Moritz Rabe spielt Gitarre auf einer Bank in der Weimarer Schillerstraße.
In der Schillerstraße in Weimar soll es künftig keine Straßenmusik mehr geben. Bildrechte: MDR/Christian Franke

Schillerstraße Weimar beschränkt Straßenmusik - bekannter Musiker hört auf

02. Februar 2024, 18:51 Uhr

Straßenmusiker werden in Weimar aus der Schillerstraße verbannt. Sie dürfen nun an anderen Orten spielen - das aber nur mit einer Berechtigungskarte. Die Stadt sagt, sie reagiere damit auf Beschwerden der Anwohner.

Die Stadt Weimar verbietet das Musizieren auf ihrer größten und bekanntesten Einkaufsstraße: Zumindest für ein Jahr ist Straßenmusik in der Schillerstraße nicht mehr erlaubt.

Unterschriften gegen Straßenmusik in Weimar

Die Reaktionen auf die neue Regelung kamen prompt, in Weimar wird nun eine emotionale Debatte geführt. Nicht nur die Stadtratsfraktionen haben sich geäußert, auch die Passanten sind verwundert. "Was soll das denn?", "Jetzt gehen sie an die Kleinen!", "Haben die nichts Besseres zu tun?", fragen sie.

Nyckelharpa, gespielt von einem Straßenmusikanten beim Rudolstadt-Festival
Straßenmusiker spielen in vielen Städten weltweit. Bildrechte: MDR/Holger John

Die Verwaltung rechtfertigt sich: Vor allem in den vergangenen beiden Jahren hätten die Beschwerden von Anwohnern und Ladenbetreibern enorm zugenommen, heißt es aus dem Rathaus. "Wir hatten fast täglich Anrufe, weil sich die Menschen gestört fühlten", so Kathleen Merkel vom Ordnungsamt. "Es gab eine Unterschriften-Aktion, an der sich eine Menge Anwohner beteiligt haben", ergänzt Weimars Bürgermeister Ralf Kirsten.

Die Stadt sah sich gezwungen einzugreifen und stellte nach zehn Jahren ein neues Regelwerk auf. Das besagt, dass zwar die Schillerstraße als 1A-Lage für Musikanten wegfällt, aber neue Standorte hinzukommen.

Straßenmusiker jetzt erwerbslos gemeldet

"Alles Quatsch", findet Moritz Rabe. Seit Jahren ist er singend und mit Gitarre in der Fußgängerzone unterwegs. "Die neuen Standorte sind keine Alternative. Die Geleitstraße zum Beispiel - der pure Straßenverkehr. Gerade in der Schillerstraße das Musizieren zu verbieten, ist doch abstrus."

Moritz Rabe spielt Gitarre auf einer Bank in der Weimarer Schillerstraße.
Moritz Rabe hatte bisher seinen "Stammplatz" am Ende der Schillerstraße. Bildrechte: MDR/Christian Franke

Rabe ist enttäuscht, lebte er doch von der Straßenmusik. Er hat die Gitarre an den Nagel gehängt und wandte sich direkt ans Jobcenter. "Ich habe mich jetzt erwerbslos gemeldet. Das mache ich nicht mit."

Beschwerden von Anwohnern habe er nie erlebt. "Im Gegenteil. Das Café, vor dem ich gespielt habe, gab mir regelmäßig einen Kaffee aus und die Verkäuferin aus einem Klamottengeschäft ein paar Meter weiter steckte mir neulich erst einen Zehner zu." Die Wahrnehmungen sind offenbar ganz unterschiedlich.

Weimar meißelt seine neuen Regeln aber nicht in Stein, wie Kathleen Merkel vom Ordnungsamt erklärt: "Sie gelten vorerst für ein Jahr. Wir werden ständig evaluieren und danach das Musizieren vielleicht in einer anderen Straße einschränken und es irgendwann in der Schillerstraße wieder erlauben. Wir werden rotieren."

Berechtigungsschein muss beantragt werden

Eines allerdings wird wohl bleiben und das ist der nun geforderte Berechtigungsschein. Wer in Weimar Musik machen will, braucht grünes Licht vom Ordnungsamt. "Wir werden kein Casting veranstalten, wie es in München der Fall ist", so Kirsten. Aber es muss eine Berechtigungskarte beantragt werden. Die gilt dann für ein Jahr.

Manche Menschen in der Stadt nutzen ihre Kinder aus, die mit Instrumenten Geld verdienen sollen.

Ralf Kirsten Bürgermeister

"Damit wollen wir das sogenannte kindgerechte Betteln unterbinden. Manche Menschen in der Stadt nutzen ihre Kinder aus, die mit Instrumenten Geld verdienen sollen." Diese Menschen würden dann wohl nur schwer eine Berechtigungskarte erhalten.

Die neuen Regeln, sagt Kirsten, sind mit der Musikschule, dem Musikgymnasium und vor allem mit dem Kulturausschuss abgesprochen. Dass jetzt so massive Beschwerden kommen, verstehe er nicht. Die Überlegungen dazu liefen öffentlich und transparent.

Diese Regeln gelten in anderen Städten:

Sonneberg:

In Sonneberg müssen Straßenmusiker eine Sondernutzung über die Verkehrsbehörde der Stadt beantragen, wenn die Straßenmusik außerhalb offizieller Stadtfestivitäten stattfinden soll. Eine solche Sondernutzungsgenehmigung hat es bisher noch nie gegeben.

Suhl:

Die Stadt Suhl hat eine Verordnung, die besagt, dass Straßenmusiker und Darsteller den Standort ihrer Darbietungen nach 30 Minuten so verändern, dass sie am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar sind. Das heißt, sie müssen mindestens 75 Meter weitergehen. Sie dürfen einen Standort nur einmal am Kalendertag nutzen. Es gibt allerdings kein sogenanntes Antragserfordernis, keine Genehmigung in Form eines Bescheides und auch kein Vorspielen.

