eine Grafik
Die Regierung der Slowakei hinterfragt die Corona-Maßnahmen der Vorgängerregierung und will den Pandemievertrag der WHO nicht ratifizieren. Bildrechte: IMAGO/Panthermedia

Corona-Aufarbeitung Warum sich die Slowakei mit der WHO anlegt

22. Oktober 2024, 18:53 Uhr

Die slowakische Regierung unter Premier Robert Fico hat eine umfassende Untersuchung der Corona-Pandemie angekündigt. Mit der Ernennung eines prominenten Impfgegners zum Aufarbeitungs-Beauftragten scheint die Richtung aber von Anfang an vorgegebenen. Kein Wunder, schließlich hat Fico unter Verschwörungsgläubigen besonders viele Anhänger. Der neue Pandemie-Beauftragte ist für Fake News und kuriose Selbstversuche bekannt und hat sich bereits mit der Weltgesundheitsorganisation überworfen.

Der tschechische Journalist Robert Schuster
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Fico-Regierung hinterfragt Covid-Maßnahmen

Als Ende September vergangenen Jahres der links-populistische Langzeit-Premier Robert Fico in der Slowakei an die Macht zurückgelangt war, versprach er unter anderem eine "vollumfängliche" Aufarbeitung der Corona-Pandemie im fünf Millionen Einwohner zählenden Land. Die von der Vorgängerregierung getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen sollten hinterfragt werden.

Von Beginn an war allerdings klar, welche Stoßrichtung diese Untersuchung nehmen würde, denn Fico selbst gilt als Impfgegner. Seinen Wahlsieg, der ihn zum vierten Mal zum Regierungschef machte, verdankte er nicht zuletzt der Unterstützung jenes Teils der Wählerschaft, welcher Corona-Impfungen vehement abgelehnt hat.

Verschwörungsideologe zum Corona-Beauftragten ernannt

Als Konzession an seinen populistischen Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei (SNS), ernannte seine Regierung daher den 46-jährigen SNS-Abgeordneten Peter Kotlár, seines Zeichens Orthopäde, zum Regierungsbeauftragten für die Aufklärung der Covid-Pandemie. Damit wurde gezielt jemand berufen, der schon zu Corona-Zeiten in den sozialen Netzwerken Fake News verbreitete und damit ein beachtliches Publikum erreichte. Sein hoher Bekanntheitsgrad half Kotlár später auch, ins Parlament zu gelangen. Da er mehr als 13.000 Vorzugsstimmen erhielt, die nicht nur einer Partei, sondern einer konkreten Person zugeordnet sind, konnte er von Platz 130 auf der Kandidatenliste bis auf Platz neun vorrücken.

Regierungsbeauftragter Peter Kotlár
Peter Kotlár bei der Vereidigung als neuer Parlamentsabgeordneter. Er wurde zum Regierungsbeauftragten für die Aufarbeitung der Corona-Pandemie ernannt. Bildrechte: IMAGO/CTK Photo

"Die einzige Agenda, mit der ich in diesen – mit Verlaub – egozentrischen Misthaufen, also die slowakische Politik, gegangen bin, ist die Aufklärung von politischen Morden und dem Pandemie-Management," erklärte er als noch frisch gewählter Abgeordneter. Seitdem hat Kotlár für so manche Schlagzeile gesorgt. Als eingefleischter Impfgegner ist er überzeugt, dass Impfungen negative Folgen für die Gesundheit haben, weil sie angeblich die menschliche DNA verändern können. Jüngst gab er die Empfehlung heraus, sämtliche Impfstoffe mit Vakzinen auf Basis von mRNA aus dem Verkehr zu ziehen.

Kurioser Selbsttest nach Corona-Impfung

Seine Thesen stützt er auf Versuche, die er an sich selbst durchgeführt haben will. Er habe sich, so Kotlár, ein Mikroskop gekauft und die Veränderungen im eigenen Blut verfolgt, nachdem er sich ein Vakzin gegen Covid gespritzt habe. Die Ergebnisse will er mit anderen Medizinern besprochen haben, etwa dem umstrittenen deutschen Mikrobiologen Sucharit Bhakdi.

