Neue Wohnungen Zweite Chance für Jenaer Eichplatz: Bürgerbeteiligung geht in die nächste Runde

10. Januar 2024, 17:56 Uhr

150 Wohnungen sollen am Eichplatz in Jena entstehen. Im Rahmen einer Beteiligung können Bürger nun erneut Wünsche und Kritik einbringen. Das verzögert das Bauvorhaben, erhöht aber auch die Erfolgschancen. Vor zehn Jahren war ein Bauvorhaben für den Platz nämlich schon einmal gescheitert.

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Die Neubebauung des Eichplatzes in Jena scheint zum Greifen nah. Die Blamage des misslungenen ersten Versuchs vor zehn Jahren rührte vor allem aus der früheren Kluft zwischen Stadtspitze und den Bürgern. Die wurden seinerzeit nämlich kaum eingebunden. Dieses Mal scheint die Stadtverwaltung zumindest in dieser Beziehung alles richtig zu machen.

In fast 40 Bürgerwerkstätten konnten die Jenaer ihre Wünsche und Änderungsvorschläge einbringen. Vieles, aber nicht alles fand Eingang in die Entwürfe der Architekten: Es gibt nun eine zweite Tiefgaragenebene, mehr Schatten, mehr Grün auf den Dächern und mehr Bäume rundherum. Auch die geplanten Nutzungen wurden konkretisiert. Kleine Geschäfte sollen im Erdgeschoss dominieren.

Der Eichplatz in Jena von oben, viele Autos stehen herum.
Momentan wird er noch als Parkplatz genutzt: Der Eichplatz in der Jenaer Innenstadt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehrarbeit für Architekt und Investor

Für die Architekten wie auch für den Investor müssen die Wünsche der Jenaer oft sehr anstrengend gewesen sein, bekennt Elisabeth Wackernagel auf einer Bürgerinformationsveranstaltung am Dienstagabend. Die ehemalige CDU-Stadträtin war auch in den Bürgerwerkstätten beteiligt.

Es wird auch weitergehen mit der Werkstatt.

Elisabeth Wackernagel

An diesem Abend sitzt sie zusammen mit fast 100 Jenaern im Publikum. "Wir haben gesagt, was wir wollen", sagt Wackernagel, "und die Verwaltung hatte es auch nicht einfach mit uns. Und es wird auch weitergehen mit der Werkstatt. Wir begleiten das noch."

Eine Frau spricht in ein Mikrofon.
Sie hat sich mit vielen anderen an der Debatte beteiligt, wie der Eichplatz einmal aussehen soll: Elisabeth Wackernagel. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Eine Dreiviertelstunde lang präsentieren Vertreter der Stadtverwaltung und des Investors, der Strabag Real Estate, die überarbeiteten Entwürfe für die Bebauung des Eichplatzes. Für das Unternehmen sitzt Marc Schreiber auf dem Podium. Den Wackernagelschen Gedanken nimmt er auf, wischt ihn aber auch gleich wieder beiseite: er habe sich über die Bürgerwerkstätten gefreut. Schließlich wurde für den Investor so vieles klarer. Dadurch gehe es schlussendlich auch schneller. 

150 Wohnungen sollen entstehen

Die zweite Phase der Bürgerbeteiligung hat begonnen. Erneut können die Jenaer ihre Einsprüche geltend machen oder neue Ideen formulieren. Die Planungsunterlagen und Gutachten stehen im Internet und liegen bei der Stadtverwaltung aus. Drei Hochhäuser will der Investor auf dem "Baufeld A" genannten Teil des Eichplatzes bauen, dazu einige flachere Gebäude. Fast 150 Eigentums- und Mietwohnungen sollen entstehen, aber auch Büros und Einzelhandel. Zwei Untergeschosse mit Tiefgaragen sind ebenso geplant.

Die Zeichnung eines Gebäudekomplexes.
So soll der Platz einmal aussehen. Bildrechte: Strabag Real Estate

Weitgehend friedliche Veranstaltung

Das Publikum lässt die Ausführungen geduldig über sich ergehen - nur hin und wieder gibt es ein Augenrollen oder schweres Atmen. Drei Jenaer ließen es sich trotzdem nicht nehmen, die Diskussion aufzumischen. Es kommen hauptsächlich Vorwürfe und Unterstellungen: zu hohe Kosten für Stadt, illegale Kaufverträge, Planungsfehler, fehlende PV-Anlagen auf den Dächern, fehlende Gutachten, fehlenden Klimaschutz, ungenügende Berücksichtigung des Stadtklimas und so weiter und so fort - viele der Einlassungen garniert mit Beleidigungen. Podium und Moderator waren nicht zu beneiden und gingen trotzdem geduldig darauf ein.

