Arbeit statt Ruhestand Berufstätige Rentner: "Man kann sich ein bisschen mehr Urlaub leisten"

16. Februar 2023, 15:15 Uhr

In Thüringen gehen immer mehr Menschen im Ruhestand einer Arbeit nach. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der berufstätigen Rentner in den vergangenen Jahren erhöht. Demnach waren Mitte letzten Jahres rund 30.400 Senioren in Thüringen berufstätig - knapp 1.000 mehr als noch im letzten Jahr.

Der letzte Arbeitstag vor dem Ruhestand: Für viele Senioren ein komisches Gefühl, wenn der Abschied von den Kollegen ansteht und die letzten Dinge aus dem Büro oder der Werkstatt geräumt werden. Immer mehr Rentner in Thüringen entscheiden sich dafür, auch im Ruhestand arbeiten zu gehen. Im letzten Jahr mehr als 30.000 in Thüringen – Tendenz steigend. Das sagt eine Statistik der Landesagentur Sachsen-Anhalt-Thüringen.

Arbeitende Rentner auch im Eichsfeld

Wir haben im Eichsfeld eine Rentnerin und einen Rentner besucht und sie nach ihrer Motivation gefragt. Mit einem kleinen, ganz persönlichen Rundgang hat mich Rentnerin, Stadtführerin und Nachtwächterin Sigrid Seifert in Heiligenstadt begrüßt. Es geht über den Friedensplatz, an der Kirche St. Martin vorbei zum Literaturmuseum Theodor Storm.

Dort erzählt sie mir ihre Beweggründe für den Un-Ruhestand: Schon als Kind hat sich die 69-Jährige für die lange und spannende Geschichte der Stadt interessiert und hat immer Freunde und die Familie durch Heiligenstadt geführt, alles gezeigt und erklärt. Als die Stadt dann Anfang der 2000er Jahre Stadtführer gesucht hat, hat sie ihre Chance ergriffen.

Genau so haben wir uns unser Rentnerdasein vorgestellt.

Sigrid Seifert aus dem Eichsfeld

Früher nebenbei, heute hauptberuflich

Seitdem zeigt sie Touristen und Gästen die Stadt, bringt die über 1000-jährige Geschichte näher und macht das Eichsfeld bekannt. Damals noch nebenbei zu ihrem Hauptjob im Steuerwesen. Oft hat sie sich extra dafür frei oder Urlaub genommen. Jetzt kann sie sich voll und ganz darauf konzentrieren und da ihr Mann auch Stadtführer ist, war für beide klar, die Tätigkeit auch im Ruhestand fortzuführen: "Genau so haben wir uns unser Rentnerdasein vorgestellt", sagt sie.

25 Euro bekommt Sigrid für eine anderthalbstündige Führung, aber ums Geld geht es ihr dabei nicht. Für sie ist es eine Herzensangelegenheit, Gästen ihre Heimatstadt zu zeigen und näherzubringen. Außerdem, so Sigrid weiter, bleibt sie so immer fit im Kopf und bewegt sich viel an der frischen Luft. Sie ist sich sicher, dass sie noch viele Jahre als Stadtführerin unterwegs sein wird.

Als Hausmeister dringend gebraucht

Davon ist auch Rentner Gerhard Gatzemeier aus Birkungen überzeugt. Er ist 69 und arbeitet zwei Tage in der Woche als Hausmeister in Leinefelde. "Ich mache im Betrieb die Hallen sauber, kehre den Hof – was eben so hausmeistermäßig so anfällt.“

Man kann sich dann ein bisschen mehr Urlaub leisten und die paar Stunden, die man da noch arbeitet, hauen einen ja nicht um.

Gerhard Gatzemeier, arbeitet auch im Ruhestand noch ein paar Stunden

Geplant hatte er es eigentlich nicht, im Ruhestand zu arbeiten, aber dann hätte sich das einfach so ergeben. Kurz nach dem Renteneintritt ging es los: Er hat beim Sportverein ausgeholfen, für die Waldgenossenschaft ein paar Gefälligkeiten übernommen, war Freunden und Familie eine helfende Hand und hat dabei gemerkt, wie fit er sich eigentlich noch fühlt.

Die knapp 500 Euro, die er zur Rente dazuverdienen würde, waren dann ausschlaggebend, doch noch mal einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen: "Man kann sich dann ein bisschen mehr Urlaub leisten und die paar Stunden, die man da noch arbeitet, hauen einen ja nicht um."

Immer mehr Senioren in Thüringen entscheiden sich, so wie Sigrid und Gerhard, im Ruhestand zu arbeiten. Seniorinnen und Senioren machen laut Arbeitsagentur-Statistik trotzdem nur vier Prozent aller Arbeitnehmer aus. Den Fachkräftemangel in Thüringen werden sie also sicher nicht beheben.

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. Februar 2023 | 14:00 Uhr

26 Kommentare

camper21 am 17.02.2023

Lyn,dass ist doch egal, wielange es die DDR nicht mehr gibt. Fakt ist doch, dass Sie und alle anderen Ostler zu DDR Zeiten nicht viel in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Keine private Rentenversicherung würde das ausgleichen, aber unser Sozialstaat macht es, deshalb haben besonders wir Ostler eine sehr gute Rendite, was die gesetzliche Rentenversicherung angeht.

Rocky B. am 17.02.2023

Cool, ist das auch meine Zukunft?
Ich habe noch einige Dinge vor die ich nicht unter Zwang und Anleitung erleben möchte.
Reicht dann meine Rente? Ich war noch keinen einzigen Tag arbeitslos und bin doch schon 58.
wie lange muss ich das noch ertragen oder wie lange ertragen mich meine Kollegen noch?

Peter am 17.02.2023

Aber sicher doch, OOOO.
Zum Beispiel Frau Seifert, der es ein Bedürfnis ist, den Besuchern ihre Stadt zu zeigen.
Oder Herr Gatzemeier, der sich von dem als Rentner erarbeitetem Geld mehr Urlaubsreisen leisten kann.

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