Ein Mann im Anzug sitzt auf einem Stuhl und stützt den Kopf auf seine Faust, er hält ein dickes, aufgeschlagenes Buch in der anderen Hand. Rings um ihn herum stapeln sich Akten. 4 min
Igor Tuleya ist seit 1996 Richter in Warschau und will die Werte Polens verteidigen: "Wir mögen machtlos sein, aber wir sind nicht wehrlos." Bildrechte: PIOTR WÓJCIK
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Stiftung Forum Recht Foto-Ausstellung in Leipzig: Polens schwerer Weg zurück zum Rechtsstaat

16. Februar 2024, 15:24 Uhr

In Leipzig geht eine Ausstellung der Frage nach, was passiert, wenn die Politik einen Rechtsstaat aushebelt. Der Fotograf Piotr Wójcik hat für seine Fotoausstellung "Sprawiedliwość - Gerechtigkeit" Richterinnen und Staatsanwälte in Polen befragt und fotografiert. Die Fotos sind ab 16. Februar als Schaufensterausstellung in der neuen Stiftung Forum Recht zu sehen. Im vergangenen Jahr war die Stiftung einiger Kritik ausgesetzt.

Mit 32 Fotografien und einordnenden Texten zeigt die Ausstellung "Sprawiedliwość – Gerechtigkeit" den Widerstand polnischer Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte gegen eine "Aushöhlung des Rechtsstaats". Der Fotograf Piotr Wójcik inszeniert sie in seinen Porträts mal als Helden, mal als Denker, mal in nachgestellten Fahndungsfotos.

Ein Mann mit kurzem, hellem Haar, Dreitagebart, weißem Hemd und dunkler Jacke blickt in die Kamera
Der Fotograf Piotr Wójcik wurde durch die Großdemonstrationen in Polen auf das Thema Rechtsstaat aufmerksam. Bildrechte: Piotr Wójcik/Picture Doc

Aufgrund ihres Engagements für eine freie Justiz hätten sie immer mit Repressionen durch die rechtskonservative PiS-Regierung rechnen müssen. "Deswegen habe ich mich entschlossen, sie so zu fotografieren, wie wir es von den Fotos der Verbrecher kennen", sagt Wójcik.

Auftakt für Jubiläumsjahr 75 Jahre Grundgesetz

Einige der Bilder und Begleittexte sind ab 16. Februar am Leipziger Standort der Stiftung Forum Recht in der Universitätsstraße zu sehen. Die Schaufensterausstellung ist der Auftakt für das Themenjahr "In guter Verfassung? Die Zukunft des Rechtsstaats", das die Stiftung anlässlich 75 Jahren Grundgesetz für 2024 ausgerufen hat.

Eine Frau mit runder Brille und zurückgebundenem, hellem Haar blickt in die Kamera. Sie trägt eine schwarze Robe mit roten Akzenten.
Einige Fotografien sind bewusst im Stil eines Fahndungsfotos inszeniert. Auf diesem ist die Staatsanwältin Katarzyna Szeska zu sehen. Bildrechte: PIOTR WÓJCIK

Mit der Ausstellung wolle man verdeutlichen, dass die Rechtsstaatlichkeit, wie wir sie in Deutschland vorfinden, "keine Selbstverständlichkeit" sei, sagt der stellvertretende Stiftungsdirektor Stephan Barthelmess. Dafür reiche der Blick ins Nachbarland Polen, wo "die PiS-Regierung das polnische Justizsystem grundlegend umgebaut hat".

Fotograf warnt vor möglichen Gefahren

Das unterstreicht auch Piotr Wójcik. Er will mit der Ausstellung ein Warnsignal senden: "Ich hoffe, dass die Ausstellung rufen, vielleicht sogar schreien wird: 'Passt auf!' Es gibt nichts, was ewig ist. Und so etwas wie in Polen kann überall auf der Welt passieren."

Ich hoffe, dass die Ausstellung rufen, vielleicht sogar schreien wird: 'Passt auf!'

Piotr Wójcik

Damit sich mehr Menschen auch in Deutschland mit dem Thema Rechtsstaat auseinandersetzen, wurde 2019 die Stiftung Forum Recht gegründet. Als Standorte wurden die Städte Karlsruhe und Leipzig ausgewählt.

Neubauten in Karlsruhe und Leipzig geplant

Dort sollen 2030 Gebäude eröffnen, in denen Recht und Gesetz in Ausstellungen "erfahrbar gemacht" werden. Mehrere hunderttausend Menschen sollen pro Jahr die Einrichtungen besuchen. Im Juni 2023 wurde in Leipzig zunächst ein Interimsstandort in der Innenstadt eröffnet.

