Streit in Erfurt Spielplätze in Kleingartenanlagen: Wer zahlt den Tüv?

16. August 2022, 16:58 Uhr

In Erfurt gibt es 119 Kleingartenanlagen. In vielen gibt es auch Spielplätze. Wie viele es sind, wissen weder die Stadt noch der Stadtverband der Kleingärtner. Geschätzt dürften aber mindestens in jeder dritten Kleingartenanlage auch eine Schaukel oder eine Wippe für kindlichen Freizeitspaß sorgen. Diese Spielplätze müssen regelmäßig kontrolliert, repariert und einmal im Jahr vom Tüv abgenommen werden. Darüber, wer künftig die Kosten für diese Tüv-Prüfung übernimmt, gibt es aktuell Streit.

Rot-weißes Flatterband sperrt die Spielgeräte in der Kleingartenanlage "Erdbeere" in der Erfurter Kalkreiße ab. Der Spielplatz ist aus technischen Gründen gesperrt, verkündet ein Blatt Papier am Flatterband. Es fehlt der Tüv. Einmal im Jahr ist der fällig und kostet so um die 100 bis 150 Euro. Der Vorstand der Kleingartenanlage sieht nicht ein, dass die Kleingärtner das bezahlen sollen. "Die Spielplätze in den Anlagen sind doch für alle da, sind öffentlich zugänglich. In der Nähe haben wir einen Kindergarten, gerade die Kleinsten nutzen unsere Spielgeräte sehr gern, also muss auch die Stadt für den Tüv und die Sicherheit zahlen", glaubt Vorstandschef Jürgen Itzeplitz.

Die Spielplätze in den Gartenanlagen würden auch immer lobend mit erwähnt, wenn es darum geht, dass sich Erfurt als kinderfreundliche Stadt darstellt, fügt Frank Möller an. Der neugewählte Vorsitzende des Stadtverbandes der Kleingärtner will das mit der Stadt neu geregelt wissen. "Das Schlimmste wäre, wenn wir die Spielplätze in den Kleingartenanlagen stilllegen müssten. Das würde unserem Ziel konträr entgegenstehen, Kinder- und Jugendarbeit zu fördern", sagt er.

Kosten für Tüv werden nicht übernommen

In der Anlage "Erdbeere" war man vor Wochen sehr verwundert, als der Vorstand im Gartenamt anfragte, wann denn nun die nächste Tüv-Prüfung ansteht. "Da muss ja jemand vom Verein dabei sein. Man hat uns gesagt, es würden keine Kosten übernommen, für den Tüv seien wir zuständig", erinnert sich Michael Schmidt, der seit Jahrzehnten in der Anlage einen Garten gepachtet hat. "Wir hatten das Geld gar nicht in den Haushalt eingestellt."

Die Kleingartenanlage "Erdbeere" zählt 200 Gärten und hat etwa 350 Mitglieder. Der eine oder andere werde sicher den Anteil für die Tüv-Prüfung und die geforderte vierteljährliche Begehung bezahlen: "Aber wir haben ja im Einvernehmen mit der Stadt Bänke aufgestellt, Rasen gemäht und nun haben wir den Eindruck, es wird immer mehr auf Ehrenamtler abgewälzt."

Pachtvertrag mit Stadt Erfurt soll geändert werden

Tatsächlich ist die Verkehrssicherungspflicht, zu der auch die Tüv-geprüfte Sicherheit auf den Spielplätzen gehört, klar geregelt. Im Generalpachtvertrag, den die Stadt mit dem Stadtverband der Kleingärtner geschlossen hat, heißt es wörtlich: "Der Stadtverband Erfurt der Kleingärtner e.V. übernimmt für das Pachtobjekt nebst Aufbauten, Einrichtungen und Anlagen einschließlich der Kinderspielplätze die Verkehrssicherungspflicht."

Der Vertrag stammt aus dem Jahr 1997 - ist somit 25 Jahre alt. "Wir wollen ihn überarbeiten, denn wir haben den Eindruck, dass der Stadtverband bestimmte Dinge nicht mehr leisten kann, zu dem er sich verpflichtet hat. Deshalb müssen wir darüber reden. Das betrifft zum Beispiel auch das Beschneiden der Bäume auf dem öffentlichen Gelände in den Kleingartenanlagen", erklärt Stephan Wunder, Abteilungsleiter für Flächenmanagement im Garten- und Friedhofsamt Erfurt, den Hintergrund. Doch wie immer steckt der Teufel auch hier im klitzekleinen Detail.

In diesem Jahr dürfen einmalig alle ihre Rechnungen bei uns einreichen.

Stephan Wunder Gartenamt Erfurt

Die Stadt hatte selbst vor Jahren Spielplätze entlang des Kleingartenwanderweges aufgestellt und für diese Plätze zahlt die Stadt auch den Tüv. "Und daraus sei offenbar der Gedanke entstanden, wir übernehmen für alle alles", so Wunder. "Ich habe aber auch Kleingärtner, die regelmäßig ihren Tüv bestellen und bezahlen. Ich bin nun mal auch ans Haushaltsrecht gebunden, und wenn ich eine vertragliche Regelung habe, darf ich gar nicht von Einzelnen die Rechnung übernehmen."

