Oma mit Mädchen
Unter gewissen Umständen kann der Kauf von Rentenpunkten eine sehr gute Idee sein. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Früher in Rente Rentenpunkte kaufen: Das sollten Sie wissen

26. September 2023, 15:59 Uhr

Der vorzeitige Ruhestand ist für viele ein Traum. Doch der kann dauerhaft ganz schön ins Geld gehen. Welche Möglichkeiten es gibt, die Rente vorzuziehen und wer von der vorzeitigen Rente profitieren kann, erklärt Finanzexperte Jan Scharpenberg von Finanztip.de. Außerdem weiß er, ab wann sich die jahrelangen Einzahlungen in die Rentenkasse wirklich lohnen, was ein Rentenpunkt kostet und wann der Kauf sinnvoll ist.

Während die Politik über ein höheres Renteneintrittsalter debattiert, wird die Rente mit 63 in Deutschland immer beliebter. Das ist umgangssprachlich die vorgezogene Altersrente. Wer nach jahrelanger Arbeit nicht mehr will oder kann, liebäugelt natürlich damit, dem Job vorzeitig Lebewohl zu sagen und den Ruhestand zu genießen.

Wenn da nur nicht die Abzüge wären. Jeder Monat vorgezogener Ruhestandbeginn kostet 0,3 Prozent Abzug von der Rente. Das muss aber nicht sein. Denn diese Abzüge lassen sich ausgleichen, indem Rentenpunkte gekauft werden. Im Fachjargon nennt sich dieser Vorgang "Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters". Zum Glück ist der Kauf von Rentenpunkten einfacher, als der Fachjargon vermuten lässt.

Zum Aufklappen: Wie aus Rentenpunkten Rente wird

Jede sozialversicherungspflichtig angestellte Person in Deutschland sammelt die Rentenpunkte über das Brutto-Gehalt. Daraus fließen die Beiträge in die Rentenversicherung. Je nachdem wie viel die angestellte Person verdient – also einzahlt –, gibt es pro Jahr eine bestimmte Anzahl Rentenpunkte. Das bemisst sich am Durchschnittsentgelt aller gesetzlich Rentenversicherten. Dieses Jahr liegt es in den neuen Bundesländern bei 41.967 Euro. Ist der Brutto-Lohn genauso hoch, gibt es exakt einen Rentenpunkt. Wer anteilig mehr oder weniger verdient, bekommt auch anteilig mehr oder weniger Rentenpunkte.

Jeder Rentenpunkt wiederum hat einen Wert. Und zwar aktuell 37,60 Euro. Die über das gesamte Arbeitsleben gesammelten Rentenpunkte bestimmen am Ende maßgeblich, wie viel Rente auf dem Konto landet. Wer 2023 zum Beispiel mit 40 Rentenpunkten in die reguläre Altersrente geht, bekommt eine Rente von rund 1.500 Euro im Monat.

Wer die Rente jedoch vorzieht – also vor Erreichen der persönlichen Regelaltersgrenze in den Ruhestand geht, bekommt die erwähnten 0,3 Prozent Abzug pro Monat früherem Ruhestand. Diese Abzüge können sich maximal auf 14,4 Prozent summieren. Das passiert bei Menschen, die statt zur Regelaltersgrenze von 67 Jahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen. Wenn die Rente nun früher als vorgesehen, aber ohne Abzüge kommen soll, braucht es eben mehr Rentenpunkte und die lassen sich zusätzlich kaufen.

Wer kann wie Rentenpunkte kaufen und was kostet es?

Nicht jeder kann einfach so Rentenpunkte kaufen. Rentnerinnen und Rentner sind in der Regel bereits ausgeschlossen. Sie sind ja schon im Ruhestand. Die ganz Jungen sind auch außen vor. Rentenpunkte können erst ab einem Alter von 50 Jahren gekauft werden. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es eine realistische Chance geben muss, auf die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren zu kommen. Die braucht es nämlich, um überhaupt die Rente ab 63 in Anspruch nehmen zu können. Mit 50 Jahren sollten also am besten schon 22 Jahre rentenrelevante Zeiten vorhanden sein. Nach 13 Jahren weiterer Arbeit hat man die 35 Jahre Mindestversicherungszeit auf jeden Fall zusammen.

Die Kosten Vereinfacht gesagt kostet ein Rentenpunkt im Jahr 2023 rund 7.806 Euro (Ost). Das ergibt sich aus dem vollen Beitragssatz von 18,6 Prozent angewandt auf das Durchschnittsentgelt. Allerdings werden auf die gekauften Rentenpunkte auch wieder die Abschläge fällig. Um einen Rentenpunkt auszugleichen, muss man daher mehr als einen Rentenpunkt kaufen. Der Gesamtpreis des Ausgleichsbedarfs ist also eine individuelle Angelegenheit.