Ein Konferenztisch steht in einem Innenraum. An den bodentiefen Fenstern, die zur Straße zeigen, hängen Fotografien.
Der Leipziger Interimsstandort ist zu klein für eine umfangreiche Fotoausstellung. Deswegen sind die Fotografien in den Schaufenstern platziert. Bildrechte: MDR/Philipp Baumgärtner

Am Leipziger Standort arbeiten acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bisher gibt es keine Öffnungszeiten. Deswegen und auch aufgrund der kleinen Räumlichkeiten kann die Fotoausstellung nur in den Schaufenstern stattfinden und nicht wie die umfangreichere Version am Standort Karlsruhe in Ausstellungsräumen.

Kritik an der Stiftungsarbeit

Die Reichweite der Stiftung ist sowohl digital als auch an den Standorten noch nicht dort, wo sie mal sein soll. "Es ist natürlich so, dass das noch nicht dem entspricht, was wir gerne haben wollen", gesteht Stephan Barthelmess ein.

Vor anderthalb Jahren wollte die AfD-Bundestagsfraktion die Stiftung mithilfe eines Gesetzes wieder abschaffen. Die Stiftung habe bislang "keine nennenswerten Arbeitserfolge" erzielt, hieß es. Das "Forum Recht-Abwicklungsgesetz" wurde von den anderen Fraktionen zurückgewiesen.

Dr. Stephan Barthelmess: Eine schwarz-weiß Aufnahme von einem Mann in Anzug
Stephan Barthelmess leitet die Stiftung seit 2023, nachdem die bisherige Direktorin zurückgetreten war. Bildrechte: Paul Gärtner

Kritik kam wenig später auch vom Bundesrechnungshof. Dort hieß es: "Die Stiftung Forum Recht sollte zunächst mit inhaltlicher Arbeit überzeugen und belegen, inwieweit sie Menschen für den Rechtstaat (zurück-)gewinnen kann." Der Rechnungshof stellte im Zuge dessen auch die Neubauten in Leipzig und Karlsruhe infrage.

Gute Nachrichten für die Stiftung

Die Stiftung reagierte auf die inhaltliche Kritik und wird weiterhin finanziell unterstützt. Die Förderung aus Bundesmitteln liegt aktuell bei 3,6 Millionen Euro. Wenn alles laufe wie geplant, solle diese Summe mal auf 12 Millionen Euro steigen, sagt der stellvertretende Direktor Barthelmess. Das dürfte erst der Fall sein, wenn die neuen Gebäude in Karlsruhe und Leipzig bezogen sind.

Im Haushalt 2024 habe sich der deutsche Bundestag zum Projekt bekannt und auch die Baupläne am Standort Leipzig würden weiterhin geprüft, sagt das Bundesjustizminsterium auf Anfrage von MDR KULTUR. Eine Aussetzung der Förderung steht also nicht zur Debatte.

Blick in eine Straße mit grünen Bäumen. Rechts befindet sich ein Gebäude im Stil eines Ladengeschäfts mit tiefen, großen Schaufestern, in denen orange-weiße Plakate hängen.
Nicht weit vom zukünftigen Standort der Stiftung Forum Recht am Wilhelm-Leuschner-Platz entfernt: Das Interimsquartier in der Universitätsstraße. Bildrechte: Iona Dutz

In Leipzig soll die Stiftungseinrichtung Teil eines großen Gebäudekomplexes auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz werden. Ob es mit dem Bezug der neuen Räumlichkeiten 2030 klappt, da ist sich Stephan Barthelmess unsicher: "Ich weiß ja nicht, man kann immer noch an Wunder glauben."

Informationen zur Ausstellung "Sprawiedliwość - Gerechtigkeit"

Die Ausstellung ausgewählter Bilder findet am aktuellen Leipziger Standort der Stiftung Forum Recht statt. Die Bilder sind in den Schaufenstern jederzeit einsehbar. Einige der Fotografien und dazugehöriges Begleitmaterial sind auch online zu sehen.

Standort Leipzig
Universitätsstraße 20
04109 Leipzig

Zusätzliche Veranstaltung
7. März, 19 Uhr
Podiumsdiskussion
"Polen nach den Parlamentswahlen: Wie kann ein Rechtsstaat wiederaufgebaut werden?"

Quellen: MDR KULTUR (Philipp Baumgärtner)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Februar 2024 | 16:10 Uhr

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