Kein sozialer Wohnungsbau geplant

Einzig die Studentin Johanna Grenzer machte einen sinnvollen Punkt. Sie fragte, wie hoch die Mieten sein werden und ob es auch sozialen Wohnungsbau auf dem Eichplatz geben würde. Stadtentwicklungsdezernent Christian Gerlitz (SPD) verneinte. Derzeit gebe es keine Förderungen für sozialen Wohnungsbau in Ballungsgebieten.

Und die Maßgabe, dass in Jena 20 Prozent sozial gebaut werden müsste, sei auch jünger als das Bauprojekt. Daher gelte die Doktrin hier nicht. Auch Marc Schreiber machte keine großen Hoffnungen: "Wie hoch die Mieten ausfallen werden, lässt sich jetzt noch nicht sagen, aber es werden sicher nicht die allergünstigsten Räume." Nun gut, das war in dieser Lage auch zu erwarten.

Das ist natürlich eine sehr ernüchternde Information.

Johanna Grenzer

"Das ist natürlich eine sehr ernüchternde Information, die man erst mal schlucken muss", reagierte Johanna Grenzer nach dem Treffen. "Ich bin dafür, dass sich die Kommunalpolitik weiter vehement für sozialen Wohnungsbau einsetzt, weil wir den in Jena dringend brauchen."

Eine Frau spricht in ein MDR-Mikrofon.
Die Studentin Johanna Grenzer bedauert, dass am Eichplatz kein sozialer Wohnungsbau eingeplant ist. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Noch unklar, wann es losgeht

Große Hoffnungen auf einen zügigen Baubeginn machte Investor-Vertreter Schreiber auch nicht. Es sei nicht klar, wie lange das weitere Planungsverfahren durch die Bürgerbeteiligung noch gehen werde. Bislang war von Ende des Jahres als Termin für den Baustart die Rede.       

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10. Januar 2024 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

GWeberJ vor 16 Wochen

Auch mir erscheint es als etwas einfallslos, diese Branche einfach mit Gebäuden vollzuknallen. Aber der jetzige Parkplatz ist wirklich nicht die zu bevorzugende Alternative.
Schön wäre es gewesen, einen Ort mit Aufenthaltsqualität zu schaffen. Ein kleines Paradies in der Innenstadt, das Besucher anlockt. Aber klar, sowas baut kein Investor.

Rania vor 16 Wochen

"Es kommen hauptsächlich Vorwürfe und Unterstellungen: zu hohe Kosten für Stadt, illegale Kaufverträge, Planungsfehler, fehlende PV-Anlagen auf den Dächern, fehlende Gutachten, fehlenden Klimaschutz, ungenügende Berücksichtigung des Stadtklimas und so weiter und so fort - viele der Einlassungen garniert mit Beleidigungen. Podium und Moderator waren nicht zu beneiden und gingen trotzdem geduldig darauf ein. [...] Einzig die Studentin Johanna Grenzer machte einen sinnvollen Punkt."
Wenn Herr Nenninger wirklich derjenige wäre, der alles ob der Sinnhaftigkeit einschätzen kann, wäre er zu bewundern.
Journalismus sollte unabhängig berichten und nicht urteilen.

Burgfalke vor 17 Wochen

Wie kann man nur auf so eine Idee kommen diesen Platz, zu mal in dieser Dichte, zu bebauen???

Es ist der einzige brauchbare Platz an dem z.B. zeitlich begrenzt Veranstaltungen im Stadtzentrum stattfinden können.
Wo gibt es verfügbare Alternativen, nicht nur für Kinder, Jugendliche und Junggebliebene, div. Fuhrgeschäfte, z.B. zur Weihnachtszeit, Volksfeste usw., zu nutzen?
Ich kann zu dem nicht erkennen, daß es im Umfeld dieses Platzes noch Bedarf an zusätzlichen Geschäften geben sollte!!!

Eine Tiefgarage, die den derzeitigen Parkplatz ersetzt, 2- Etagen und mit größerer Parkfläche pro Stellplatz, wäre aus meiner Sicht sinnvoll.

Da ich beruflich bedingt, als auch privat, mit Jena eng verbunden bin, wäre es aus meiner Sicht ein sehr großer Verlust diesen Platz verbaut zu sehen.

Da zieht das Argument, daß früher dort Häuser standen, heute nicht mehr.
Die Interessen der Bürger interessieren nicht, sondern ausschließlich geschäftliche u. politische Interessen einiger Personengruppen!

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