Meiningen:


Generell gilt, dass niemand durch Musik gefährdet oder belästigt werden darf. Straßenmusikanten müssen alle 30 Minuten ihren Standort so wechseln, dass sie am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar sind. In der Regel sind das in Meiningen mindestens 200 Meter. Es dürfen keine Verstärker, Tonträger, elektronische oder besonders laute Instrumente verwendet werden. Während der Ruhezeiten darf nicht gespielt werden, also nicht zwischen 19 Uhr und 10 Uhr sowie zwischen 13 Uhr und 15 Uhr. Eine Genehmigung oder Anzeige ist nicht erforderlich.

Gera:

Laut Stadtordnung §3 müssen Musiker oder Schauspieler ihren Standort nach 60 Minuten so verändern, sodass ihre Darbietungen am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar sind. Sie müssen mindestens 200 Meter weitergehen.

Altenburg:

In der Stadt gibt es keine explizite Regelung für Straßenmusiker. Die Meinung in der Bevölkerung zu Straßenmusikern ist sicherlich geteilt und hängt nicht zuletzt von der Qualität der Darbietung ab, heißt es von Seiten der Stadt. Beschwerden gab es in den letzten Jahren nicht.

Eisenach:

In einem Merkblatt hat die Stadt sämtliche Regeln zusammengefasst. Demnach dürfen z. B. lautstarke Instrumente wie Trommeln, Trompeten und Instrumente mit Tonverstärkern nicht verwendet werden. Musizieren ist von Montag bis Freitag von 10 Uhr bis 12 Uhr und von 14 Uhr bis 18 Uhr und an Samstagen von 10 Uhr bis 16 Uhr gestattet. An Sonntagen und Feiertagen ist Straßenmusik nicht erlaubt. Maximal darf eine Stunde, in Fußgängerzonen maximal eine halbe Stunde gespielt werden. Danach muss der Standort gewechselt werden. Auf dem Marktplatz, insbesondere vor der Georgenkirche und dem Rathaus darf nicht musiziert werden.

Gotha:

Lautstarke Musikinstrumente und Hilfsgeräte dürfen nicht verwendet werden. Musizieren ist werktags von 9 Uhr bis 13 Uhr und von 15 Uhr bis 18 Uhr gestattet, in den Fußgängerzonen während der üblichen Ladenöffnungszeiten. An Sonn- und Feiertagen ist Straßenmusik nicht gestattet. Am gleichen Ort darf ein Musiker pro Tag nicht mehr als 30 Minuten spielen. Der darauffolgende neue Standort muss außerhalb der Hörweite des vorangegangenen Spielortes und anderer Darbietungen liegen. Gänzlich verboten ist das Musizieren oder die Darbietung von Straßenkunst an den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel und direkt vor Gaststätten.

Mühlhausen:

In der Stadt gilt eine Verordnung die besagt, dass lautstarke Musikinstrumente und Hilfsgeräte zur Lautverstärkung nicht verwendet werden dürfen. Musizieren ist werktags von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr und in den Fußgängerzonen während der Ladenöffnungszeiten gestattet. An Sonn- und Feiertagen darf nicht gespielt werden. Die Standorte müssen nach jeweils einer halben Stunde gewechselt werden, so dass die Darbietung am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar ist - es gelten mindestens 100 Meter. Vorspiele oder Genehmigungen gibt es nicht.

Mehr zum Leben als Straßenmusiker

Logo MDR 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (dst/gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 02. Februar 2024 | 18:45 Uhr

10 Kommentare

kleinerkoenig vor 11 Wochen

zusätzlich denke ich, sollte beachtet werden, dass dieser Musiker, wie sicher andere auch, eine städtische Bank einnehmen, die jene, die sie zum Verweilen auch mal in Anspruch nehmen würden, nicht zur Verfügung steht, was ja auch ein Stück Stadtkultur ist und alle zu ihrem Recht kommen sollten.

Harka2 vor 11 Wochen

Es ist korrekt, dass insbesondere Ladeninhaber und Cafebetreiber diese Musiker als Belastung empfindet. Gerade im Sommer können solche Musikgeruppen Gäste regelrecht vertreiben. Ein Gruppe mit latainamerikanischer Musik ist da mehr als berüchtigt, sie ignoriert alle Regeln und ist einfach nur laut, leider aber nicht musikalisch begabt. Zeitweise wich sie nach erhöhtem Druck durch das Ordnungsamt nach Erfurt oder Eisenach aus, jedoch wurde sie auch dort nur als Belästigung empfunden. Die zudem stets gleichen Lieder, gleichen Rythmen und nicht selten falschen Texte (ja, ich kann sie verstehen!) nerven einfach nur.

Und so ganz nebenbei: Das mexikanische Volkslied "La Cucaracha" feiert Drogenkonsum und Gewalt (von besoffenen Trotteln, die nicht mehr geradeaus laufen können).

Harka2 vor 11 Wochen

Das sehe ich auch so. Niemand hat etwas gegen Musiker, meist Kinder oder Jugendliche, die sich mit guter und zumeist klassischer Musik ihr Taschengeld aufbessern. Bei Herrn Moritz Rabe sieht die Sache aber anders aus. Er hat sich gegen geregelte Arbeit und fürs Betteln als Lebensmodell entschieden. Seine Entscheidung, aber die hat auch Konsequenzen, mit denen er nun leben muss.

Mehr aus der Region Weimar - Apolda - Naumburg

Mehr aus Thüringen