Während einer Razzia steht ein Polizeiwagen vor einem Haus
Bei Ermittlungen gegen die Neonazi-Gruppierung "Knockout 51" ist auch ein Polizist in den Fokus der Ermittlungen geraten. Bildrechte: MDR/Adi Rückewold

Rechtsextreme Gruppe "Knockout 51" Polizist aus Thüringen im Fokus der Ermittlungen

04. März 2024, 14:28 Uhr

Vier Mitglieder der Eisenacher Neonazi-Gruppierung "Knockout 51" sind von der Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Dabei ist auch ein Polizist aus Eisenach ins Visier geraten. Der Beamte soll interne Informationen an die Neonazis weitergegeben haben. Das Thüringer Innenministerium hat ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet.

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Katharina König-Preuss ist Landtagsabgeordneten der Linken und sitzt im Innenausschuss. Von den Ermittlungen hat sie gehört und sieht damit bestätigt, was seit mehreren Jahren  im Raum stand: "Vorher war es immer ein Verdacht, hier stimmt was nicht. Die wissen Bescheid in Eisenach."

Beamter soll interne Informationen weitergegeben haben

Vier Mitglieder der Gruppe sind von der Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Bei diesen Ermittlungen ist auch ein Polizist aus Eisenach ins Visier geraten. Der Beamte soll interne Informationen, etwa über bevorstehende Hausdurchsuchungen oder Festnahmen, an die Neonazis weitergegeben haben. Er soll es außerdem möglich gemacht haben, dass Fotos von Ermittlungsakten angefertigt wurden und nun in Neonazi-Kreisen kursieren. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt.

Zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konkret ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der mutmaßlichen Weitergabe von Dienstgeheimnissen. Das teilte ein Behördensprecher MDR Investigativ auf Anfrage mit. Bei der Staatsanwaltschaft laufe derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten wegen des Vorwurfs der Verletzung des Dienstgeheimnisses in diesem Zusammenhang. Weitere Einzelheiten könnten nicht mitgeteilt werden, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Sie sei mehr als geschockt, dass es so lange gedauert hat, bis das Innenministerium tätig wurde, sagt Katharina König-Preuss mit Blick auf solche Gerüchte. Thüringen hätte schon früher gegen solche rechte Strukturen vorgehen müssen. "Die hätte man bereits 2019 vor Gericht stellen können als kriminelle oder sogar terroristische Vereinigung. Da ist einfach viel laufen gelassen worden", sagt König-Preuss.

Disziplinarverfahren gegen Eisenacher Polizisten

Das Thüringer Innenministerium hat nun ebenfalls gehandelt und ein Disziplinarverfahren gegen den Eisenacher Polizisten eingeleitet. Der Sachbereich "Interne Ermittlungen" bei der Landespolizeidirektion ist zuständig. Mehr als der Verweis auf laufende Ermittlungen ist derzeit aus dem Ministerium nicht zu erfahren.

Die Weitergabe von Dienstgeheimnissen kann in Deutschland mit einer Geldbuße oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Je nach Schwere der Tat. Wann mit Ergebnissen oder einer Anklage zu rechnen ist, auch das ist derzeit noch völlig offen.

Polizeiforscher: "Worst-Case-Szenario" Der Kriminologe und Polizeiforscher Prof. Tobias Singelnstein von der Universität Frankfurt nannte einen solchen Fall ein "Worst-Case-Szenario“. Wenn Informationen den Beschuldigten vorab bekannt würden, könnten Beweismittel beseitigt werden und sich Personen der Festnahme entziehen. Unter Umständen könnten die Ermittlungen ihren Zweck dann nicht mehr erfüllen. "Gerade auch wegen der politischen Hintergründe ist der Fall geeignet das Vertrauen in die Polizei nachhaltig zu beschädigen." Der Polizeiforscher sieht auch das Innenministerium in der Pflicht: "Es ist ein wichtiges Signal in die Polizei hinein, wie ernsthaft mit solchen Vorwürfen umgegangen wird. Ob da das Gefühl entsteht: 'Hier passiert sowieso nichts' oder 'Den Vorwürfen wird intensiv nachgegangen.'"

Raymond Walk ist innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Er kommt aus Eisenach und war selbst Polizist. Dass ein Beamter Kontakt habe ins Milieu, lasse sich nur schwer verhindern, sagt er. Nur wie dieser Kontakt aussieht, das könne man durchaus steuern, sagt er: "Das Entscheidende ist, glaube ich, denjenigen, die im Polizeidienst sind, immer wieder zu verdeutlichen, warum sie Polizeibeamte geworden sind, welch hohe Verantwortung sie haben. Das beginnt aus meiner Sicht bei der Personalauswahl, geht weiter über den Bereich Aus- und Fortbildung. Da muss ich diese Themen immer wieder aufgreifen und ich muss sie offen ansprechen."

Innenpolitischer Sprecher der CDU: Mehr Prävention im Polizeidienst

Dass die Glaubwürdigkeit der Thüringer Polizei durch diesen Fall beschädigt ist, daran glaubt Raymond Walk nicht. Einzelfall sei Einzelfall. Um Szenarien wie dieses künftig zu verhindern, plädiert er für einen veränderten Umgang innerhalb der Reviere und Direktionen: "Wenn über 80 Prozent der Kolleginnen und Kollegen im Polizeidienst sagen, dass sie sich von ihren Vorgesetzten nicht genügend wertgeschätzt fühlen, dann brauchen wir uns nicht wundern, dass man sich seinen Vorgesetzten nicht anvertraut, wenn man Missstände entdeckt."

Das Innenministerium sei deshalb gefordert. Raymond Walk hofft auf ein schlüssiges Konzept zur Sensibilisierung der Beamten für das Thema "interner und externer Umgang".

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