Der erste Schritt beim Kauf von Rentenpunkten ist, die Berechnung des Ausgleichsbedarfs anzufordern. Das funktioniert online mit dem Antrag V0210 auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung Bund. Keine Sorge, damit hat man noch nicht den eigentlichen Kauf abgenickt, sondern holt sich im Prinzip einen Kostenvoranschlag ein.

Logo der Deutschen Rentenversicherung
Bei der Rentenversicherung kann man sich per Antrag den Kauf von Rentenpunkten berechnen lassen. Bildrechte: Deutsche Rentenversicherung

In der Regel sollte innerhalb von drei Monaten eine Antwort auf den Antrag kommen, in Einzelfällen kann es sich aber auch verzögern. Sobald die Antwort da ist, bleiben drei Monate Zeit, um mindestens einen Teil des Geldes zu bezahlen. Bleibt die Zahlung aus, muss der Antrag erneut gestellt werden und das kann Nachteile haben. Denn für die Berechnung des Ausgleichsbedarfs werden immer die Werte zum Zeitpunkt der Antragstellung herangezogen. Ändern sich diese zum Beispiel zum Jahreswechsel, können die Rentenpunkte teurer werden. Das ist in der Regel auch der Fall, weil das Durchschnittsentgelt nur in außergewöhnlichen Fällen wie der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie sinkt.

Meist lohnt es sich daher, nur aus steuerlichen Gründen mit dem Kauf von Rentenpunkten zu warten oder zumindest die Zahlung erst im neuen Jahr zu leisten, wenn man den Antrag am Jahresende gestellt hat. Dazu weiter unten mehr.

Steuervorteil dank gekaufter Rentenpunkte

Die Investition in die eigene Rente hat einen nicht zu unterschätzenden Steuervorteil. Der Kauf von Rentenpunkten lässt sich bei den Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich geltend machen – und das seit 2023 zu 100 Prozent. Das macht sie um Tausende Euro billiger, auch wenn man natürlich in Vorleistung gehen muss und die Steuerersparnis erst verzögert eintritt. Dennoch ist sie deutlich. Angestellte mit einem Bruttogehalt von 45.000 Euro im Jahr müssen nach dem Kauf eines Rentenpunktes in der vereinfachten Rechnung rund 2.400 Euro weniger Steuern zahlen.

Auf einem Laptop ist die Startseite der Steuersoftware ELSTER geoeffnet
Wer wenig verdient, darf nur weniger an Altersvorsorgeaufwendungen absetzen. Bildrechte: picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose

Allerdings ist die Steuerersparnis nicht unendlich. Altersvorsorgeaufwendungen lassen sich 2023, je nach Einkommen, nur bis zum Höchstbetrag von aktuell 26.528 Euro für Alleinstehende und 53.056 Euro für Paare absetzen. Wer wenig verdient, für den ist der Höchstbetrag geringer. Außerdem ist dieses Steuerbudget bei Angestellten zum Teil schon verbraucht. Denn auch die Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung inklusive des Arbeitgeberanteils gehen automatisch als Altersvorsorgeaufwendungen von diesem Höchstbetrag ab. Auch Einzahlungen in manche Produkte der geförderten privaten Altersvorsorge können davon abgehen. Ist dieses Steuerbudget schon weit oder vollständig ausgereizt, kann es sich lohnen, den Kauf von Rentenpunkten in Raten zu bezahlen und mit dem Kauf von Rentenpunkten zu warten.

Es gibt auch die Möglichkeit, den Antrag zum Jahresende zu stellen und dann innerhalb der drei Monatsfrist im nächsten Jahr zu bezahlen. So erhält man die wahrscheinlich günstigeren Konditionen aus dem aktuellen Jahr, kann die Zahlung aber im nächsten von der Steuer absetzen.

Tipp Vor dem Kauf von Rentenpunkten ist es neben einer Beratung bei der Rentenversicherung genauso empfehlenswert, sich Hilfe bei einer Steuerberatung oder einem Lohnsteuerhilfeverein zu suchen, um einen genauen Blick auf die eigene Steuersituation zu erhalten.

Weitere Vor- und Nachteile des Kaufs von Rentenpunkten

Um die Vor- und Nachteile herauszuarbeiten, braucht es erst einmal eine vergleichbare, für die Altersvorsorge sinnvolle Option. Das ist aus Finanztip-Sicht ein langfristiger Sparplan in einen breitgestreuten ETF. Also eine monatliche Sparrate, die in einen weltweiten Index wie den MSCI-World investiert – was das Risiko streut – und mindestens 15 Jahre läuft. In der Vergangenheit hat ein solches Investment durchschnittlich rund sieben Prozent pro Jahr erwirtschaftet.

