Bilanz Umwelt und Natur unter Rot-Rot-Grün

11. Oktober 2019, 11:21 Uhr

Im Bereich Umwelt, Natur und Klima hat sich Rot-Rot-Grün viel vorgenommen und auch viel auf den Weg gebracht. In Summe ist es eine Bilanz, die eng mit der verantwortlichen Ministerin verknüpft ist.

Im Bereich Umwelt, Natur, Klima hat die rot-rot-grüne Koalition vieles erfüllt oder auf den Weg gebracht, was sie beim Start angekündigt und im Koalitionsvertrag 2015 festgeschrieben hat. Und diese Bilanz ist eng an die verantwortliche Ministerin, Anja Siegesmund, von den Grünen geknüpft. Die 42-Jährige hat die Chance genutzt, aus dem Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz ein Ressort zu machen, das diesen Namen auch verdient. Dass es diesen Bereich in Thüringen überhaupt gab, daran erinnerte in den zurückliegenden Legislaturperioden eigentlich nur das Schild am Eingang des Ministeriums.

Siegesmund hat dieses "Brachland" mit grünem Selbstvertrauen beackert. Das Ressort profilierte sich dank eines höheren Etats, einer ehrgeizigen Ministerin und durch Themen, die Siegesmund aus ihrer Zeit auf der Oppositionsbank mitbrachte. Zum Beispiel die Altlastensanierung im Altenburger Land.

Was ist das Altlastenproblem und woher kommt es? Seitdem südlich von Leipzig keine Braunkohle mehr abgebaut wird, steigt in der Ostthüringer Region der Grundwasserspiegel. Dadurch wird verseuchtes Wasser in die Keller von Wohnhäusern gedrückt, belastet mit ausgeschwemmten Chemikalien aus den Böden im Umfeld des ehemaligen Teerverarbeitungswerkes Rositz. Krebserregendes Phenol und Benzol sind in den betroffenen Häusern nachweisbar.

Lothar Schuhmann von der Bürgerinitiative Rositz-Schelditz gehört zu denen, die der Landesregierung den "politischen Willen" abnehmen, das Altlasten-Problem "endlich" zu lösen. Das Problem war seit 2002 bekannt. Der Durchbruch kam für die Bewohner aber erst 2018: Siegesmund legte die errungene Vereinbarung zwischen Land und Bund den Betroffenen persönlich auf den Tisch. Demnach tragen Land und Bund die Sanierungskosten. Sechs Familien konnten oder werden ihre verseuchten Häuser verlassen, großzügig entschädigt, um neuen Wohnraum zu beziehen. "Materiell sind die alle zufrieden", sagt Schuhmann. Er selbst lebt in einem Haus mit einem Messgerät im Keller, das die Kontamination laufend dokumentiert. Er wartet auf das, was die weiteren Sanierungsschritte jetzt bringen. Fest steht, dass in einigen Häuser wegen des steigenden Grundwasserspiegels die Keller noch verfüllt werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass noch mehr Häuser leer gezogen werden müssen. Die Sanierung haben die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft und die Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft zu managen. Der Startschuss für den Einbau von Filteranlagen ist für 2020 angekündigt.

Politik in der Peripherie

Das Engagement der Landesregierung hat bei den Betroffenen in Ostthüringen durchaus einen guten Klang. Anders dagegen in Nordthüringen. Hier sind nicht Wenige von der Umweltpolitik unter Rot-Rot-Grün enttäuscht oder desillusioniert. Im Streit um den Gipsabbau in einem der europaweit größten schützenswerten Karst-Gebiete war die Hoffnung auf neue Perspektiven groß. Im Koalitionsvertrag ist auch explizit formuliert, dass neue Gipsabbaugebiete nicht mehr genehmigt werden sollen. Im aktuellen Regionalplan für Nordthüringen aber sind 67 Hektar neue Abbauflächen abgesteckt. Und Ministerpräsident Bodo Ramelow persönlich ließ wissen, dass er im Gipsabbau die wirtschaftliche Perspektive für die Region sieht. Die neueste Vision sind Forschungsstätten rund um das Thema Gips. Die Grünen haben sich für die Region die UNESCO-Anerkennung als Biosphärenreservat und sanften Tourismus zum Ziel gesetzt.

