Häslich gestikuliert, die Leute sollen etwas zurück treten. Ganz langsam zuckelt der "Lößnitzdackel" in den Bahnhof.

Schild an Lokomotive
Die 99 1747 oder auch kurz 99 747 ist traditionell die Jugendlok bei Lößnitzgrundbahn. Das bezieht sich bei dem Dampfross aus dem Baujahr 1929 freilich auf Personal. Bildrechte: MDR/L. Müller

Nun muss es recht schnell gehen. Die Lok muss ans andere Zugende rangiert werden. Zuvor schaut das Lokpersonal, ob keine Lager am Gestänge "ihrer Tamara" heiß gelaufen sind. Kevin Richter sagt ganz trocken und mit einem Augenzwinkern: "Wir gucken, ob noch alles dran ist." Seine Erfahrung sieht man dem 21-Jährigen nicht sofort an: Er sei auch schon von Fahrgästen am Bahnsteig gefragt worden, wo denn der Lokführer sei. "Ich habe ihnen gesagt: Der steht vor ihnen."

Zugchefin gibt auch Tipps für Ausflüge

Zugchefin Celine Lang beantwortet am Bahnsteig Fragen von Reisenden, begleitet eine Grundschulklasse und eine Gruppe aus der Jugendherberge Radebeul zu ihrem reservierten Wagen. Die Erzgebirgerin hat bei der Fichtelbergbahn in Oberwiesenthal Kauffrau für Touristik und Freizeit gelernt und ist nun innerhalb der SDG auf eine freie Stelle ins Elbtal gewechselt. Besonders gefällt ihr der Streckenabschnitt, wo die Schmalspurbahn unterhalb der Weinberge in den Lößnitzgrund eintaucht.

Nachdem die Lok ans andere Ende des Zuges rangiert ist und gekuppelt hat, steht wieder die obligatorische Bremsprobe an. Mit zwei Minuten Verspätung geht es zurück nach Radebeul-Ost. "Sicherheit geht vor pünktlicher Abfahrt", sagt Celine Lang selbstbewusst. Sie ist formal auch die Chefin des Lokpersonals, wenngleich die jungen Leute auf Augenhöhe miteinander agieren. Bei der Fahrkartenkontrolle wird die 19-Jährige von einem Schaffner-Kollegen unterstützt.

Mann an Lokomotive
Maximilian Häslich überwacht das Kuppeln. Ein Zug samt Lok hat eine Masse von 140 Tonnen. Bildrechte: MDR/L. Müller

Bahnbetreiber setzt auf Nachwuchs

Betriebsleiter Mirko Froß ist spürbar zufrieden mit der Arbeit der Nachwuchseisenbahner. "Wir brauchen die jungen Leute, wir wollen ja langfristig den historischen Eisenbahnbetrieb anbieten", sagt er. Immer mehr langjährige Kollegen erreichten das Rentenalter. Um den Nachwuchs dauerhaft zu halten, müsse man ihnen Verantwortung übertragen. "Sie sind gut ausgebildet und zuverlässig, wir nehmen die Prüfungen ab und kennen alle genau." Dass sich die jungen Eisenbahner so liebevoll um ihre "Tamara" – eben jene 99 747 kümmern – sei ein Beweis dafür, dass sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren.

Und was die jungen Leute noch betonen: Sie nehmen gerne Ratschläge ihrer gestandenen Eisenbahner-Kollegen an, die über Jahrzehnte Erfahrungen gesammelt haben.

Sperrpause für Streckensanierung Vom 1. November bis 19. November gibt es eine Betriebspause auf der Lößnitzgrundbahn. In dieser aus Erfahrung nachfrageschwachen Zeit finden Bauarbeiten statt, so werden zwischen Moritzburg und Radeburg alte Holzschwellen durch moderne Kunststoffschwellen aus Recyclingmaterial ersetzt. Auch auf der Weißeritztalbahn (Freital-Hainsberg - Kurort Kipsdorf) finden in dieser Zeit wegen Wartungsarbeiten keine Zugfahrten statt. Ein Ersatzverkehr mit Bussen wird auf beiden Strecken nicht angeboten. Sächsische Dampfeisenbahn-Gesellschaft

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 26. Oktober 2023 | 09:30 Uhr

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