Ein Angeklagter und zwei Anwälte in einem Gerichtsraum.
Der Familienrichter (sitzend) muss sich seit Donnerstag vor Gericht verantworten. Bildrechte: MDR/Cornelia Hartmann

Vorwurf der Rechtsbeugung Masken-Prozess: Weimarer Amtsrichter gibt fast einstündige Erklärung ab

15. Juni 2023, 21:56 Uhr

Der wegen Rechtsbeugung in der Corona-Pandemie angeklagte Weimarer Amtsrichter hat sein Handeln ausführlich verteidigt. Zum Prozessauftakt am Landgericht Erfurt sagte er, er wisse bis heute nicht, warum er vor Gericht sitzt. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm dagegen vor, seine umstrittene Entscheidung bewusst herbeigeführt zu haben.

Der wegen Rechtsbeugung angeklagte Richter am Amtsgericht Weimar hat sein Handeln verteidigt. Zum Prozessauftakt am Landgericht Erfurt gab der 60-Jährige eine fast einstündige juristische Erklärung ab. Er wisse bis heute nicht, warum er vor Gericht sitzt. Als Familienrichter habe er im Tragen einer Corona-Maske im Schulunterricht eine Kindeswohlgefährdung gesehen. Damit war nach Ansicht des Angeklagten Gefahr im Verzug, und er habe handeln müssen.

Der Jurist hatte im Frühjahr 2021 auf dem Wege einer einstweiligen Anordnung verfügt, dass Kinder an zwei Weimarer Schulen keine Corona-Masken im Unterricht tragen müssten. Damit verstieß er gegen das geltende Hygienekonzept des Bildungsministeriums.

Staatsanwaltschaft sieht gezieltes Vorgehen

Die Staatsanwaltschaft Erfurt warf dem Juristen vor Gericht dagegen vor, gezielt einen Beschluss gegen Corona-Maßnahmen beabsichtigt zu haben. In der Anklage heißt es, der Richter habe schon mehrere Wochen vor seiner Entscheidung nach Kindern gesucht, für die er entsprechende Verfahren führen könne.

Zudem habe der Familienrichter selbst an dem Schreiben mitgearbeitet, mit dem eine Mutter schließlich für ihre zwei Kinder bei ihm gegen die Maskenpflicht vorgegangen war. Aus Sicht der Anklagebehörde hat der Richter willkürlich einen Beschluss erlassen, ohne dafür zuständig gewesen zu sein. Eine Entscheidung zu Corona-Regeln obliege nicht den Familiengerichten.

Familiengericht nicht befugt: Oberlandesgericht hatte Beschluss gekippt

Die Entscheidung des Weimarer Richters gegen die in Thüringen damals geltende Corona-Maskenpflicht war später vom Oberlandesgericht in Jena gekippt worden. Die gerichtliche Kontrolle staatlicher Anordnungen zum Corona-Schutz liege allein in der Verantwortung der Verwaltungsgerichte, hatte das Oberlandesgericht begründet.

Vorwurf: Richter fällte Beschluss als Signal gegen staatliche Regeln

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der angeklagte Jurist die richterliche Unabhängigkeit aus "sachfremden Erwägungen" missachtet. Ihm sei es vor allem darum gegangen, die angebliche Unwirksamkeit und Schädlichkeit staatlicher Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie öffentlich wirksam darzustellen.

Weimarer Familienrichter suspendiert

Im Januar dieses Jahres verfügte dann das Thüringer Richterdienstgericht am Landgericht Meiningen die Suspendierung des Richters. Dagegen legte dieser Beschwerde ein.

Der Dienstgerichtshof für Richter am Thüringer Oberlandesgericht in Jena hob den Beschluss zwar auf. Allerdings wurde die Suspendierung erneut beantragt. Dagegen wurde nach Angaben einer OLG-Sprecherin keine Beschwerde eingelegt.

Prozess verschoben - Haftstrafe möglich

Der jetzige Prozess vor dem Erfurter Landgericht sollte ursprünglich schon vor zwei Monaten beginnen. Wegen der Bestellung eines weiteren Verteidigers wurde das Verfahren jedoch von April auf Juni verlegt. Es hatte sich herausgestellt, dass der bisher bestellte Verteidiger nicht alle Verfahrenstermine wahrnehmen kann. Für Rechtsbeugung sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von einem bis zu fünf Jahren vor. Für den Prozess sind bis Ende August zunächst zehn Verhandlungstage terminiert.

MDR (ls)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 15. Juni 2023 | 19:00 Uhr

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