Von R2G im Koalitionsvertrag angekündigt und auf den Weg gebracht • Natura2000, elf Naturschutzstationen landesweit in Thüringen mit Ansprechpartnern und Koordinatoren;
• Wolfsmanagement, Rissgutacher, finanzielle Hilfen für Schäfer und andere Tierzüchter
• mehr Geld für Thüringer Umweltstiftung
• mehr Geld für Nationalpark Hainich
• Grünes Band, ehemaliger Grenzstreifen wird Nationales Naturmonument. Das bedeutet höhere Zuschüsse.
• eigenständige Umweltlotterie
• fünf Prozent nicht bewirtschaftete Waldflächen im Landesforst
• Wassergesetz u.a. mit dem Ziel, die Trinkwasserqualität zu sichern und die Gewässerqualität zu verbessern; weniger Nitrateintrag, Abbau von Staustufen, Hochwasserschutz;
• Klimagesetz – Thüringen hat sich als erstes ostdeutsches Land landeseigene auf CO2-Reduktion verpflichtet;
• Energiewende
• Verwaltungsreform – gemeinsames Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz

Der Streit um den Gipsabbau in der Region könnte eine Nagelprobe werden, in welchem Maße sich grüne Positionen in Thüringen tatsächlich durchsetzen lassen. Ernsthaft erprobt ist es bisher nicht. In den zurückliegenden Jahren fielen die sonst üblichen Konflikte einer Koalition mit einem grün geführten Umweltministerium auch deshalb aus, weil sie nicht in dessen Zuständigkeit fielen. Die emotionalen und klassisch stark polarisierenden Bereiche, Landwirtschaft und Forsten, Tierhaltung und Tierwohl, gehörten in den zurückliegenden fünf Jahren zum Beritt der Linken. Und deren Gesetzesvorlagen ließen maximal grüne Einflüsse erkennen.

Halbherzige Düngeverordnung

Ein Beispiel dafür ist die neue Düngeverordnung, die 2020 inkraft tritt. Die Vorschrift orientiert sich am Schutz der Gewässer und fordert von den Landwirten, an Uferstreifen keine Pestizide und Düngemittel einzusetzen. Dabei haben sie die Wahl: entweder verzichten sie auf einem zehn Meter breiten Sicherheitsstreifen zum Gewässer hin auf Chemie; oder sie legen einen fünf Meter breiten dauerhaften Grünstreifen zur Gewässerseite an und können Pestizide verwenden wie sie wollen. Im Koalitionsvertrag waren die Ziele deutlich höher gesteckt. Für einen tasächlich wirksamen Schutz der Gewässer vor Einträgen gilt unter Fachleuten ein zehn Meter Sicherheitsstreifen auch als „alternativlos“. Die EU drängt, auch in Thüringen liegt die Nitratbelastung im Grundwasser stellenweise (!) deutlich über den zulässigen Grenzwerten - für die Landwirte hätte es also schlimmer kommen können. Trotzdem fühlen sich die Landwirte drangsaliert und machen dafür die Grünen in der Regierung verantwortlich.

Von R2G angekündigt aber nicht erreicht • Thüringen wollte seinen Beitrag leisten, den Flächenverbrauch bis 2020 bundesweit auf 30 Hektar pro Tag zu senken, langfristig sollte es Pflicht werden, beim Versiegeln von Böden einen Ausgleich zu schaffen.
• Bund noch nicht zu 100 Prozent an Altlastensanierung Kali beteiligt.
• Laugen-Einleitung aus der Kali-Industrie in die Werra geringer geworden, Alternativen aber noch nicht angegangen;

Dass von einem grün geführten Umweltministerium der Ruf einer ganzen Regierungsmannschaft auch profitieren kann, zeigt das Klimagesetz, das im Dezember 2018 verabschiedet wurde. Das Gesetz wurde bereits 2015 im Koalitionsvertrag angekündigt und im Gesetzgebungsprozess in zahlreichen Anhörungen je nach Standpunkt diskutiert und kritisiert. Friday for Future Demonstrationen gab es erst Monate später. In dieser Frage ist die Landesregierung also nicht "getrieben" durch die Aktivitäten. Wie ernst das Gesetz rot-rot-grün tatsächlich ist, lässt sich erst messen, wenn die in Aussicht gestellten Förderungen für Industrie und Privathaushalte wirken.

Quelle: MDR THÜRINGEN / mis

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