Impfstoffe
Impfstoffe, die in der Hochphase der Corona-Pandemie in der Slowakei verfügbar waren. Der Aufarbeitungsbeauftragte Kotlár ist von deren Schädlichkeit überzeugt. Bildrechte: MAGO/HalfPoint Images

Schon vorher sorgte Kotlár für Aufregung, als er behauptete, dass es in der Slowakei nie eine Covid-Pandemie gegeben habe. Damit hatte er nicht nur die medizinische Fachöffentlichkeit gegen sich aufgebracht, sondern auch völlig außer Acht gelassen, dass in seinem Land rund 20.000 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind. Das war nicht zuletzt eine Folge des zeitweise völlig überlasteten slowakischen Gesundheitswesens.

Slowakei brüskiert Weltgesundheitsorganisation

Kotlárs umstrittene Standpunkte hatten allerdings auch außenpolitische Konsequenzen: Auf sein Geheiß weigerte sich die Slowakei im Frühjahr dieses Jahres als einziges Mitgliedsland der Weltgesundheitsorganisation (WHO), einen neuen Maßnahmenkatalog zu unterstützen, der eine bessere Koordinierung bei neuen Pandemien und den Austausch von Informationen sicherstellen soll. Damit stieß der Regierungsbeauftragte die vor kurzem zurückgetretene Gesundheitsministerin Zuzana Dolinková vor den Kopf, mit der er diesen Schritt nicht abgesprochen hatte. Die Ministerin, vor vollendete Tatsachen gestellt, musste gute Miene zum bösen Spiel machen.

Der ehemalige slowakische Gesundheitsminister Rudolf Zajac geht daher mit Kotlár hart ins Gericht. Im Gespräch mit dem MDR erläutert er: "Der Regierungsbeauftragte ist jemand, der einfach den guten Ruf des Landes wie auch der Regierung schädigt, weil er aus der Welt der Fake News kommt. Bei der Pandemie ist sein Hauptargument, dass auch zwanzig US-Senatoren das Gleiche wie er behaupten würden, etwa dass das Virus künstlich erzeugt wurde und eine Art biologische Waffe darstelle. Kotlár lebt offenkundig in einer Welt, wo man überzeugt ist, die Erde sei eine Scheibe und die Impfmittel seien eine Art Geheimwaffe der WHO."

Premier Fico unterstützt Impfgegner

Das sei jedoch nicht das Hauptproblem im Zusammenhang mit Kotlár, so Zajac weiter, denn obskure Persönlichkeiten gebe es auch anderswo. Laut Zajac ist vor allem bedenklich, dass sich Kotlár der vollen Rückendeckung des Regierungschefs Fico sicher sein kann. Und der Premier hat im Einklang mit Kotlár ebenfalls schon angekündigt, ein weltweit geplantes neues Pandemieabkommen der WHO nicht unterschreiben zu wollen. Dessen Verabschiedung sei für kommendes Jahr geplant. "Doch Pandemien kennen keine Grenzen und kümmern sich nicht um Politik. Eine Infektion verbreitet sich ungeachtet dessen, ob ein kleines Land wie die Slowakei sich an deren globaler Eindämmung beteiligt oder nicht", warnt Zajac.

protestierende Menschen auf einem PLatz
2020: Protest gegen Pandemiemaßnahmen der damaligen slowakischen Regierung. Der jetzige Premier Fico hat viele Anhänger unter Impfgegnern und Anhängern von Verschwörungsmythen. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Tatsache ist jedoch, dass Fico in dieser Hinsicht konsistent ist. Schon zu Beginn der Pandemie vor vier Jahren – damals war er Oppositionschef im Parlament – weigerte er sich, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen. Später zog er gegen die von der Regierung verhängten Beschränkungen ins Feld. Ebenfalls ignorierte er immer wieder auch die pandemiebedingten Beschränkungen, so etwa das Verbot, öffentliche Versammlungen abzuhalten. Seine Anhänger rief er dazu auf, diese ebenfalls nicht zu befolgen.

