Haus Schulenburg Van-de-Velde-Museum will Thüringer Tourismus-Markenbotschafter werden

11. Januar 2023, 21:43 Uhr

Die Museen in Thüringen haben die Pandemie einigermaßen glimpflich überstanden. Aber was sie schon vor Corona plagte, das quält sie auch jetzt wieder: Geldnot für viele gute Ideen, Projekte und den Betrieb der Häuser in Zeiten von Inflation und Energiepreis-Explosion. Das macht Sorgen - auch dem Eigentümer von Haus Schulenburg in Gera, das längst international bekannt ist als van-de-Velde-Museum.

Volker Kielstein ist in der Nachbarschaft aufgewachsen, seine Neugier auf die Fabrikantenvilla Schulenburg war seit Kindheitstagen nie abgeebbt. Der 80-Jährige erinnert sich: "Unser Vater hat schon immer darauf hingewiesen, wenn wir da entlanggegangen sind: Guckt euch das an! Das ist Haus Schulenburg, das ist van de Velde!

Mit Unternehmensidee ausgebremst, als Hausretter nicht zu stoppen

Jahrzehnte später, 1996, entschließt sich Volker Kielstein, das Haus zu kaufen. Der Mann, der in Magdeburg die erste Tagesklinik zur Behandlung von Suchtkranken in Deutschland gegründet hatte, möchte so etwas auch in Gera anbieten. Motto: Tags Suchtbehandlungen in Haus Schulenburg, ab Nachmittag offene Türen für alle Fans des Alleskünstlers Henry van de Velde. Mit seiner Klinik kann der renommierte Mediziner sich nicht durchsetzen.

Also Haus Schulenburg wieder aufgeben? Nein, das konnte nicht die Lösung sein, sagt Kielstein. Zumal er schon viel, sehr viel aus eigener Tasche investiert hatte - für die Rettung dieses Hauses. Dem war zu jenem Zeitpunkt kaum noch anzusehen, dass der Architekt und Designer van de Velde hier ein Gesamtkunstwerk geschaffen hatte.

Volker Kielstein erinnert sich, "weil wir bei der Rekonstruktion nicht so viel Geld hatten, mussten wir eben auch viel mit eigenen Kräften machen. Und dadurch ist natürlich auch der Restaurierungsgrad ziemlich hoch. Also wir haben die Fenster eben nicht rausgerissen und durch Neue ersetzt, sondern haben die Alten drin gelassen."


Inzwischen ist Haus Schulenburg das Domizil der Europäischen Vereinigung der Freunde Henry van de Veldes. Denn es wurde über Thüringen hinaus rasch bemerkt, mit welchem Eifer da einer aktiv ist - obwohl er in Magdeburg weiter Verpflichtungen in seiner Klinik an der Sternbrücke hat. Das ist bis heute so.

Von Gera aus aber entwickelte sich ein wirklich internationales Netzwerk - was Kielstein bei seiner Museumidee unterstützte. Darüber schwärmte er: "Es ist uns gelungen, wieder die originalen Möbel zurückzubekommen. Und wenn man so etwas macht, dann wird sofort diese van-de-Velde-Gemeinde europaweit auf einen aufmerksam. Und die melden sich. Und dann kommen plötzlich aus München Möbel, die vorher in Brasilien waren. Und aus Münster kommt die Frisiertoilette. Und aus einer anderen Ecke von München das Bett von Schulenburg."

Teure "Privatsache" mit viel öffentlichem Interesse

Miterlebt und mitgestaltet hat all dies Karsten Friedrich. Er ist der gute Geist im Haus, seit 27 Jahren bei Kielstein angestellt. Jetzt sitzt er neben zwei weiteren Mitstreiten, die nicht fest angestellt sind - aber genauso mitfiebern, wenn ihr Chef zur kleinen Runde ruft.

Diesmal geht es um die Frage: Wie weiter mit dem Lebenswerk? Volker Kielstein trägt noch aus seinen Einkünften bei, meint aber lakonisch, das werde wohl kaum noch gehen, wenn 100 ist. Deshalb beginnt er, neue Netzwerke zu knüpfen - zum Kulturministerium, zum städtischen Kulturamt, zu Bildungseinrichtungen und Richtung Bauhaus-Universität.

Es ist uns gelungen, wieder die originalen Möbel zurückzubekommen.

Volker Kielstein

Immerhin war van de Velde ein Wegbereiter des Bauhauses. Von der Industrie, in der Villenbesitzer Schulenburg einst tätig war - der Textilbranche - ist heute nicht mehr viel übrig geblieben in Gera. Sponsoring aus der Wirtschaft bekommt Kielstein deshalb eher aus Magdeburg. Und von der Sparkasse und aus der Energiewirtschaft, wo er lange Kontakte pflegt. Ja, sagt Kielstein, so eine Art privat-öffentliche Partnerschaft für Haus Schulenburg fände er gut. Und ja, für einzelne Projekt habe er auch Förderungen bekommen.

Neue Ideen sollen auch potentielle Geldgeber begeistern

Aber am Ende kostet der Betrieb des Hauses im Jahr rund 250.000 Euro. "Da hat der Verein, die Europäische Gesellschaft der Freunde Henry van de Veldes, ganz schön zu kämpfen, das alles zu finanzieren. Aber es gibt ja keine Kultureinrichtung weit und breit, die sich aus Eigenmitteln refinanzieren kann", grübelt der Hausherr.

Ihm ist klar: Nur wenn er selbst etwas bietet, dann lassen sich auch mögliche Geldgeber begeistern. Und so sollen in den nächsten Monaten 60 QR-Codes im Haus und im Gelände installiert werden - damit sich Besucher noch besser über Geschichte und Ausstellungsstücke informieren können.

Ein bisschen ist das auch eine Vorleistung, um die Partnerschaft mit der Thüringer Tourismus GmbH weiter zu bringen: Kielstein möchte bei ihr "Markenbotschafter" werden. Bis zu 8.000 Besucher im Jahr vor der Pandemie - dass mache ihn stolz, meint er. Der praktizierende Mediziner und nicht zu bremsende Museumsdirektor, der von sich selbst sagt "In dem Sinne führe ich ein Doppelleben." Ohne das wäre sein Lebenswerk gar nicht denkbar gewesen.

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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