Kulturförderverein Historische Schaudruckerei Pößneck als "Kulturretter" ausgezeichnet
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24. November 2024, 06:05 Uhr
Was wäre die Kultur ohne ehrenamtliches Engagement? Um das zu würdigen, vergibt das Landesnetzwerk der Kulturfördervereine Thüringen jedes Jahr einen Preis. Unter dem Motto "Kulturretter" sind am Samstag in Weimar drei Vereine ausgezeichnet worden. Der erste Preis, dotiert mit 2.500 Euro, ging an den Freundeskreis Druckindustrie in Pößneck. Er hat in der Buchdruckstadt im Osten Thüringens eine eigene Schaudruckerei aufgebaut – und bewahrt so die hiesige Tradition. Ein Hausbesuch.
- Für sein Engagement zum Erhalt einer heimischen Kulturtechnik hat der Freundeskreis Druckindustrie in Pößneck den Preis der Thüringer Kulturfördervereine erhalten.
- In unzähligen Stunden haben Freiwillige in einem historischen Gewölbe eine Schaudruckerei eingerichtet.
- Der Freundeskreis organisiert Führungen für Schulklassen und andere Gruppen.
Ein historischer Gewölbekeller, darin Satzregale aus dunklem Holz. Zieht man die Schubladen auf, finden sich unzählige Bleilettern in verschiedenen Schriftarten- und Größen darin. Es fühlt sich ein wenig so an, als beträte man die Kulisse eines Historienfilms. Dabei ist das hier eine echte Druckerei – in der Rosi Rosenau gerade erklärt, wie man beim analogen Drucken vorgeht.
Tradition bewahren in der Buchdruckstadt Pößnitz
Sie erklärt, dass man zum Drucken zunächst eine Druckform benötige. Aus den vorhandenen Lettern gestalte man dann die Drucksache.
Jahrelang hat Rosenau genau das beruflich gemacht, sie war Schriftsetzerin im Karl-Marx-Werk, später im Nachfolgeunternehmen BBP Media. Nun, in der Rente, will sie dazu beitragen, dass dieses Wissen nicht verloren geht. Sie hofft, dass die jungen Leute, vor allem Schüler, die in die Druckerei kommen, erkennen, wie wertvoll auch ein Buch ist. Dass man das nicht einfach kauft und in die Ecke stellt oder sogar wegwirft.
Ich hoffe, dass dann die jungen Leute auch erkennen, wie wertvoll ein Buch ist. Dass man das nicht einfach kauft und in die Ecke stellt.
Maschinen kamen als Schrottteile
Dafür haben Rosenau und ihre Mitstreiter aus dem Freundeskreis Industriedruck in den letzten Jahren keine Mühen gescheut: Komplett ehrenamtlich haben sie diese Schaudruckerei aufgebaut, aus den Überresten der früheren Hausdruckerei der Pößnecker Schokoladenfabrik. Die Maschinen waren bei der Übergabe 2017 in einem jämmerlichen Zustand, es brauchte Jahre, um sie wieder in Schuss zu bringen.
Nun stehen drei blank polierte elektromechanische Druckmaschinen zur Verfügung, und – der ganze Stolz des Freundeskreises – auch eine Zeilensetzmaschine. Gepflegt und gewartet wird sie unter anderem von Hartmut Lehnert.
"Das Ding hat's wirklich in sich", schwärmt Lehnert. Dann tippt er auf einer Art Schreibmaschine: Die entsprechenden Buchstaben werden von der Maschine zu einer Zeile zusammengesetzt, und diese Matrize wird dann ausgegossen.
Tausende Stunden Ehrenamt für die Druckerei
1886 revolutionierte diese Zeilensetzmaschine den Buchdruck. Das Exemplar in der Schaudruckerei wurde 1967 in Leningrad gebaut. Er freue sich immer, so Lehnert, wenn aus dieser Maschine "irgendwas Schönes" rauskomme. Als Schrotthaufen sei die Maschine hier angekommen: "Wie das aussah!"
Es hat viel Zeit gebraucht, um sich das Wissen wieder anzueignen, wie diese Maschine eigentlich zu bedienen ist. Insgesamt, rechnet der Freundeskreisvorsitzende Wolfgang Lutz vor, seien von den Beteiligten 9.500 ehrenamtliche Stunden in die Druckerei geflossen.
Jeden Dienstag treffen sich hier 15 bis 16 Kolleginnen und Kollegen und arbeiten als Setzer und Buchbinder. Sie drucken, setzen, binden, warten die Maschinen. Und das erfülle alle mit Freunde und mit Stolz, so Lutz.
Man verlernt sein Handwerk nicht, und hat jedes Mal wieder eine Herausforderung.
Freude an der pädagogischen Arbeit
Der Freundeskreis organisiert Mitmach-Führungen für Schulklassen und andere Gruppen. Jeden letzten Sonntag im Monat wird die Schaudruckerei für alle Interessierten geöffnet. Außerdem werden kleine Druckprojekte durchgeführt und ein kleines Archiv gepflegt. Zur Gemeinschaftsbildung gibt es Exkursionen, etwa ins Museum für Druckkunst nach Leipzig. Das schweißt die "Schwarzkünstler", wie sie sich nennen, zusammen.
"Wir sind wirklich wunderbare Mitglieder", versichert Lehnert. "Wir verstehen uns gut. Man verlernt sein Handwerk nicht, und hat jedes Mal, wenn man an so eine Maschine geht, immer wieder eine Herausforderung. Was will man mehr?"
Quelle: MDR KULTUR (Mareike Wiemann), Redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. November 2024 | 12:15 Uhr