Fico, der nach einem Mordanschlag inzwischen wieder genesen ist, ließ es sogar auf eine direkte Konfrontation mit den Behörden ankommen. Das geschah im Vorfeld eines geplanten Autokorsos, der Ende 2021 als Protest durch die slowakische Hauptstadt führen sollte. Er ließ sich medienwirksam von der Polizei zu einer Sachverhaltsdarstellung aufs Polizeirevier abführen, wo er wegen des Verdachts auf Anstacheln gegen die öffentliche Ordnung vernommen wurde.

Slowaken ticken anders

Auf die Frage, worauf solche Haltungen wie die von Premier Fico und dem Covid-Beauftragten Kotlár zurückzuführen sind, hat der frühere slowakische Gesundheitsminister folgende Erklärung parat: "Es gab hierzulande immer so eine Neigung im Sinne von 'wir sind wir, und was von außen kommt, wollen wir nicht'. Das ging die letzten 150 Jahre so. Deshalb ist das Land ein wenig ausländerfeindlich, ein wenig antisemitisch und mag keine Minderheiten", so Zajac.

Dabei sei die Slowakei ein sehr überschaubares Land, in dem die Entfernung vom westlichsten zum östlichsten Punkt etwas mehr als 500 Kilometer und vom Norden nach Süden nicht mal 300 Kilometer betrage. Die Menschen, die da leben, würden zwar eine gemeinsame Sprache sprechen, es würde aber dennoch an etwas fehlen, was sie verbinden würde.

Demonstranten auf der Straße
Demo der slowakischen Opposition. Auf den Postern ist zu lesen: "Geht ans Ende der flachen Erde" und "Wir wollen keine russische Propaganda". Bildrechte: IMAGO/CTK Photo

Laut Zajac kann das auch ein Grund dafür sein, warum viele seiner Landsleute mit Bewunderung auf Russland schauen und in den Russen ein großes Brudervolk sehen, ungeachtet dessen, dass Russland gerade dabei ist, ein anderes slawisches Brudervolk, das Ukrainische, zu unterjochen. Der frühere Gesundheitsminister ist daher überzeugt, dass so eine Haltung zwangsläufig nicht ohne Konsequenzen für die Politik des Landes sein kann.

In der Tat ist die gegenwärtige Regierung betont kritisch gegenüber dem Westen und zugleich ausgesprochen Russland-freundlich. Offiziell wird das der Öffentlichkeit als eine "souveräne Außenpolitik" verkauft, weil man sich von den Partnern bei EU und NATO nicht vorschreiben lasse, welche Haltung man zu Moskau einnehmen soll. Und genauso wenig will sich die Regierung Fico von internationalen Partnern auch im Falle künftiger globaler Pandemien etwas vorschreiben lassen.

MDR (baz)

Ein Angebot von

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 26. Oktober 2024 | 07:17 Uhr

Mehr Politik in Osteuropa

Nachrichten

Der rechtsextreme Kandidat Calin Georgescu umgeben von Mikrofonen. 1 min
Der rechtsextreme Kandidat Calin Georgescu sei von Russland unterstützt worden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 06.12.2024 | 21:15 Uhr

In Rumänien muss die Präsidentschaftswahl vollständig wiederholt werden. Hintergrund sind Enthüllungen des Geheimdienstes. Demnach war die Wahl Ziel eines russischen hybriden Angriffs.

MDR FERNSEHEN Fr 06.12.2024 20:08Uhr 00:30 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/video-rumaenien-wahl-gericht-wiederholung-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Durch einen russischen Raketeneinschlag wurden Gebäude in Saporischschja im Südosten der Ukraine beschädigt. 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/Ukrinform
1 min 11.12.2024 | 21:55 Uhr

Bei russischen Raketenangriffen ist in der ukrainischen Stadt Saporischschja eine Klinik zerstört worden. Mindestens acht Menschen wurden getötet, 22 weitere verletzt. Rettungskräfte suchen nach weiteren Opfern.

MDR FERNSEHEN Mi 11.12.2024 19:27Uhr 00:25 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-saporischschja-russland-raketenangriff-klinik-tote100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video