Das ist mehr, als bei den Rentensteigerungen – also der Wertsteigerung von Rentenpunkten – zu beobachten war. Doch die Börse unterliegt Schwankungen. Um diese auszuhalten und auszugleichen, braucht es neben der bereits erwähnten Langatmigkeit und der Streuung des Risikos auch Sicherheitsbausteine wie ein Tages- und Festgeldkonto. Außerdem benötigt diese Art der Investition einen Auszahlplan. Auch der Verkauf des eigenen Portfolios muss geplant werden, damit das Geld für den gesamten Ruhestand reicht.

Ob sich Rentenpunkte wirklich auszahlen, ist eine Frage der Lebenserwartung.

Jan Scharpenberg Ressortleiter bei Finanztip.de

Dieses Problem und den entsprechenden Aufwand gibt es bei der Investition in Rentenpunkte nicht. Die läuft einfach bis ans Lebensende – ein wirklich einfacher Auszahlplan. Damit ist auch klar: Ob sich Rentenpunkte wirklich auszahlen, ist eine Frage der Lebenserwartung. Je älter man wird, desto länger gibt es die erhöhte Rente. Ab einem bestimmten Alter sind die Einzahlungen über die monatliche Rente wieder zurückgeflossen und was danach kommt, ist das Plus. Wann dieses Alter erreicht ist, ist individuell unterschiedlich.

Ab welchem Alter sich die Rente wirklich rechnet Nach Finanztip-Berechnungen muss man in der Regel mindestens 80 Jahre alt werden, um ins Plus zu kommen. Ganz weg ist das investierte Geld in Rentenpunkte aber auch nach dem Tod nicht. Über die Witwen- und Waisenrente gibt es einen Hinterbliebenenschutz kostenlos obendrauf.

Die Investition in Rentenpunkte bietet zudem einen Sicherheitsvorteil. Denn ihr Wert kann dank Rentengarantie nicht fallen. Zudem sind die Rentensteigerungen relativ inflationssicher, weil sie an die Lohnentwicklung gekoppelt sind.

Für das Mehr an Sicherheit gibt es auf der anderen Seite neben dem Weniger an Rendite auch ein Weniger an Flexibilität.

Jan Scharpenberg Ressortleiter bei Finanztip.de

Für das Mehr an Sicherheit gibt es auf der anderen Seite neben dem Weniger an Rendite auch ein Weniger an Flexibilität. Das Geld, was in Rentenpunkte investiert wurde, fließt nur über die monatliche Rente zurück. Eine Rückerstattung, falls man es sich vor der Rente anders überlegt, gibt es nicht. Auch im Ruhestand ist eine Einmalauszahlung nicht möglich. Was passiert aber, wenn man sich dann doch gegen den vorgezogenen Renteneintritt entscheidet? Dann erhöhen die zusätzlich gekauften Rentenpunkte einfach die normale Rente.

Für wen lohnen sich gekaufte Rentenpunkte?

Wie man an den Vor- und Nachteilen sieht, ist das zunächst eine Typ- und Zeitfrage. Wem bei seiner Investition die Sicherheit sehr wichtig ist, der ist bei den Rentenpunkten an der richtigen Adresse. Zeit kommt auch ins Spiel, denn ein Mehr an Sicherheit gibt es ja auch bei den ETFs, je langfristiger in sie investiert wird. Hinzu kommt dort die wahrscheinlich höhere Rendite.

Daraus ergibt sich: Je weiter der Renteneintritt entfernt ist, desto mehr Zeit hat das Geld sich im ETF-Depot zu vermehren, bevor es wieder beginnt zu schmelzen. Mit Anfang 50 ist daher wahrscheinlich eher zum ETF zu raten als zum Kauf von Rentenpunkten. Wer allerdings kurz vor der Rente steht und einen größeren Geldbetrag zur Verfügung hat, sollte sich definitiv bei der Rentenversicherung zum Kauf von Rentenpunkten beraten lassen.

Achtung: Der Kauf von Rentenpunkten lohnt sich besonders für Besserverdiener aufgrund des Steuervorteils bei den Altersvorsorgeaufwendungen. Um das zu versteuernde Einkommen zu senken und damit Steuern zu sparen, sollte das zu versteuernde Einkommen erst einmal entsprechend hoch sein. Sonst ist ein Teil der Steuerersparnis futsch. Und mit mehr Geld lässt sich der Ruhestand besser genießen als ohne, ob vorgezogen oder nicht.

Ein Mann mit Vollbart lächelt in die Kamera.
Bildrechte: Finanztip.de

Unser Experte Jan Scharpenberg ist Ressortleiter der Versicherungsexperten beim Online-Ratgeber-Portal Finanztip.de. Für seine Recherchen arbeitet er sich tief in das deutsche Rentensystem ein. Ob die Berechnung von Rentenpunkten, die "Rente ab 63“ oder Steuervorteile bei der Altersvorsorge, seit vielen Jahren ist die Rentenversicherung das wichtigste Thema für den erfahrenen Finanzjournalisten.

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MDR (lk)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 26. September 2023 | 17:00 Uhr

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