Szenenfotos der Uraufführung im Erzgebirgetheater Annaberg-Buchholz.
Toskana im Erzgebirge: Die italienische Musikkomödie wurde in Annaberg-Buchholz uraufgeführt. Bildrechte: Ronny Kuettner

Uraufführung im Erzgebirgetheater Annaberg-Buchholz Alberto Franchetti: Don Buonaparte

16. Oktober 2023, 16:03 Uhr

Wieder überrascht zu Saisonbeginn das Erzgebirgische Theater Annaberg-Buchholz mit einer Aufsehen erregenden Entdeckung: Der Uraufführung von "Don Buonaparte", einer Musikkomödie des einst sehr angesehenen Komponisten Alberto Franchetti. Er wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben Puccini, Leoncavallo und Mascagni zu den "Großen Vier" des italienischen Verismo gezählt.

In letzter Zeit sind in Deutschland zwei seiner einst erfolgreichen Opern "Germania" in Berlin und "Asrael" in Bonn wieder gespielt worden, sein Alterswerk "Don Buonaparte" hingegen wurde bislang noch nie gezeigt. Mussolini untersagte eine Aufführung, denn Franchetti war Jude. So erlebte diese italienische Musikkomödie mit ihrem Lob auf das Leben in der Toskana mehr als achtzig Jahre nach ihrer Komposition im Erzgebirge ihre Uraufführung.

Ein berühmter Verwandter  

"Don Buonaparte" spielt in einem kleinen italienischen Dorf, in dem sich plötzlich herausstellt, dass ein Dorf-Mitglied Verwandter eines berühmten Staatsmannes ist: Der Ortspfarrer Geronimo, so wird herausgefunden, ist nichts weniger als ein Onkel Kaiser Napoleon Bonapartes.

Der berühmte Neffe will seinen Onkel auch sogleich zum Kardinal in befördern. Die Dorfbewohner nun wittern auf diese Nachrichten sogleich für sich Karrierechancen und bewerben sich um potentielle künftige Stellen in Paris, und auch die die örtliche Maffia macht sich bemerkbar.

Szenenfotos der Uraufführung im Erzgebirgetheater Annaberg-Buchholz.
Szene aus der Oper "Don Buonaparte", die am 14. Oktober 2023 ihre Uraufführung am Erzgebirgetheater hatte. Bildrechte: Ronny Kuettner

Doch Pfarrer Geronimo bleibt in der Toskana, preist die Armut und das Landleben in seiner Heimat. 1941 ist "Don Buonaparte" zwar nicht als Oper, aber als erfolgreicher Film herausgekommen. Der Librettist und Drehbuchautor Gioavacchino Forzano und der Filmregisseur Flavia Calzavara standen dem Faschismus Mussolinis durchaus nahe.

Partitur aus dem Exil geholt

Wenn nun nach mehr als achtzig Jahren diese Oper zum ersten Mal gezeigt wird, kommt der Verdienst vor allem dem Schriftsteller und Komponisten Helmut Krausser zu, der über einen Sohn Franchettis an die nach Amerika ins Exil gebrachte Paritur kam und sie edierte.

Krausser hatte über Alberto Franchetti eine Biografie oder besser Doppelbiographie "Die ungleichen Rivalen Puccini und Franchetti" geschrieben und darin von dessen bewegtem, exzentrischem Leben als Sohn eines der reichsten Italiener, des Eisbahnmilliardärs Baron Raimondo Franchetti erzählt.

Temperamentvoll und komödiantisch

Bei Musikdirektor Jens Georg Bachmann und der Erzgebirgischen Phiharmonie Aue liegt die Aufführung in guten, ja besten Händen. Temperamentvoll, und vor allem in den großen Chören des Dorfes (Chorleistung: Daniele Pilato) voll Energie, farbenreich lyrisch, dann wieder spöttisch, eine komödiantische Konversation voller Nuancen.

Und dennoch: "Don Buonaparte" ist, verglichen etwa mit Puccinis Komödie "Gianni Schicchi", ein doch etwas konventionell geratenes Alterswerk.

Die Idylle und ihre Widersprüche

Eine weitere Produktion ist dennoch zu erwarten und man würde sie sich auch deshalb wünschen, um die – wie das Theater ankündigte –  "historisch orientierte" Inszenierung und Ausstattung von Lev Pugliese ein wenig zu relativeren und die Konflikte der Handlung etwas zu schärfen.

Szenenfotos der Uraufführung im Erzgebirgetheater Annaberg-Buchholz.
Widersrpüche in ländlicher Idylle Bildrechte: Ronny Kuettner

Pugliese führt in historischen Landschaftsbildern eine ländliche harmlose Idylle vor, die die großen Widersprüche, die in der Oper hervor brechen, freundlich zukleistert: So wird wenig deutlich, wie das Lob der Heimat in der Toskana gleichzeitig neben dem Wunsch steht, mit dem Besatzungssoldaten auszuwandern.

Lob der Armut und gleichzeitig Verstrickung in die Maffia, Solidarität im Dorf und gleichzeitig Verspottung. Auch in solchen Ambivalenzen nicht unähnlich "Gianni Schicchi". Nicht zuletzt die Entstehung der Musikkomödie spiegelt diese Widersprüche: Der dem Faschismus nahestehende Librettist und der weltgewandte jüdische Komponist.

Spezialisten für Opernentdeckungen

Bei dem inzwischen auf Entdeckungen eingeschworenen Ensemble des Eduard von Winterstein Theaters ist die Aufführung aber sehr gut aufgehoben: Bei Sophie Keiler als Ziehtochter des Pfarrers zum Beispiele oder bei Karem Kurk ihrem Geliebten, dem französischen Korporal, mit dem sie aus der Enge des Dorfes durchbrennen will.

Besetzung und Inszenierung:

Don Geronimo László Varga
Der General Jinsei Park
Der Korporal Kerem Kurk
Maso Corentin Backès
Ein Advokat Richard Glöckner
Ein Cavaliere Jakob Hoffmann
Ein Mönch Volker Tancke
Agnese, Haushälterin Maria Rüssel
Maria Bettina Grothkopf
Mattea Sophia Keiler
Stimme aus der Entfernung Yuta Kimura / Lukáš Šimonov
Un Contadino Richard Glöckner
Voce Yuta Kimura / Lukáš Šimonov
Capitano Jakob Hoffmann
Kleindarsteller | Soldaten Christian Harnisch / Leo Tennler

Inszenierung Lev Pugliese
Musikalische Leitung Jens Georg Bachmann / Dieter Klug
Ausstattung Lev Pugliese
Chorleitung Daniele Pilato
Dramaturgie Lür Jaenike
Film & Schnitt Dominik Kwetkat

Insbesondere imponiert aber Lászlo Varga in der großen Rolle des Geronimo: Jugendlich und doch gleichzeitig abgeklärt und weise – ein Spielmacher wie Prospero in Shakespeares Sturm. Das Uraufführungspublikum bedachte jedenfalls mit viel Beifall diese Opern- Entdeckungsreise.

Weitere Vorstellungen: Mi 18.10.23 19.30 Uhr
So 12.11.23 19.30 Uhr
So 19.11.23 15.00 Uhr
Sa 02.12.23 19.30 Uhr
Fr 22.12.23 19.30 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 15. Oktober 2023 | 09:35 Uhr

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