Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Radfahrerin fährt über defekte rote Ampel und muss kein Bußgeld zahlen

14. Oktober 2023, 08:45 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Radfahrerin fährt bei Rot – Gericht gibt ihr Recht

Oberlandesgericht Hamburg, Az. 5 ORbs 25/23

Petra Pedale* ist leidenschaftliche Radfahrerin in Hamburg. Auch vergangenen Sommer sitzt sie häufig im Sattel. An einem Juli-Abend wartet sie allerdings geraume Zeit an einer roten Ampel. Die Minuten vergehen, nichts tut sich. Als es einfach nicht Grün wird, fährt sie schließlich über Rot, wird erwischt und muss 100 Euro Geldbuße wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes zahlen. Petra Pedale legt Einspruch ein. Sie ist davon ausgegangen, dass die Ampel defekt war. Loszufahren war für sie weder vorsätzliches noch fahrlässiges Verhalten.

Der Fall landet beim Oberlandesgericht Hamburg. Zur Urteilsfindung hat man sich die Ampel ganz genau angesehen und herausgefunden, dass es Anlagen gibt, die mithilfe einer sogenannten Bedarfsschleife merken, wenn Fahrzeuge ankommen. Sie schalten dann auf Grün – sonst bleibt es Rot. Im Fall von Frau Pedale, wurde diese Bedarfsschleife durch das Rad allerdings nicht aktiviert und die Richter erließen der Klägerin das Bußgeld. Im Urteil heißt es: "Liegt eine Funktionsstörung wie in diesem Fall vor, ist die Halteanordnung der roten Ampel nichtig." Petra Pedale muss kein Bußgeld zahlen.


Schwules Ehepaar erhält keine Steuervergünstigung für Leihmutter

Bundesfinanzhof München, Az. VI R 29/21

Lionel und Linus Liebe* heiraten im Jahr 2017. Ihre Beziehung soll durch ein Kind vollendet werden. Die zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen beauftragen deshalb eine sogenannte Ersatzmutter, in Kalifornien ihr Kind auszutragen. Inzwischen lebt es bei den Männern in Deutschland. Die Kosten für die Leihmutter in Höhe von 13.000 Euro machen sie in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt erkennt das jedoch nicht an und erklärt, Leihmutterschaft sei in Deutschland verboten.

Lionel und Linus Liebe klagen und scheitern vor dem Bundesfinanzhof in München. Dort heißt es im Urteil: "Der Abzug als außergewöhnliche Belastung setzt voraus, dass die Aufwendungen mit der Rechtsordnung im Einklang stehen. Die Leihmutterschaft ist allerdings nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten. Verfassungsrechtliche Zweifel an diesen Regelungen gibt es nicht. Obendrein beruhen die Kosten der Leihmutterschaft nicht auf einer Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind zu haben."


Kein staatliches Monopol auf Krematorien

Verwaltungsgericht Berlin, Az. VG 21 K 227/20

Flavio Flamme* möchte in Berlin auf einem Gewerbegrundstück ein Krematorium betreiben. Dafür bemüht er sich bei der zuständigen Senatsverwaltung um eine Erlaubnis. Die wird ihm allerdings verwehrt. Die Begründung: Öffentliche Krematorien hätten ausreichend Kapazitäten. Obendrein könne ein staatlich betriebenes Krematorium den Anforderungen an eine sichere und würdevolle Feuerbestattung besser gerecht werden.

Flavio Flamme hält diese Begründung für nicht zutreffend und klagt erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Dort entschieden die Richter: "Der Staat hat kein Monopol auf die Errichtung und den Betrieb eines Krematoriums. Eine allgemeine und grundsätzliche Ablehnung verletzt die Berufsfreiheit."

Weiter befand das Gericht: "Das Interesse an einer sicheren und würdevollen Feuerbestattung kann auch etwa durch die Überprüfung des Betriebskonzepts vor einer Genehmigung gewahrt werden." Auch das Argument, der Bedarf sei bereits durch öffentliche Kapazitäten gedeckt, reiche nicht. Für solch eine Argumentation bedürfe es einer ausdrücklichen Regelung – diese gebe es aber nicht.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. Oktober 2023 | 08:21 Uhr

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