Ein Mann mittleren Alters in Funktionskleidung hockt auf einer Anhöhe mit grünem Gras und Felsen. Er bedient ein Messgerät, das im Boden steckt.
Erstautor Kathiravan Meeran führt Messungen im isländischen Versuchsfeld nahe einer geothermalen Bruchlinie durch. Bildrechte: Universität Innsbruck

Ökosystem speichert weniger Die Klimaerwärmung beschleunigt den Kohlenstoff-Kreislauf

19. Juli 2023, 07:21 Uhr

Unsere Böden sind die größten natürlichen Kohlenstoffspeicher der Welt. Und besonders viel davon ist im hohen Norden gespeichert. Allerdings sind die Böden dort besonders stark von der globalen Erwärmung betroffen, große Mengen Kohlenstoff gelangen deshalb in die Atmosphäre. Ein Forschungsteam aus Österreich hat auf Island untersucht, wie genau die Erwärmung die Freisetzung und die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid beeinflusst. Sie sagen: Die Ökosysteme speichern das Klimagas immer schlechter.

Die Ökosysteme in der Subarktis sind enorm wichtig für die ganze Welt. Denn sie speichern große Mengen an Kohlenstoff. Doch je wärmer das Weltklima wird, desto mehr davon entweicht in die Atmosphäre. Allerdings nicht alles: Auch die Pflanzen nehmen das Klimagas auf und nutzen es für die Photosynthese. Kann dieser Prozess vielleicht die Freisetzung aus dem Boden ausgleichen? Das hat ein Forschungsteam der Universität Innsbruck auf Island untersucht.

Pflanzen fangen höheren Kohlenstoff-Ausstoß nicht auf

Die Idee dahinter sei, so erklärt es Michael Bahn, Ökologie-Professor von der Universität Innsbruck, dass die Erwärmung auch die Nährstoffversorgung der Pflanzen erhöhen könnte, wenn dadurch die organische Substanz im Boden abgebaut würde. Dann sollten die Pflanzen nämlich besser wachsen und dabei auch mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen. Soweit jedenfalls die Theorie. Die Praxis dagegen sah etwas anders aus, sagt Bahn: "Das ist überraschenderweise nicht der Fall, wie unsere aktuelle Studie zeigt."

Mitternachtssonne auf Island
Die Weiten Islands bieten den Forschenden ein natürliches Klimalabor. Bildrechte: © MDR/WDR/Jan Haft, honorarfrei

Für ihre Untersuchung sind die Forschenden nach Island gereist. Dort ermöglichen geothermale Bruchlinien der Forschung ideale Bedingungen, um die längerfristigen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Ökosysteme im hohen Norden zu erforschen, so das Forschungsteam. Dabei handelt es sich um tektonische Zerreiß- oder Bruchstellen im Gestein. Dort haben sie den Zusammenhang von anhaltender Erwärmung und Stickstoffversorgung auf den Kohlenstoffkreislauf untersucht.

Das untersuchte Gebiet bot den Forschenden eine Art natürliches Klimalabor: Ein Erdbeben verschob dort ein geothermisches System, sodass sich unter dem Grasland die Temperatur des Bodens erhöhte. Das Forschungsteam steckte auf dem Gelände mehrere Parzellen ab, die unterschiedlich weit weg von der Bruchlinie lagen. Die Böden waren dort bis zu acht Grad wärmer als vor dem Erdbeben. Die Hälfte der Fläche düngte das Team außerdem mit verschiedenen Mengen an Stickstoff.

Der Kohlenstoff-Kreislauf beschleunigt sich

Zunächst stellten die Forschenden in ihren Untersuchungen fest, dass die Erwärmung dazu führte, dass massiv Kohlenstoff aus dem Boden entwichen ist. "Im von uns untersuchten Gebiet in Island wurde in den ersten Jahren nach der Erwärmung bis zu 40 Prozent des Kohlenstoffs im Oberboden an die Atmosphäre abgegeben", sagt Michael Bahn. In den Folgejahren habe sich die mikrobielle Biomasse angepasst und der Kohlenstoffhaushalt des Bodens habe sich wieder eingependelt.

Um herauszufinden, wie der Kohlenstoff-Kreislauf genau aussieht - also der Weg des Gases von der Atmosphäre durch Pflanzen und Boden und anschließend wieder zurück in die Atmosphäre - hat das Team sich eines Helfers bedient. Sie haben in ihrem Experiment das stabile Kohlenstoffisotop 13C zugeführt, erläutert Ökologe Bahn. Damit hätten die Forschenden den Weg des Kohlenstoffs im Ökosystem nachverfolgen können.

"Dabei zeigte sich, dass mit steigender Erwärmung der durch die Photosynthese der Pflanzen gebundene Kohlenstoff von den Mikroben stärker aufgenommen und rascher wieder vom Boden abgegeben wird", erläutert der Forscher. Düngeexperimente hätten aber gezeigt, dass die Produktivität der Pflanzen bei Erwärmung zusehends durch Stickstoffmangel begrenzt werde. Das heißt also, das Ökosystem konnte weniger Kohlenstoff aufnehmen. "Da Erwärmung die Freisetzung von Kohlenstoff beschleunigte, war die Fähigkeit des Ökosystems Kohlenstoff zu speichern somit zusehends reduziert", bilanziert Ökologe Bahn.

Link zur Studie

Meeran, Kathiravan et. al.: Individual and interactive effects of warming and nitrogen supply on CO2 fluxes and carbon allocation in subarctic grassland. In: Global Change Biology, 00, 1–16. https://doi.org/10.1111/gcb.16851.

(kie)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. Juli 2023 | 12:18 Uhr

6 Kommentare

MDR-Team vor 40 Wochen

@Freies Moria
Die Natur reinigt sich leider nicht selbst, denn das abgegebenen CO2 entweicht in die Atmosphäre und verstärkt dort den Treibhausgaseffekt.
LG, das MDR-Wissen-Team

MDR-Team vor 40 Wochen

@wo geht es hin
Genau anders herum ist es korrekt, denn es handelt sich laut der Erkenntnisse
um ein sich selbst verstärkendes System, bei dem die Erderwärmung durch den menschengemachten CO2-Anstieg noch stärker beeinflusst wurde, als bisher gedacht.
LG, das MDR-Wissen-Team

wo geht es hin vor 40 Wochen

"Allerdings sind die Böden dort besonders stark von der globalen Erwärmung betroffen, große Mengen Kohlenstoff gelangen deshalb in die Atmosphäre."
Das würde ja bedeuten, daß die Erderwärmung den CO2 - Anstieg in der Luft beschleunigt und nicht umgekehrt. Und damit wäre auch die These vom fast ausschliesslich menschengemachten CO2 - Anstieg zumindest einmal mehr äusserst fragwürdig.