Auch Verwaltung will Pachtvertrag neu aushandeln

In diesem Jahr - im Zuge der Gleichbehandlung - wird eine Ausnahme gemacht. "Wir haben ein Budget für den Kleingartenwanderweg. Da wird in diesem Jahr dort nichts gemacht, das Geld nehme ich jetzt fürs Bezahlen der Tüv-Protokolle. In diesem Jahr dürfen einmalig alle ihre Rechnungen bei uns einreichen", sagt Wunder.

Einfach zu sagen: 'Stadt übernimm du mal das und zahl' - so geht es auch nicht.

Sascha Döll Gartenamt Erfurt

Langfristig aber will die Stadt den Generalpachtvertrag mit dem Stadtverband neu aushandeln. Immerhin überlasse sie den Kleingärtnern das Gartenland für kleines Geld, momentan für 13 Cent pro Quadratmeter. Dafür muss ich aber auch was tun", gibt Gartenamtschef Sascha Döll zu Bedenken.

"Wir müssen darüber reden, was kann der Stadtverband noch leisten, was nicht. Wir haben in den Kleingärten auch einen Generationenwechsel, Leute fürs Ehrenamt zu finden, wird immer schwieriger. Aber einfach zu sagen: 'Stadt übernimm du mal das und zahl' - so geht es auch nicht."

Gartenamt mit neuer Grundsteuerberechnung beschäftigt

Eigentlich sollten die Gespräche zum neuen Generalpachtvertrag schon im Detail laufen. Doch das Gartenamt hat im Moment mit der Datenerhebung für die neue Grundsteuerberechnung mehr als genug zu tun. "Wir müssen für alle 8.800 Gärten alles erfassen, alles abfragen, jede Flurstücknummer eingeben, nachfragen, wie sieht die Datsche aus, was wurde wann wie angebaut und müssen es dann noch ins Elster-Formular eingeben. Das bindet aktuell alle Ressourcen", sagt Sachgebietsmitarbeiterin Friederike Pfeffer.

Erst wenn Ende Oktober alles bei den Finanzämtern abgegeben ist, könne überall die anderen Dinge rund ums Kleingartenwesen wieder geredet werden. Damit bis dahin aber nicht Dutzende Spielplätze mit Flatterband abgesperrt bleiben, gibt es die Kulanzlösung für dieses Jahr. Einmalig übernimmt die Stadt die Tüv-Kosten.

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. August 2022 | 17:00 Uhr

6 Kommentare

Aster am 17.08.2022

Ich kann die Kommentare zu obigen Artikel verstehen. Aber die Aussagen in dem Bericht sind so nicht ganz richtig.
Der TÜV für einen Spielplatz kostet mindestens 150,00 Euro. Dazu kommen noch die Reisekosten der Prüfer sowie Kosten für die Erstellung des Prüfberichtes von mindestens 100,00 Euro. Ausserdem muß vierteljährlich eine operative Inspektion durchgeführt werden, welche auch mindestens 100,00 Euro pro Inspektion kostet.
Das ist aber nicht alles. Was ist, wenn Mängel an den Spielgeräten beseitigt werden müssen. So kommen schnell mal 1000,00 bis 1500,00 Euro zusammen.
Die Spielgeräte in der "Erdbeere" wurden durch die Stadt Erfurt bzw. Garten- und Friedhofsamt aufgestellt und bis 2021 auch durch diese geprüft.

Andrea... am 16.08.2022

Da tut mir alles weh. Wegen so einer Pillepalle die Stadt zu bewegen. Wir sollten doch alle Freunde daran haben, wenn die Kinder spielen können. Diese Kinder verdienen mal unsere Rente und die Kosten sind doch überschaubar. Ich bin 60+ habe meine Kindheit in der Erdbeere verbracht, die Eltern konnten ein Bier trinken, etwas kleines essen und für mich war auch gesorgt. Ich war glücklich. Heute macht man aus allem ein Problem. Wir müssen alle gemeinsam aufpassen, dass wir keine "Reichsbedenkentrährtnation" werden. Kinder sin das wertvollste, was wir haben.

_martin_ am 16.08.2022

Kleingärten genießen eine ganze Reihe rechtlicher Vorteile. Um das zu rechtfertigen gelten sie in ihrer Gesamtfläche als öffentliche Grünflächen, müssen sie sogenannte Gemeinschaftsanlagen (dazu gehören die Spielgeräte) vorhalten und die Wege und Gemeinschaftsanlagen müssen öffentlich zugänglich sein. Von letzterem haben viele Kleingärten in Erfurt offenbar noch nichts gehört, da sind die Tore meist verrammelt. Dazu passt, daß zig oder gar hundert Kleingärtner nicht in der Lage oder Willens sind zusammen die 100 Euro für den TÜV aufzubringen.

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